Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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tägigen Festeisvorkommen innerhalb einer Zeit mit Treibeis auftreten, eher für die oben angedeuteten Wirkungen
des estländischen Küstenstromes zu sprechen als für die Einflüsse der Narwa. Die Vereisung macht durch das
Hervortreten des starken Festeises im Hoch- und Spätwinter den Eindruck kontinental beeinflußter Eisverhältnisse,
wie sie aus der klimatischen Lage verständlich sind. Es muß im Laufe des Winters auch eine Abschwächung
der Intensität des Küstenstromes eintreten, denn sonst wäre die auffallend lange Vereisungsdaüer trotz später Eis
bildung nicht verständlich, auch wenn wir die besonderen Verhältnisse an einer Flußmündung berücksichtigen.
Die Kulmination der Vereisung tritt erst Ende März ein, so daß die Enteisung relativ schnell vor sich geht.
Diese erfolgt in regelmäßigem Gange und ohne größere Schwankungen. Sie kann für die letzte Dekade des April
angenommen werden, die Hälfte der Winter enteisten allerdings erst nach dem 1. Mai, andere wiederum früher.
In fast allen Fällen schloß die Enteisung mit einer kurzwährenden Treibeisperiode ab. Die Spanne zwischen Rück
verlegung der Festeisgrenze und Aufbruch des peripheren Eises schrumpft bei Hungerburg mitunter sogar auf
einen einzigen Tag zusammen, auch ein Maßstab der außerordentlich raschen Enteisung. Dagegen währt die Zeit,
während der außer dem peripheren Treibeis noch ein Rest des Küstenfesteises besteht, einige Tage.
Die Stärke der Eisdecke ist nicht sehr groß. Sie nimmt erst spät nennenswert zu, so daß die Vereisung
noch im Januar nur in einzelnen Wintern eine fahrbare Eisdecke aufweist. Es kommt vor, daß einzelne Winter
trotz normaler Dauer überhaupt kein gangbares Festeis zeigen, obwohl, wie 1924/25, das Festeis sogar zeitweilig
bis zum Horizont reichte. Dieser letztgenannte Winter gehörte bei den übrigen westlicheren Stationen zu den mil
desten. Hier weist er eine durchaus normale Dauer auf, aber in der angeführten Tatsache der geringen Trag
fähigkeit gibt sich zu erkennen, daß die Kontinuität der Vereisung nur eben gewahrt werden konnte. Eine gering
fügige Herabsetzung der Frostsumme hätte genügt, um die Vereisung zu verkürzen und aufzuteilen. So kam es nur
zu einer Unterbrechung. Der absolut kürzeste Winter war der von 1932/33, der aber doch einige kleinere Fest
eisperioden aufzuweisen hatte, während denen das Eis wenigstens gangbar wurde. Eine Zwischenstellung nimmt
der Winter 1933/34 ein, der zunächst Mitte Dezember mit Küstenfesteis und Treibeis einsetzte, das rasch gang
bar wurde, aber dann trotz gelegentlicher weiter Ausdehnung des Eises nicht mehr die Tragfähigkeit aufrecht
erhielt, so daß die Kontinuität nur durch das Küstenfesteis und Treibeis gewahrt wurde. Erst Mitte Februar setzte
die Kernvereisung ein, die auch die Eisdecke gangbar machte und während weniger Tage Ende März auch fahrbar.
Die Tragfähigkeit nimmt durchweg rasch zu, so daß die Zeit, während der das Eis nur gangbar ist, relativ kurz
bleibt. Die Enteisung wird eingeleitet durch eine rapide Abnahme der Tragfähigkeit, dies stimmt überein mit
den oben gemachten Ausführungen über die rasche Beendigung der Vereisung. Die späteste Enteisung fand statt
am 15. Mai. W r ir haben es also hier mit einer Vereisung zu tun, bei der günstige klimatische Voraussetzungen
zunächst noch lange durch die hindernden hydrographischen Einflüsse neutralisiert werden.
NARVA-
JÖESOU I Dezember I Januar I Februar 1 März
Abb. 14
schraffiert =
Treibeis, schwarz = Festeis, größte Breite = bis zum Horizont reichend, einmal unterstrichen -
gangbar, zweimal unterstrichen = fahrbar (mit Pferdeschlitten); vgl. S. 14.