Dr. Joachim Bliithgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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35. Die Eisverhältnisse von Paternoster.
Paternoster (Viirilaid) an der Südostecke von Moon gelegen, gehört dem Charakter seiner Eisverhältnisse
nach ebenfalls zu den kontinental beeinflußten Stationen. Vorherrschend ist bei weitem Festeis, dessen Ausdehnung
beträchtlich ist. Die Vereisung ist zwar nicht frei von störenden marinen Einflüssen, aber die Errechnung eines
Durchschnittswertes führt doch zu Resultaten, die einen größeren praktischen Wert haben als beispielsweise in
den Gewässern von Worms am Nordausgang des Moon Sundes.
Die Reihenfolge der Jahresdiagramme zeigt das gleiche Bild wie bei den übrigen Stationen, indem sich
folgende drei milde Winter auszeichnen: 1924/25, 1929/30 und 1932/33, mit dem Unterschied, daß der erste
Winter dieser Art ganz besonders kurz währte und der dritte sich nicht mehr sehr von einem normalen unter
scheidet. Es ergibt sich allein schon aus dieser Beobachtung, daß die milden Winter nicht im ganzen Gebiet in
der gleichen geringen Intensität herrschten (vgl. später). Der kürzeste Winter war 1924/25 mit nur 9 Tagen mit
Eis, der längste war der von 1925/26 mit 150 Tagen mit Eis, aber auch die Winter von 1927/28, 1928/29 und
1933/34 wiesen eine fast ebenso hohe Zahl von Tagen mit Eis auf.
Die Variabilität der Vereisung ist in den ersten zwei bis drei Monaten am größten, gegen Ende der Ver
eisungsperiode herrschen gleichmäßige Verhältnisse, mit Ausnahme des Winters 1926/27, der gegen Schluß der
Vereisung Unregelmäßigkeiten zeigte, die sich sogar in zwei kleineren Treibeisperioden mit je einwöchigem
Zwischenraum äußerten. Treibeis kennzeichnet den Schluß der Vereisung, während es nur selten zu Beginn der
Vereisung anzutreffen ist (besonders in den letzten Jahren). Aus der Tatsache, daß die letzten vier Jahre wäh
rend des Eisbeginns Treibeis zeigten, könnte man vielleicht eine Milderung der Vereisung herauslesen. Die Treib
eisperioden zum Schluß der Vereisung sind z. T. lang, 1934/35 z. B. 23 Tage, 1929/30 18 Tage, 1928/29 22 Tage.
Charakteristisch ist, daß die Treibeisperioden der Enteisung klarer ausgebildet sind als die des Beginns, bei denen
mehrfach Festeis eingeschaltet wird. Diese Erscheinung ist z. B. auch bei Abruka zu beobachten, nur daß hier das
Festeis vorherrscht. Das Kiistenfesteis ist überhaupt kontinuierlich mit Ausnahme des Winters 1931/32, wo drei
durch jeweils eintägige Eisfreiheit getrennte Voreisperioden der Hauptvereisung vorausgingen. Die Vorperioden
bestanden aus Treibeis mit Festeisbildung an einigen Tagen. Das Festeis bildete gewissermaßen den zeitlichen
Mittelpunkt dieser Eisperioden. Iland in Hand mit der Festeisbildung ging in diesem Falle auch eine Ver
stärkung der Tragfähigkeit, so daß innerhalb der zweiten und dritten Vorperiode das Eis gangbar wurde. Auch
im ersten Berichtswinter ist in der ersten Vereisungszeit, die allerdings in kontinuierlichem Zusammenhänge mit
der Gesamtvereisung stand, die Eisdecke an zwei einzelnen Tagen gangbar gewesen. In allen anderen Fällen setzte
die Verstärkung der Eisdecke rasch ein und führte in kurzem Zeitraum dazu, daß das Eis fahrbar wurde.
Es ist festzustellen, daß der Einsatz der größeren Tragfähigkeit (d. h. Fahrbarkeit) der Eisdecke geringere
Schwankungen besitzt als der Beginn der Vereisung überhaupt. Auffallenderweise hängt dies zusammen mit der
horizontalen Ausdehnung des Eises; denn mit der Ausdehnung des Festeises bis zum Horizont setzt auch die
Gangbarkeit des Eises ein. In den Fällen, wo diese Ausdehnung zunächst nicht endgültig bestehen bleibt, sondern
noch einige Zeit hin und her pendelt, dauert es eine entsprechende Zeit, bis das Eis fahrbar wird. Dies fällt erst
zusammen mit dem Zeitpunkt, wo die horizontweite Ausdehnung des Festeises mindestens 5 Tage hintereinander
geherrscht hat, und zwar nicht vor dem 15. Dezember. Diese Relation besagt ferner, daß die Ausdehnung eine
Wirkung des Frostes allein sein muß; denn eine durch herangetriebenes Eis verursachte Verbreiterung des Küsten
eisgürtels bedingt noch keine Verstärkung desselben auf Fahrbarkeit. Die Tatsache, daß sich im Verlaufe des
Hochwinters Störungen in der Beschaffenheit der Eisdecke nur mehr ganz selten zeigen, vor allen Dingen durch
Auftreten von Treibeis, scheint die oben geäußerte Schlußfolgerung zu bestätigen.
Daß Paternoster jedoch nicht ganz ohne marine Einflüsse ist, zeigt ein Vergleich mit dem geschützter
gelegenen Löötsa an der Nordostküste von Moon. Die Zeit vor dem Eintreten der Verbreiterung des Küstenfest
eisgürtels, also auch vor der Verstärkung der Eisdecke auf Fahrbarkeit, ist gekennzeichnet durch wechselhafte Eis
verhältnisse, wie oben schon angedeutet. Die Konvektion und die Einwirkung der Kälte schaffen im Wechselspiel
variable Eisverhältnisse. Zeitweilig behält die eishindernde Wirkung des noch nicht genügend abgekühlten See
wassers die Oberhand oder gewinnt sie nach bereits erfolgter Eisbildung, zu anderen Zeiten ist die Kälte intensiv
genug, um Eisbildung trotz Wärmevorrates in den mittleren Schichten an der Oberfläche hervorrufen zu können.
Während dieser Zeit sind Vorperioden eine regelmäßige Erscheinung und Treibeis kann sich relativ leicht bilden.
Da aber nicht in allen Fällen eine solche Zeit der Unfertigkeit der Eisdecke sich deutlich von der Hauptvereisung
abhebt, scheinen auch Strömungsverhältnisse in einzelnen Jahren unregelmäßige Eisverhältnisse zu bedingen, so
lange der Frost nicht intensiv genug für eine Neutralisierung der hydrographischen Widerstände ist. Ein Entscheid
in dieser Spezialfrage läßt sich mit dem vorhandenen Material nicht geben.