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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marincobservatoriums — 58. Band, Nr. 3
d. h. einzelne Tage, an denen stärkerer Strahlungsfröste wegen das Eis vorübergehend bis zum Gesichtskreis fest
geworden ist, dürfen hierbei nicht mitgerechnet werden. Extrem früh lag in dieser Hinsicht die Periode mit der
artig weit ausgedehntem Eise vom 25. 12. 1923 bis zum 2. Februar 1924, umgekehrt trat 1928 und 1929 das Eis
noch relativ spät in solcher Ausdehnung fest auf. Bei der Erfüllung eines großen Meeresgebietes mit losem Treib
eis, das sich auch aus anderen Eisgebieten rekrutiert, ist es nichts Außergewöhnliches, daß die Eisfläche zusammen
friert. Inwieweit gerade bei dem häufigen Auftreten von Treibeis klar zu unterscheiden ist zwischen festem Eis
bis zum Horizont oder treibendem, mag dahingestellt bleiben, denn still liegendes Treibeis kann völlig den Ein
druck von Festeis erwecken, ohne daß es seiner Beschaffenheit nach diese Bezeichnung verdient.
Die durchschnittliche Beeisung findet nach Berücksichtigung aller störenden Momente im Monat Dezember
statt, die Enteisung Ende April. Das letzte Auftreten von Festeis liegt meist um 10—15 Tage früher und kurz
davor verliert es seine Fahr- und Gangbarkeit. Der Beginn der Tragfähigkeit für Fußgänger oder Pferdeschlitten
ist sehr unsicher. Mitunter ist es zu Beginn der Vereisung nur vorübergehend gangbar, ja, im Winter 1924/25
war es überhaupt nicht gangbar. Besonders auffallend ist in dieser Beziehung der erste Teil des Winters 1931/32,
in dem das Eis dreimal gangbar wurde und wieder seine Tragfähigkeit verlor, um Ende Januar sogar ganz zu ver
schwinden. Mit Ausnahme des erwähnten milden Winters 1924/25 ist jedoch die Eisdecke bei Abruka in jedem
Winter mindestens zwei Monate fahrbar. Die Eisdiagramme von Abruka zeigen also zusammenfassend betrachtet
wechselweise ein Vorschieben des Küsteneisgürtels, zeitweise bis zum Horizont und dann ein Zurückweichen zu
gunsten strömenden Treibeises, besonders gegen Schluß der Vereisung.
Abb. 39
ABRUKA I Dezember I Januar I Februar I März I April IMai
923/2Ä
7
1924/75\
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I
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1926/27\
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1928/29,
1929/30
1
1930/31.
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1932/33,
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1934/39
37. Die Eisverhältnisse von Pernau.
Im nordöstlichen Winkel des Rigaischen Meerbusens, gelegen an der Mündung der Pernau, klimatisch unter
kontinentalem Einfluß, hydrographisch unter dem Einfluß des Süßwassers stehend, sind für die Gewässer vor
Pernau (Pärnu) extreme Eisverhältnisse zu erwarten. Die klimatischen, hydrographischen sowie topographischen
Einflüsse wirken in dem gleichen Sinne: frühe Eisbelegung, relativ ungestörter Verlauf mit vorherrschender Fest
eisdecke größerer Ausdehnung und Stärke.
Selbst der eingeschränkte Bereich kontinentaler Witterungsverhältnisse im Jahre 1929/30 überdeckte im
Februar und Anfang März die Bucht von Pernau. Von den Beobachtungsjahren des Diagramms wies nur 1924/25
eine oft unterbrochene Vereisung auf, die erst Mitte März an einigen Tagen soweit gediehen war, daß sich Festeis
bis zum Gesichtskreis vorfand. Aber auch die Stärke blieb hinter der normalen zurück. Während der übrigen
Tage mit Eis herrschte Treibeis mit einem Küstenfesteisgürtel vor. Die Tatsache, daß bereits Anfang Dezember,