Erich Goedecke: Beiträge zur Hydrographie der südlichen Nordsee
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Bucht) und Lincoln (Humber-Mündung) nach Osten in das aus den Hoofden stammende wärmere Wasser ein
schiebt. Eine derartige, zu dieser Jahreszeit sich herausbildende Zunge kalten Wassers ist auch im Februar
1936 (siehe S. 17) in diesem Gebiet angetroffen worden. Dieses Küstengebiet mit dem Feuerschiff „Cromer
Knoll“ als Mittelpunkt zeichnet sich dadurch aus, daß sich in ihm zahlreiche langgestreckte und sehr flache
Sande und Bänke befinden und daß hier vor der Wash-Bucht die 20-m-Tiefenlinie weit nach Nordosten ausholt.
In diesem Gebiet kann sich naturgemäß das Küstenwasser im Winter sehr viel schneller abkühlen als in der
tieferen Umgebung. Wenn man von den zahlreichen Sänden absieht, hat man es hier wahrscheinlich mit der
selben Erscheinung wie mit der weit ins Meer reichenden flachen Bank von Amrum in der Deutschen Bucht zu
tun. Auch hier kühlt sich das Wasser im Winter schneller ab als z. B. vor der ostfriesischen Küste [siehe unter
Zorell (2)]. Durch starke südöstliche Wasserversetzung an der englischen Küste trat diese Erscheinung der
Zunge kalten Wassers im Nordwesten des untersuchten Gebietes besonders hervor.
2. Die Salzgehaltsverteilung im Oberflächenwasser.
In der Figur 6* ist die Salzgehaltsverteilung an der Oberfläche für das gesamte Untersuchungsgebiet dar
gestellt unter der Voraussetzung, daß die hydrographischen Verhältnisse während der Fahrt stationär waren.
Stark salziges Wasser von über 35,0%o zieht sich vom englischen Kanal durch die Straße von Dover und die
Hoofden bis weit in das westliche Gebiet der Deutschen Bucht hinein. Noch stärker salzhaltiges Wasser (über
35,l%o) ist durch die vermutliche „Düsen“-Wirkung der Straße von Dover Calais in zwei langgestreckte Zungen
auseinandergezogen und im Norden des Untersuchungsgebietes nur noch in kleinen Blasen angedeutet. Dieses
Kanal- und Hoofdenwasser prägt sich also durch relativ hohe Temperatur und hohen Salzgehalt aus. An der
englischen Küste macht sich durch die zungenförmige Ausbildung das weniger salzhaltige Wasser der Themse-
mündung (weniger als 34,75%o), dasjenige vor der Küste von Lowestoft und Great Yarmouth (bis unter 34,0%o)
und dasjenige iin Nordwesten des Untersuchungsgebietes (weniger als 34,75%o) bemerkbar. An der französi
schen Küste hebt sich deutlich das aus der Seine- und Sommemündung stammende salzärmere Küstenwasser
hervor. Bei Kap Gris Nez in der Enge von Calais ist noch einmal eine Einbuchtung des salzreicheren Kanal
wassers durch das Küstenwasser wahrzunehmen. An der holländischen Küste macht sich das vorwiegend aus
Schelde und Maas abfließende Wasser bemerkbar. Diese aus den Flußmündungen stammenden, großen Wasser
massen rufen mit dem salzreicheren Hoofdenwasser ein stark ausgeprägtes Mischwassergebiet hervor, das sich
weit nach Norden an der holländischen Küste hinzieht. Auf 52°-Nordbreite beträgt der Salzgehaltsgradient
4%o auf 25 Sm. Im Norden geht dieses sehr salzarme Küstenwasser in das aus dem Texeier Seegat stam
mende Küstenwasser über. Dieses vermischt sich dann wiederum mit dem Terschellingbankwasser.
Der Vergleich dieser im Januar 1935 festgestellten Salzgehalts- und Temperaturverteilung mit den mitt
leren Verhältnissen, wie sie auf den Monatskarten der Internationalen Kommission für Meeresforschung (13),
von van Kiel (15) und von Lumby (16) dargestellt sind, zeigt, daß sich das relativ sehr warme und salzhaltige
Kanal- und Hoofdenwasser im Januar 1935 sehr weit nach Norden und Nordosten ausdgedehnt hat, und zwar
weiter als bisher je zuvor festgestellt worden ist. Helgoland z. B. zeigt im Januar 1935 einen fast 4%o höheren
Salzgehalt als im „Mittel“ (19). Auch die Temperatur des Oberflächenwassers der südlichen Nordsee wurde
während der ganzen Untersuchungsfahrt höher beobachtet als die in den Monatskarten wiedergegebene „mittlere“
Temperaturverteilung.
Außer dieser Karte der Salzgehaltsverteilung sind noch zwei Karten mit der Salzgehaltsverteilung im
Oberflächenwasser für zwei bestimmte Zeitabschnitte gezeichnet worden. In diesen Karten (siehe die Figuren
7a und 7b) sind vor allem die Oberflächenbeobachtungen des englischen Forschungsschiffes „George Bligh“
mit denen der „Poseidon“-Fahrt zusammen benutzt worden. In der Salzgehaltsverteilung, die für die Beob
achtungszeit vom 9. bis 11. Januar 1935 gültig ist (siehe Figur 7a), ist vor allem die Zunge im Gebiet der
Themsemimdung stark ausgeprägt. Einschnürungen des salzhaltigen Kanal- und Hoofdenwassers durch das
Küstenwasser treten besonders stark in der Straße von Dover und vor der Schelde- und Maasmündung in Er
scheinung.
Die Salzgehaltsverteilung in der Beobachtungszeit vom 19. bis 23. Januar 1935 (Figur 7b) zeigt die Ein
schnürungen des sehr salzhaltigen Wassers durch das weniger salzreiche, holländische Küstenwasser noch
deutlicher.
* Entworfen von Herrn Prof. Schulz und Herrn Dr. Kalle.