Dr. Joachim Blüthgen: Eisbeobachtungen in der Gävlebucht
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brechen des Eisbrechers verursacht sehr leicht eine Verstopfung der Fahrrinne für eines der beiden Schiffe.
Solche Fälle führen zu zeitraubenden Manövern, und der Vorteil wäre größer gewesen, wenn das anfangs voran
kommende Schiff abwartete und die vom Eisbrecher angegebene Reihenfolge innegehalten hätte. So kann man
mehrere Fälle anführen, bei denen nur eine ganz bestimmte Eistaktik wirklichen Nutzen bringt. Die be
sprochenen Situationen allein aus der kurzen, zur Verfügung stehenden Beobachtungszeit zeigen, daß die Eis
navigation Erfahrungen auf beiden Seiten und eine weitblickende Zusammenarbeit zwischen Eisbrecher und
Schiff zur Voraussetzung hat.
Y. Die direkte Bedeutung- des Eises für die Schiffahrt
Aus den vorhergehenden Abschnitten ergibt sich, daß die Behinderung der Schiffe durch das Eis sehr
verschieden ist und auch auf kleinem Raume stark wechselt. Wenn man die einzelnen Eisarten auf ihre Be
deutung für die Schiffahrt untersucht, so gelangt man zu folgenden Schlußfolgerungen.
Starkes Festeis bietet normal gebauten Schiffen ein starkes Hindernis, das ohne Eisbrecherhilfe nicht
bezwungen werden kann. Es besitzt aber den großen Vorteil, daß es infolge seiner Unempfindlichkeit gegen
Winddruck die gebrochene Fahrrinne unverändert erhält (Abb. 35). Das Trümmereis, das die Fahrrinne
erfüllt, wird mit jeder weiteren Schiffspassage kleiner, bis es schließlich die Form geröllartig gerundeter Stücke
besitzt, die nicht größer als 20 cm im Durchmesser sind (Abb. 5, 29, 30). Innerhalb dieser Festeisfahrrinne,
die in regelmäßigen Abständen von dem Hafeneisbrecher in passierbarem Zustande gehalten wird (Abb. 30),
dürften Dampfer keinen Schwierigkeiten begegnen. Dadurch, daß sich die Fahrrinne in ihrer geraden, straßen
förmigen Gestalt klar von dem seitlichen Festeis abhebt, bestehen selbstredend auch keine Eisorientierungs
schwierigkeiten, wie sie in anderen Eisarten auftreten können.
Dünnes Festeis bzw. Neueis bietet auch ohne Fahrrinne nur geringe Schwierigkeiten (Abb. 8). Es wird
durch die Heckwellen in breitem Streifen (je 5 m seitlich) auf gebrochen, unterliegt aber sehr leicht Eisschie
bungen, so daß schon nach wenigen Tagen die Eisrinne nur mehr als eine Naht erkennbar ist, in der sich das
Trümmereis wallartig unter- bzw. überschoben hat (Abb. 21). In der Regel kommt das Neueis nur auf kurze
Erstreckung vor. Die Schiffe können dem Eisbrecher im Bereiche dieses Eises ohne festzukommen folgen.
Eisbrei und Tellereis, die gemeinsam auftreten, sind noch lose und unterliegen dem direkten Einfluß der
Dünung von der offenen See her. Schiffe, die ausfahren, werden hier von dem Eisbrecher entlassen und schaffen
den Tellereisgürtel mit eigener Kraft (Abb. 14). Die Fahrrinne hält sich in dem losen Eis natürlich sehr
schlecht, aber da das Eis vor dem Schiff ebenso leicht auseinanderweicht wie es sich hinter ihm wieder schließt,
besteht die Hinderung lediglich in einer gleichmäßigen Herabsetzung der Fahrtgeschwindigkeit.
Tellerpackeis dagegen bietet erhebliche Schwierigkeiten. Nicht nur ist in ihm die Sprungbildung gleich
null, sondern seine große und gleichbleibende Stärke zwingt selbst den Eisbrecher zu langsamer Fahrt unter
Zuhilfenahme des Krängens. Die Rinne füllt sich sehr rasch mit Eis und nachfolgende Schiffe bleiben leicht
fest. Das Geräusch am Bug des Eisbrechers kommt eher einem Mahlen und Knirschen, als einem groben
Brechen gleich. Seitlich ist der Widerstand des Tellerpackeises derart, daß sich das vorn mühsam losgebrochene
Eis beim Passieren des Schiffsrumpfes an den Bordwänden steil aufrichtet (Abb. 17). Namentlich bei Wind
ist Bugsierung hier die gegebene Transportart für Dampfer.
Treibeis leichterer Art bietet der Schiffahrt keine ernstlichen Hindernisse, selbst wenn die einzelnen
Schollen von grobem Packeis herrühren. Solange das Treibeis durch das Schiff nicht verstopft wird, und das
ist ja gerade für die Definition gegenüber schwerem Treibeis wesentlich, reicht die Kraft des Schiffes aus, um
das Eis zu verdrängen. Anders wird es, wenn sich zwischen leichtem Treibeis Neueis bildet, dann bestehen
Hinderungen für normale Dampfer, nicht aber für Eisbrecher.
Bei Schubeis wurden zwei Abarten unterschieden, die auf Tellereis bzw. Neueis zurückgehen. Sie bieten
der Schiffahrt verschieden große Schwierigkeiten. Während, wie der Fall in der Beobachtungszeit eintrat, in
Tellerschubeis die Fahrrinne ziemlich eisgefüllt ist und nachfolgende Schiffe mit geringerer Maschinenkraft
festgeraten, folgen die Dampfer in dem aus Neueis entstandenen Schubeis sehr leicht. Von einer Behinderung
bei dieser Eisart kann daher nicht gesprochen werden, vorausgesetzt, daß eine Fahrrinne vorhanden ist (Abb. 8).
Packeis bzw. Treibpackeis ist bezüglich seiner Wirkung auf die Schiffahrt mit dem Tellerpackeis fast
gleichzustellen. Durch seine abweichende Struktur modifiziert sich jedoch die Wirkung etwas. Das Eis wird
schollenweise gebrochen und füllt die Fahrrinne sehr dicht, da die gepackten Schollen im Kielwasser vonein