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Full text: 58, 1938

Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens 
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43. Die Eisverhältnisse von Zerel-Westsee (estn. Ber.). 
Das Seegebiet westlich der Halbinsel von Zerel (Sörve) gehört der Ostsee an, wird infolgedessen von anderen 
hydrographischen Bedingungen regiert als der Rigabusen. Modifiziert werden die hydrographischen Voraussetzun 
gen durch den ausgehenden Strom des Rigabusens, der um Kap Zerel herum nach Norden umbiegt und demzufolge 
auch noch das Seegebiet westlich der Halbinsel beeinflußt. Die Folge ist, daß die Eisverhältnisse ein von den 
meisten anderen Stationen abweichendes Bild aufweisen, das besonders in der Reihenfolge milder und strenger 
Winter ausgeprägt in Erscheinung tritt. 
Die Schwankungen sind groß. Während in zwei Wintern, 1924/25 und 1929/30, überhaupt kein Eis er 
schienen ist, trat in einzelnen Wintern eine Vereisung auf, die durch Festeis und Treibeis ausgezeichnet war. 
Sogar Festeis, das bis zum Horizont reicht, ist vorgekommen. Wir können daraus keinen anderen Schluß ziehen, 
als daß die vollmarinen Einflüsse der freien Ostsee hier noch nicht wirksam werden können; die Halbinsel liegt 
auch etwas nach Osten zurück, während die Küste von Lettland bei Libau und Windau den nordwärtsgehenden 
Küstenstrom der Ostsee in eine Richtung zwingt, die an Ösel zunächst in einigem Abstande vorbeiführt. Zerel da 
gegen wird noch beherrscht von den Eisverhältnissen des Rigaischen Meerbusens. Die Beeisung tritt relativ spät 
ein und mit großen Unterschieden von Jahr zu Jahr. Der früheste Termin ist der 13. Dezember 1933. Er leitete 
gleichzeitig eine intensive Hauptvereisung ein, die aber früher als durchschnittlich zu Ende kam. Darauf folgten 
noch 7 einzelne Nacheisperioden, die anfangs noch selbständige Festeiskerne aufwiesen, aber von Mitte März ab 
nur mehr aus Treibeis bestanden. Ähnlich, nur in zeitlich geringerem Maßstabe, verlief der Winter 1925/26, der 
unter den strengen Wintern hier erst an dritter Stelle kommt. Er begann am 9. Januar mit Festeis (= Hauptver 
eisung), das bis zum 8. März währte. Daran schlossen sich zwei Nacheisperioden mit Festeis und eine verspätete 
ausschließlich mit Treibeis an. In beiden Wintern verlief die Hauptvereisung in einer für die strengeren Winter 
bei Zerel durchaus charakteristischen Weise: Es bestand ein kontinuierlicher Küstenfesteissaum, der sich zeitweilig 
ausdehnte, so daß kein Treibeis peripher auftrat. Dieser Wechsel vollzog sich jedoch regellos, ohne ein ausge 
prägtes Festeismaximum etwa zur Zeit der normal zu erwartenden Kulmination des Eises. 
Die Enteisung ist hier im Gegensatz zu fast allen anderen Stationen durch eine sehr große Variabilität aus 
gezeichnet. Die Extreme der Enteisung sowie die eisfreien Spannen zwischen Nacheisperioden und dem Schluß 
der Hauptvereisung sind großen Schwankungen unterworfen. Nacheisperioden fehlten nur den Wintern 1932/33 
und 1934/35, sonst traten sie mit großen Zwischenräumen in jedem Winter auf. Zum Beispiel beträgt der eisfreie 
Zeitraum zwischen der Hauptvereisung und der Nacheisperiode im Winter 1925/26 volle 40 Tage. Erklärbar ist 
dieses verspätete Auftreten einer kurzen Treibeisperiode in diesem Falle daraus, daß der Winter an allen, auch 
den benachbarten Stationen lange dauerte und zu den strengsten überhaupt beobachteten Wintern gehört. 
Das auffallendste Kennzeichen der Vereisung von Zerel ist die Zunahme der Intensität der Winter in den 
letzten Berichtsjahren, die sogar so groß ist, daß der längste und auch strengste Winter 1933/34 eintrat. Ähnlich 
gestaltete sich der vorhergehende und der folgende Winter. Dagegen sind die Winter von 1926/27 bis 1931/32 
sehr mild verlaufen. Diese Tatsache steht in klarem Gegensatz zu dem, was sich bezüglich der Reihenfolge der 
Intensität der Winter bei den anderen Eisstationen beobachten ließ, daß nämlich die Intensität der Winter und 
auch ihre Dauer in den letzten Jahren mehr oder weniger kontinuierlich abnahm. Die bei Zerel zu beobachtende 
Verschärfung der Winter in den letzten Jahren bezieht sich aber nicht nur auf die Dauer und Beschaffenheit allein, 
sondern ebenso auch auf die Tragfähigkeit der Eisdecke. Während nämlich die Eisdecke in den ersten Wintern 
und erst recht in den „mittleren“ nicht einmal gangbar wurde, erreichte sie diese Stärke in den letzten Jahren in 
immer größerem zeitlichen Umfange. Vergleicht man diese Verteilung der Winter mit der des Seegebietes im 
Südosten von Zerel, im Bereich des Rigabusens, so tritt keinerlei Parallelität auf. Dort reihen sich die Winter 
vielmehr in die Reihenfolge ein, wie sie von den übrigen Stationen des Rigabusens und teilweise auch des Finnen 
busens her bekannt ist. Wir sind also zu dem Schluß berechtigt, daß die Halbinsel eine wichtige Eisscheide dar 
stellt, die ganz verschiedenartige Vereisungsgebiete trennt. Jedoch reicht der für das westliche Seegebiet von Zerel 
aufgestellte Vereisungstyp (d. h. die Reihenfolge der Winter) nicht bis Filsand an der Westküste der Insel Ösel, 
das bereits eine Diagrammfolge zeigt, die der der Stationen des Rigabusens sehr ähnelt. Auch die südlicheren 
Stationen, wie Windau oder Libau, zeigen keine ähnliche Diagrammfolge. Damit ergibt sich eine Einschränkung 
dieses Typs auf das unmittelbar westlich von Zerel gelegene Gebiet, d. h. das Gebiet, in dem sich der eisreiche 
Strom des Rigabusens mischt mit dem aus der Ostsee kommenden. Da wir keine Beobachtungen über Temperatur 
und Salzgehalt in den betreffenden Jahren für dieses Gebiet besitzen, kann eine nähere Untersuchung und Beweis 
führung der allein aus den Eisverhältnissen abgeleiteten Zustände leider nicht angetreten werden. Die Klimaver 
hältnisse sind keinesfalls auf kurze Entfernung so rasch verändert, daß aus ihnen eine durchgreifende Änderung
	        
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