48
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 58. Band, Nr. 3
Die Vereisung wird vor allen Dingen durch Treibeis charakterisiert. Zwar ist das Treibeis in zahlreiche
Einzelperioden gegliedert, zwischen denen die Gewässer immer wieder eisfrei wurden, aber im großen betrachtet,
ordnen sich die Treibeisperioden ziemlich gleichmäßig in eine Zeit größter Eiswahrscheinlichkeit ein, ebenso wie
eine Hauptvereisung in fast allen Wintern deutlich ausgeprägt erscheint. — Der Beginn der Vereisung ist größeren
Schwankungen ausgesetzt als der Schluß. Hierbei ist gleich die Einschränkung zu machen, daß die letzten drei
Beobachtungsjahre fast gar keine Eisbildung aufwiesen. Diese Tatsache steht in abruptem Gegensatz zu den zwei
voraufgegangenen Jahren 1930/31 und 1931/32, in denen die Eisbildung sogar ihre größte Intensität überhaupt
erreichte, eine größere sogar, als 1925/26, der an sich der längste Winter war.
Die früheste Eisbildung, die in dem vielerorts als streng bekannten Winter 1925/26 eintraf, fiel auf den
21. Dezember und steht vereinzelt da. Erst Ende Januar scharen sich die Fälle des Eisbeginns etwas. Die Eis
belegung vollzieht sich zudem nicht auf einmal oder auch nur für eine längere Periode. Vielmehr tritt das erste
Eis fast durchweg als sporadische, meist nur eintägige Treibeis„periode“ auf. Wenn aus hydrographischen oder
meteorologischen Ursachen die sporadische Voreisbildung bis in den Hochwinter hinein unterblieben ist, so kann
allerdings auch der Fall eintreten, daß inzwischen die Konvektion so weit wirksam gewesen ist, daß ein plötz
licher Frost von längerer Dauer zur endgültigen Vereisung führen kann, die in diesem Falle keine einleitenden
Vorperioden besitzt. Dies war 1923/24 und 1928/29 der Fall. Andererseits kann die Zahl der Unterbrechungen,
ehe die Hauptvereisung endlich zustande gekommen ist, sehr groß sein, wie z. B. 1925/26, als bei dem relativ
frühen Eisbeginn die Monate Dezember bis Februar volle acht mehr oder weniger lange, selbständige Eis-, meist
Treibeisperioden aufwiesen. Die Zwischenräume zwischen den Vorperioden sind in der Regel aber nicht groß:
ein Zeichen dafür, daß die Eisbildung, sei es autochthon oder allochthon, von einem bestimmten Zeitpunkt ab
günstigere Voraussetzungen antrifft. Diese Voraussetzungen erscheinen gegeben in der Nähe des Küsteneisgürtels
der estländischen Nordwestküste, weniger in einem eigenen Küstenfesteisgürtel, der nur sehr selten deutlich ausge-
tildet ist. Vielmehr spielen hier die Strömungsverhältnisse für die Gestaltung der Vereisung eine große Rolle,
sogar so groß, daß sie den Eisverhältnissen bei Pakerort an der Küste selbst noch den gleichen Gang der Ver
eisung aufzwingen, wie sich aus dem Diagramm ergibt. Die Lage am Ausgange des Finnischen Meerbusens ist
nicht ohne weiteres einer advektiven Eisbelegung günstig, da der Eisstrom in der Regel weiter nördlich vorbeizieht,
wenigstens im Frühjahr. Jedoch muß hierbei berücksichtigt werden, daß aus dem intensiv vereisenden Inselgebiet
bei südwestlichen Winden, die relativ häufig sind, größere Eismassen in die Nähe von Odinsholm gelangen können.
Bei der benachbarten Lage kann auch für Pakerort durchaus das Gleiche gelten.
Festeis, insbesondere Küstenfesteis, bildete sich bei Odinsholm nur sporadisch. Es trat in längerer Periode
nur 1925/26 und 1931/32 auf, während sonst die durch einzelne Strahlungsfröste bedingten Festeisvorkommen
sich auf einzelne Tage beschränken. Erst recht sporadisch ist die Ausbildung horizontweit ausgedehnten Festeises.
Es fehlen für dessen Vorkommen die hydrographischen Voraussetzungen in diesem Seegebiet, das Warmwasser
zufuhr aus erster Quelle erhält. Überhaupt kann die Vereisung, auch die von Pakerort, im Verhältnis zu der ex
trem marin beeinflußten Lage und insbesondere im Vergleich mit östlicheren Küstenstationen wie etwa Reval,
noch als intensiv angesprochen werden. Vermutlich liegen hier ganz ähnliche Verhältnisse vor wie etwa am Aus
gange des Rigaischen Busens westlich der Insel Oesel, wo durch den Ausstrom zunächst der Einfluß des Ostsee
wassers zurückgedrängt wird. In diesem Falle würde es sich um den eisführenden ausgehenden Strom aus dem
Moonsund nach Norden handeln, der an Odinsholm und Pakerort vorbei nach Osten umbiegt und sich dann bald
verliert.
Hinsichtlich des Vorkommens von Festeis war der Winter 1931/32 der intensivste. Zwar pendelte die Fest
eiskante erheblich hin und her, wie aus dem Auftreten peripheren Treibeises hervorgeht; aber immerhin betrug
die Periode mit ununterbrochenem Küstenfesteis Ende März bis Ende April 39 Tage. Dazu kommen noch einzelne
Festeisperioden zuvor. Auch die Zahl der Tage mit horizontweiter Ausdehnung des Eises erreichte höhere als
normale Werte (8 Tage). Der längste Winter jedoch war der von 1925/26 mit insgesamt 93 Tagen mit Eis. Wieder
andere Winter müssen berücksichtigt werden, wenn man nach der Ausbildung der Hauptvereisung geht. In dieser
Beziehung sind die Winter 1923/24, 1928/29 und 1931/32 besonders zu nennen. Jedenfalls ersieht man daraus,
daß die Eisbildung bei Odinsholm im einzelnen einem so mannigfachen Wechsel nach Dauer und Beschaffenheit
unterworfen ist, wie sie nur für eine vorwiegend hydrographisch bestimmte Station gelten kann.
Der Schluß der Vereisung fällt, was die einigermaßen normal vereisenden Winter betrifft, in die letzte De
kade des April. Auffallend ist die frühe Beendigung der Vereisung bereits im März 1926/27 und 1927/28, von
den ganz milden, nahezu eislosen Wintern abgesehen. Die Enteisung zeigt jedenfalls deutlich das eine, daß sie
gänzlich unabhängig von Beginn und Verlauf der Vereisung auftritt, dergestalt, daß eine Symmetrie oder ein
charakteristisches Zeitverhältnis zwischen Vorwinter, Hauptwinter und Enteisungsspanne nicht vorhanden ist. Dies