Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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Mit ziemlicher Genauigkeit kann der 15—20. April als durchschnittlicher Enteisungstermin der Fahrwasser gelten.
Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß dieses Datum durch keine Nachperioden unsicher gestaltet wird. Diese
Gleichmäßigkeit der Enteisung ist bei der im ganzen späten Beeisung eigentlich nicht zu erwarten. Vielmehr be
sitzen sonst nur die kontinentalsten Stationen (Wiborg) eine derartig geringe Schwankung, weil bei diesen auch
der mildeste Winter noch früh genug beginnt, um während des Hochwinters das Höchstmaß der Vereisung zu er
reichen, jenseits dessen eine weitere Zunahme nur mehr sehr langsam erfolgt. Dieses Moment wird man bei der
Beurteilung der Eisverhältnisse von Reval ausschalten müssen, denn der früheste Winter begann erst um Neujahr.
Bei der Beeisung ist der jährliche Unterschied größer, aber eben doch noch ausgeglichener als bei anderen
Stationen. Hier gliedert sich die Vereisung meist auch noch in Vorperioden. Eine hinreichende Erklärung für
die Erscheinung der gleichmäßigen Vereisung läßt sich vorerst noch nicht mit Sicherheit geben.
Bisher sind nur die Eis winter berücksichtigt, während zweier Winter, 1924/25 und 1929/30, gab es aber
überhaupt kein Eis. Das allein schon deutet darauf hin, daß die vorgenannte Erscheinung andere Ursachen haben
muß, als bei den eisreichen Stationen, wo auch die milden Winter nicht allzu sehr vom Durchschnitt abwichen.
Das starke Festeis bildet in der Mehrzahl der Fälle die Hauptvereisung des jeweiligen Winters, nur in den
ersten zwei Berichtswintern, 1922/23 und 1923/24, lagen die Verhältnisse anders. 1922/23 herrschten besonders
wechselvolle Eisverhältnisse. Die Vereisung begann bei Südwind und tiefen Temperaturen schon mit Treibeis, das
sich noch verstärkte und dann im Laufe des Februar—März mehrfach vorübergehend fest wurde. Mitte März trat
eine Abschwächung der Vereisung ein (leichtes Eis), die daraufhin in die zweite Hälfte überging, während der
schweres Treibeis, nur selten von zusammengeschobenem Eis oder leichtem Treibeis unterbrochen, herrschte. Die
Festeisperioden traten auf bei stillem Hochdruckwetter oder schwach auflandigen Winden. Süd- und Südostwinde
brachten das Eis dagegen ins Treiben. In vielen Fällen, wie zum Beispiel beim Auftreten leichten Eises Mitte
März 1923, ist die Ursache in den Temperaturverhältnissen nicht zu suchen, denn gerade während dieser Zeit
herrschten 13° Kälte und Hochdruckwetter. Nordwinde verursachten vorübergehend zusammengeschobenes Eis
(15. 3. 23).
Im folgenden Winter herrschte zusammengeschobenes Eis vor, das aber nicht immer mit den Witterungsver
hältnissen völlig parallel ging. Ob hierbei Beobachtungsfehler eine Rolle spielen, läßt sich nicht entscheiden.
Jedenfalls sind 1925/26 z. B. keine anderen Windrichtungen aufgetreten, Anfang Februar kam es sogar wiederholt
zu erheblichen Windstärken aus Ost und Südost, ohne daß ein Treiben oder Schieben des Eises beobachtet wurde.
Vielmehr bildete sich Anfang Februar starkes Festeis, dem eine Zeitlang leichtes Festeis vorausging. Die Ver
eisungen vom Winter 1925/26 ab zeigen stets den gleichen Typ: ein später Eisbeginn, leichtes, zunächst noch
unterbrochenes Festeis, und nach einer gewissen Zeit Übergang zu starkem Festeis.
Betrachten wir neben dem Eisdiagramm die Temperaturkurven, dann fällt fast stets die Inkongruenz auf:
In der Regel vergehen ziemlich intensive Frostperioden, ehe bei Reval Eis aufkommt. Die Temperaturen liegen
schon relativ früh unter Null, man kann annehmen vom 1. Dezember ab. Selbst so starke Frostperioden wie im
Reval
Jahr
booember
r
1922/93
1923/24
1924/25
1925/26
1926/27
1927/28
1928/29
1929/30
193o/3l
1931/32
Dezember Januar
Februar März Aortl Mal
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nach: Tägl. Eisbericht der Dt. Seewarte.
Juni
Abb. 22