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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriuins — 57. Band, Nr. 10
II. Bestimmung des mittleren meridionalen Wärmeaustausches
aus dem meridionalen Massenaustausch.
1. Statistik der mittleren Temperaturdifferenz zwischen Südströmungen und
Nordströmungen in der unteren Troposphäre über Europa.
In diesem Kapitel werden die Methoden erörtert, nach denen aus den Wetterkarten statistisch die mitt
lere Temperaturdifferenz, die in Gl. (15) als Faktor für den Wärmeaustausch auftritt, bestimmt wurde.
Als Beobachtungsmaterial für die Temperaturen dienten die Karten der relativen Topographie der 500-
mb-FIäche über der 1000-mb-Fläche in den täglichen Wetterberichten. Bekanntlich ist die relative Topographie
ein Maß für die virtuelle Mitteltemperatur der zwischen den beiden Flächen liegenden Luftsäule; das ist un
gefähr die untere Hälfte der Troposphäre (0 bis 5500 m Höhe). Wenn nun auch die relative Feuchtigkeit be
kannt ist, läßt sich aus der virtuellen die tatsächliche Temperatur und des weiteren die Äquivalenttemperatur
berechnen. Mangels hinreichender Unterlagen wurde nun für nördliche und südliche Winde in gleicher Weise
die Annahme gemacht, daß die Luftmassen von 0 bis 5500 m Höhe in den gemäßigten Breiten im Mittel eine
relative Feuchte von etwa 70% haben. Auf Grund dieser Annahme wurde die mittlere Äquivalenttemperatur
der Luftsäule als Funktion der relativen Topographie berechnet.
Das zur Verfügung stehende Gebiet des 50°-Breitenkreises beschränkte sich gemäß den Wetterkarten auf
Mittel- und Westeuropa. Bei der Bestimmung aus einer Terminkarte (8 Uhr) wurde folgendermaßen verfahren.
Es wurden zunächst auf Grund der Bodenisoharen die Strömungen über den Breitenkreis abgegrenzt z. B. die
durch den Kern einer Zyklone und einer Antizyklone auf den Breitenkreis begrenzten Vorderseiten- und Rück-
seitenströinungen. Unter Berücksichtigung der Verteilung des Meridionaltransportes auf diesen Strecken, der
sich auf Grund der Isobaren abschätzen ließ, wurde dann aus der relativen Topographie die mittlere Äquiva
lenttemperatur auf der betreffenden Strecke bestimmt. Auf diese Weise wurden für jeden Tag die Temperaturen
der Nordströmungen und der Südströmungen mitsamt dem betreffenden Massentransport, der als Gewicht bei
der Mittelbildung dienen sollte, aufgestellt. Für jeden Monat wurde dann diese Mittelbildung für beide Tem
peraturen vollzogen. Erst hieraus erfolgte durch Subtraktion der beiden Mittelwerte die Berechnung der mitt
leren äquivalenten Temperaturdifferenz. Die 27 Mittelwerte für die Monate von September 1934 bis Dezember
1936 sind mit den entsprechenden Gewichten in Tabelle 4 angegeben.
Als Gesamtmittel für A 0 wurde hiernach 4,8° erhalten. Das besagt also, daß in Europa in 50° Breite
die Südwinde in der unteren Hälfte der Troposphäre im Mittel um 4,8° (äquivalent!) wärmer sind als die
Nordwinde. Das entspricht etwa einer tatsächlichen Temperaturdifferenz von 3,2°.
Zum Schluß sei noch einiges über die Fehler gesagt, die die Genauigkeit dieses Resultats herabsetzen.
Da ist zuerst die Unzulänglichkeit des Zeitraums von zwei Jahren zu erwähnen. Die Schwankung zwischen den
beiden Jahren beträgt ungefähr 20%. Daraus kann man auf einen wahrscheinlichen Fehler, d. h. eine Abwei
chung des Resultats vom vieljährigen Mittelwert von 10% schließen. Ferner weist die Annahme von 70% mitt
lerer rel. Feuchte eine gewisse Unsicherheit auf. Es spielt dabei weniger eine Rolle, ob nun diese Feuchte in
beiden Strömungen statt dessen 60% oder 80% beträgt, als wenn zwischen beiden Strömungen eine Differenz in
der ermittelten relativen Feuchte vorhanden ist. Eine in der Südströmung um 10% höhere rel. F. als in der
Nordströmung würde beispielsweise eine Erhöhung des Resultates von A 0 um annähernd 10% nach sich ziehen.
Auch hier muß ein wahrscheinlicher Fehler von 10% angenommen werden, so daß insgesamt das obige Zahlen
ergebnis mit einer Ungenauigkeit von 20% behaftet ist.
2. Bestimmung des mittleren meridionalen Wärmeaustausches in der
Atmosphäre.
Um den mittleren über den ganzen Breitenkreis gerichteten Wärmeaustausch ermitteln zu können, mußte
eine Erweiterung des auf statistischem Wege gewonnenen Resultats von A ©, das sich auf den europäischen Teil
des Breitenkreises beschränkt, vorgenommen werden. Zu diesem Zweck wurde folgende Überlegung angewandt.
Die Temperaturdifferenz A 0 hängt im wesentlichen von der freien Weglänge der Luftmasse in meridio-
naler Richtung ab. Im Mittel ist diese annäherungsweise proportional dem meridionalen Massenaustausch, denn
im großen ganzen ist die Zyklonentätigkeit maßgebend für beide Größen. Es steht also die mittlere Temperatur
differenz annähernd in konstantem Verhältnis zum meridionalen Massenaustausch längs des Breitenkreises. In
demselben Maß wie der Massenaustausch über dem Ozean größer ist als über Europa, ist auch dort die Tempe
raturdifferenz A 0 höher. Es wird nun als Korrektion der oben ermittelte Wert für A 0 über Europa in dem-