72
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 58. Band, Nr. 3
£
dieser Zeitraum bei einzelnen Diagrammbalken kürzer erscheint, so ist dabei zu berücksichtigen, daß der Vorgang
der Homogenisierung und Eisreife in diesen Fällen ohne vorläufige Eisbildung erfolgt ist, die nicht unbedingt
dazu erforderlich ist. Die allgemeine Abkühlung noch oberhalb des Nullpunktes genügt für die Aufrechterhaltung
der thermischen Homogenisierungsvorgänge.
Auf eine Sonderheit muß noch hingewiesen werden, die sich bei völlig kontinental beeinflußten Eisstationen
nicht zeigt: das Auftreten von ein- bis zweitägigen Festeisperioden innerhalb einer Treibeisperiode. Diese Festeis
perioden zeichnen sich sogar dadurch aus, daß das Eis fest bis zum Horizont reicht, daß aber in der Regel eine
besondere Verstärkung nicht damit verbunden ist. Die Erklärung dieser Erscheinung muß vom Gegenteil her ge
sucht werden: das Vorhandensein von Treibeis läßt auf hydrographische Verhältnisse schließen, die einer unge
störten, sofortigen Ausbreitung starken Festeises bis zum Horizont entgegenstehen; sie kann vielmehr nur kurze
Zeit eintreten unter der Einwirkung extremer Fröste. Es wurde weiter oben bereits darauf aufmerksam gemacht,
daß die Zeit des Auftretens von Treibeis bis zum Zeitpunkt des Erscheinens von Dauerfesteis ungefähr mit der
Zeit der Konvektion zusammenfällt, und auf diese Weise läßt sich eine Erklärung für die Unregelmäßigkeit der
Eisbildung im ersten Monat geben. Den Einfluß hydrographischer Verhältnisse bei der Eisbildung spüren wir
ferner in der Verzögerung der Stärkezunahme, die allmählich vor sich geht, und nicht sprungweise wie beispiels
weise in Hapsal. Es läßt sich auch nicht erweisen, daß die Stärkezunahme bei anormal später Eisbildung rascher
vor sich ginge, obwohl doch dann eine Konvektion innerhalb der Wassersäule nicht mehr zu erwarten ist. Viel
mehr müssen wir durch diese Überlegungen veranlaßt zu dem Schluß kommen, daß das Meeresgebiet vor Pernau
von Strömungen und horizontalem Wasseraustausch in der Tiefe nicht verschont ist trotz seiner abseitigen Lage.
Die Ursache dürfte in der Flußströmung zu suchen sein, ähnlich wie bei Riga.
Eine weitspannige Änderung der Eisverhältnisse und damit der Klimaverhältnisse könnte man insofern an
nehmen, als, wie dies auch bei Hapsal in klarer Weise hervortritt, die extrem milden Winter ihren extremen Cha
rakter in den letzten Jahren verminderten und umgekehrt die normalen oder strengen Winter an Dauer und Inten
sität eingebüßt haben. Das würde in der Richtung einer größeren Ausgeglichenheit liegen, und ferner müßte man
auf eine Gesamtmilderung schließen, da die Mehrzahl der Winter zu den normalen zu rechnen ist, die ihre Dauer
durchgehends verkürzt haben. Die Verkürzung äußert sich nicht in einer symmetrischen Beschneidung der Ver
eisungskurve, sondern wechselweise in einer Verspätung des Einsatzes oder einer Verfrühung der Enteisung. Be
sonders die Vorverlegung der Enteisung ist festzustellen, wobei der Extremwinter 1929 mit seiner späten Enteisung
nur eine Ausnahme macht, die das übrige nicht beeinträchtigt.
Abb. 40
PERNAU I Dezember I Januar
1923/24 \ - i -
1924/25. Hü i
Bü
1 Februar ! März I April
1926/27
1928/29 ,
1929/Jo 1
I .
193//321
1932/33,
mmsmsmt*
1934/35,
mmmm
s •ssäsmssi
Mai