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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 57. Band, Nr. 9
Grenzlinien ähnlicher Art, nur im Kleinen und von bogenförmigem Verlauf sind die im Tellerschuheis
(Abb. 20, vgl. Kap. I, 7) vorkommenden. — Auch innerhalb eines begrenztes Eisgebietes, in dem Teile des
Eises fest und andere beweglich sind, kommen Grenzlinien wie die oben beschriebene vor. So konnte Verfasser
zwischen Eggegrund und dem Festland bei Bönan eine solche Verschiebungslinie beobachten zwischen einigen
Neueisflächen (Abb. 26), von denen die südliche vermutlich fest lag. Hier war aber die Aufstauchung beiderseits
gleichmäßig, und die Gleitflächen waren beiderseitig ausgebildet, zwischen ihnen ein schmaler Spalt. Sie ver
lief ebenfalls ziemlich geradlinig. Es ist möglich, daß auch die südliche Eisfläche nicht ganz fest lag und ihrer
seits aktiv an der Formung der Grenzlinie teilgenommen hat. Anhaltspunkte dafür waren aber weder aus der
Eislage noch aus den Windverhältnissen (beständige Nordostwinde) zu entnehmen.
Das mitunter fingerförmige Überschieben im leichten Festeis wurde bereits erwähnt (vgl. Kap. I, 7). Es
stellt aber keine eigentliche Eisgrenze dar. — Ebenfalls besprochen wurde die Eiskante gegen das offene Wasser
selbst, die, zumindest bei aufstehendem Winde, schmale, unter sich parallele Streifen quer zum Winde darstellt
(vgl. Kap. I, 3). Ganz ähnlich verhielt es sich mit der Eiskante, die Verfasser am 8. 3. vor dem Festeis der
inneren Gävlebucht, bei Bönan, beobachtete (vgl. Kartei). Während Eiskristallstreifen in Richtung des Windes
auf die Eiskante aufstanden, sammelte sich der Eisbrei an der Eiskante zu parallelen, schmalen Streifen quer
zum Winde (Abb. 25) (vgl. Kap. I, 3).
In länglichen Waken wächst das Neueis von beiden Kanten aus aufeinander zu; bei dem gegenseitigen
Auftreffen bildet sich eine gewundene Naht, die bei Schneefall als weiße Linie verfolgbar ist (Abb. 7).
Zum Schluß sei noch auf die durch den Eisbrecher geschaffenen Risse (Abb. 6) zu sprechen gekommen.
Im Neueis am häufigsten, verlaufen sie vom Bug aus diagonal nach den Seiten; die durch sie bedingte Lösung
des Eises (Abb. 28) ist für die Loseisung eingefrorener Schiffe wichtig.
II. Die Herkunft und Entstehung- des Eises
Die Faktoren, die bei der Entstehung des Eises eine Rolle spielen, sind Frost, Schneefall, Drift und
Packung. Frost ist natürlich das Primäre, an zweiter Stelle in bezug auf seine Bedeutung als Vereisungsfaktor
ist unbedingt der Schneefall zu erwähnen. Die Beobachtungen in der Gävlebucht haben mich bestimmt, dem
Schnee eine weit größere Bedeutung beizumessen, als ich dies bisher gewagt habe (vgl. Ann. d. Hydr. 1936), und
erst recht, als dies bisher von anderer Seite geschehen ist. Der Frost ist eine Grundvoraussetzung, aber mengen
mäßig betrachtet liefert danach Schnee den größten Anteil an dem Neueis. Es handelt sich ja nicht nur um den
Schneebrei, der ins Wasser fällt und dort zu Eisbrei und Tellereis wird, sondern in gleicher Weise um den Schnee
auf vorhandenem Eise, der durch Einwirkung eindringenden Wassers oder durch vorübergehendes Tauen zu
einer Verstärkung der Eisdecke führt. Nicht zu unterschätzen ist die Rolle des Schnees auf dem Eise als Kitt-
mittel, wenn Packung auftritt. Er liefert in reichlichen Mengen ein rasch frierendes Bindemittel. Indirekt ist
seine Bedeutung als Sonnenstrahlenreflektor wichtig, besonders in höheren Breiten mit schräg einfallendem
Sonnenlicht.
Eistreiben bedingt eine Veränderung der Eisdecke ebenso wie Eispackung, aber absolut keinen Zuwachs,
sondern nur eine Verlagerung. Diese Verlagerungen sind für die jeweiligen örtlichen Eisverhältnisse von großer
Wichtigkeit. Wenn, wie dies eigene Erfahrung bestätigte, z. B. nördlich der Gävlebucht bewegliches Packeis
liegt, dann beruht es voll und ganz auf Windrichtung und -stärke, ob es südwärts treibt. Bei den starken nord
östlichen Winden kam es in der Tat herangedriftet und legte sich vor das südlich von Eggegrund liegende
Packeis und Tellereis.
Bei diesem Vorgang wurde die an anderer Stelle (vgl. Kap. I, 11) erwähnte Verschiebungslinie (Abb. 27)
gebildet. Durch das Erscheinen des Treibeises wuchs der Eisgürtel seewärts rasch vor. Bei dem anhaltenden
Wind aus der gleichen Richtung und gleichzeitigem Schneefall wurde weiterhin Schnee-Eis herangetrieben.
Das Beispiel zeigt, wie rasch Eistreiben zu einer Verschlechterung der Eisverhältnisse beitragen kann. Die topo
graphische Lage der Gävlebucht brachte es mit sich, daß das Eis nicht weiter südwärts treiben konnte, sondern
sich staute und zu umfangreichen Packungen Anlaß bot.
Umgekehrt geschah es sehr rasch, daß am 18. 3. bei schwachen südlichen Winden in dem losen Teller
eis Wasserrinnen entstanden, ein Zeichen beginnender Abdrift und damit Erleichterung der Eisverhältnisse.
Allerdings dürfte der Hauptteil des Eises von dem schwachen und, wie sich später herausstellte, auch nur vor
übergehenden Südwind nicht beeinflußt worden sein.