Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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Die Temperatur nimmt also von Südwesten nach Nordosten ab. Dieses Gefälle macht sich auch in der Größe der
winterlichen Amplitude zwischen Minimum und Maitemperatur in jedem einzelnen Jahre geltend, obgleich die
absoluten Werte der Temperatur jeweils ganz verschieden sein können. Ausführlicher wird auf diese Eigenart
noch im Abschnitt IX eingegangen.
Im November beginnt die Temperatur im Nordosten unter Null zu sinken, mitunter auch schon früher.
Im Dezember stellen sich dann überall negative Werte ein, die erst im April wieder positiven weichen, am frühe
sten noch an der lettischen Westküste. Der innere Teil des Finnischen Meerbusens reicht also weit in das kon
tinentale Kaltluftkissen über Rußland hinein, er berührt sogar fast die —10°-Isotherme des kältesten Monats.
Da die Winde mit südlicher Komponente vorherrschend sind, im inneren Finnenbusen und bei Riga (Lit.
Nr. 136) sogar aus Südosten kommen, macht sich die durch die Wasserfläche des Finnischen Meerbusens bedingte
Milderung nicht so stark bemerkbar wie in dem in der Windrichtung liegenden Bottnischen Busen, der zudem aus
gedehnter ist, und dem sich in der gleichen Richtung nach Süden hin noch die Ostsee anschließt. Die Isothermen
dürften also über dem Finnischen Meerbusen weit weniger nach Osten ausbuchten, als sie dies über dem Botten
busen nach Norden tun. Vom Gebiet des Rigabusens an nach Osten bringen die südlichen bis südöstlichen Winde
kontinentale Kaltluft mit. Die Windstärke ist jedoch sehr gering, in manchen Wintern sind über den östlichen
Teilen sogar Windstillen häufiger als jede einzelne der acht Windrichtungen. Während beim Bottnikum die nörd
liche Lage und Nachbarschaft zum Eismeer dessen Winter zwar kalt, aber wechselhafter gestaltet, wird das Gebiet
des Baltikums nahezu vollständig von den kontinentalen Kaltluftmassen des Ostens beherrscht. Es fehlen also
die arktischen Kaltlufteinbrüche vom Eismeer her im Frühjahr und Spätwinter in der Regelmäßigkeit, wie sie für
den Bottenbusen charakteristisch ist.
Die Sommertemperatur ist insofern wichtig für den Gang der Vereisung, als sie bei tieferen Gewässern
eine hohe Speicherwärme bedingt, die im Herbst eine lange Konvektionsspanne erfordert, ehe der Frost eiswirk
sam werden kann. Es ist darum in diesem Zusammenhang wichtig festzustellen, daß die sommerliche Erwär
mung des Finnischen Meerbusens nach Osten hin am stärksten ist. Damit ist also ein gewisser Ausgleich des
winterlichen Extremklimas für die Vereisung der offenen See gegeben.
IY. Die hydrographischen Grundzüge.
1. Allgemeines.
Der Finnische Meerbusen besitzt mit seinen 29 500 km 2 nur rund ein Viertel der Ausdehnung des Bott
nischen Meerbusens (nach Spethmann Lit. Nr. 100, S. 750), jedoch ein Einzugsgebiet, das etwa drei Viertel der
Größe des bottnischen Einzugsgebietes ausmacht (vgl. die beifolgende Karte). Sein Wasservolumen wird zu einem
Abb. 1. Die Einzugsgebiete des Finnischen Meerbusens.
Sechstel desjenigen des Bottnischen Golfes veranschlagt, nämlich zu 1125 km 3 . Die Menge des Zuflusses an Süß
wasser ist jedoch auf die Flächeneinheit des Einzugsgebietes umgerechnet niedriger als beim Bottnikum. Setzen