Dr. Joachim Blüthgen: Eisbeobachtungen in der Gävlehucht
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Brocken. Der seitliche Widerstand dieses Eises äußert sich kennzeichnend auch darin, daß das Eis die Mennig
farbe des Schiffsrumpfes abschrammt. Schiffe in solchem Eis zu leiten, ist deswegen schwierig, weil die abge
brochenen Brocken und Teller die Fahrrinne verstopfen, so daß das nachfolgende Schiff öfters festgerät.
In dem Maße wie die Neubildung von Tellereis seewärts fortschreitet, gelangt das zuinnerst hegende
Tellereis zur Ruhe bzw. unterliegt starkem Wind- und Eisdruck, auf jeden Fall wird es fest. Friert das Teller
eis schon frühzeitig fest und wird erst danach starkem Tangentialdruck ausgesetzt, dann kommt es zur Bildung
von Tellerwalleis (Abb. 18). Das feste Tellereis bricht längs einiger Schwächelinien auf, und hier stauchen
sich die Tellereismassen zu Wällen, die aber ebenfalls relativ zur Umgebung nicht die Höhe erreichen
wie etwa grobe Packeiswälle (vgl. Kap. I, 9), obschon sie absolut ziemlich mächtig sind. Gerät teilweise ver
festigtes Tellereis unter Druck und Schub, so bildet sich Schubeis (Abb. 20, vgl. Kap. I, 7). Seine Zusammen
setzung nach ist es eine Zwischenstufe zwischen Tellereis und Tellerpackeis, seiner besonderen Dynamik wegen
sei es zusammen mit dem aus Neueis entstandenen Schubeis besprochen.
Da das Tellerpackeis trotz seiner erheblichen Mächtigkeit eine im großen ebene Fläche bildet, die nur
im einzelnen durch die gekippten Teller holperig ist, hat der Schnee freies Spiel. Es kommt darum bei Schnee
sturm häufig vor, daß sich der Schnee nicht in Form einer gleichmäßigen Decke, sondern in windparallelen
gleichabständigen Streifen ablagert (Abb. 19), die der Eisfläche ein charakteristisches Aussehen verleihen
(Streifeneis). Diese Erscheinung findet sich auch auf Neueis.
6. Leichtes Treibeis.
Treibeis ist keine stoffliche, sondern eine dynamische Bezeichnung; sie drückt ein bestimmtes Verhältnis
zwischen den außen wirkenden Kräften und dem Eis an sich aus. Treibeis ist danach ungeachtet seiner stoff
lichen Zusammensetzung im einzelnen der Name für Eis, das durch einen bestimmten Wind- oder Strömungs
druck in treibende Bewegung versetzt wird. Bei einzelnen Eisstücken ist die für das Treibeis nötige Kraft ge
ring, bei dichtem Eis wird ein dauernder und zugleich stärkerer Druck benötigt, um das Eis ins Treiben zu ver
setzen. Die Abgrenzung von leichtem und schwerem Treibeis richtet sich also einmal nach dem prozentualen
Anteil des Eises an einer bestimmten Wasserfläche und parallel damit nach der Stärke des Windes (Strömung
wird im Bereich der Ostsee nur selten in Betracht kommen, evtl, im Nordkvark). Leichtes Treibeis nimmt nicht
mehr als etwa 30% der Wasserfläche ein, höhere Flächenprozente müssen schwerem Treibeis zugerechnet
werden. Schweres Treibeis ist eher als Treibpackeis zu bezeichnen (vgl. Kap. I, 8). Die für die Abschätzung
zugrunde gelegte Fläche muß naturgemäß nur das Eisgebiet mit einheitlich schwerem bzw. leichtem Treibeis
umfassen.
Leichtes Treibeis besteht in der Regel aus kleinen Brocken, die strukturell in den weitaus meisten
Fällen gepackt sind. Schiffahrtshinderlich wird dieses Eis kaum. Bei lebhafter Neueisbildung wird solches
Treibeis leicht fest. Man gewahrt dann in einer dunkelklaren oder grauen (Schnee!) Festeisdecke einzelne
blendend weiße Schollen oder Brocken (Abb. 8, 9). Bemerkenswert ist, daß bei dem leichten Treibeis die
einzehien Eisstücke sich selbständig bewegen können. Dies ist bei schwerem Treibeis, dem hier als Treibpackeis
bezeichnten, nicht der Fall. — Zu leichtem Treibeis wird man auch loses Tellereis rechnen können, sofern es
keine zusammenhängende Fläche bildet. Da in den Eisberichten Tellereis nicht ausgeschieden wird, hat man
es in den meisten Fällen unter Treibeis bzw. leichtem Treibeis zu suchen.
7. Schubeis.
Bei Schubeis vereinigt sich Treiben und Packen zugleich. Es ist ein Zwischenstadium von Treib- und
Packeis. Dabei enthält der Begriff keinen Hinweis auf die Herkunft oder Zusammensetzung des Eises. Die ver
schiedene Zusammensetzung äußert sich jedoch auch in verschiedenem Schuheis; zwei Hauptarten sind zu unter
scheiden.
Wird Tellereis treibenden und zugleich schiebenden Kräften ausgesetzt, vornehmlich im Stadium der
beginnenden Verfestigung, dann bildet sich ein Gitternetz von Schublinien mit nahezu spindelförmigen Maschen
aus (Abb. 20). Das zwischen den Linien befindliche Eis bleibt unverändert, dagegen wird es teilweise unter die
nächste Eisspindel unterschoben. Die Unterschiebung wird durch die Form der Teller begünstigt. Am Rande
der unterschiebenden Scholle bildet sich ein kleiner Wall mit schräger Gleitschicht, die unter die vorgelagerte
Scholle taucht. Die scharf erkennbaren Grenzflächen deuten auf die Eisdrift und Versetzung der einzelnen
„Schollen“ gegeneinander hin. — Wird loses Tellereis zusammengeschoben, so ergibt sich ein Zwischenstadium
zwischen Tellereis und Tellerpackeis (Abb. 15). Zusammengeschobenes Tellereis zeigt wirr durcheinander
gestellte Teller, kann aber noch beweglich sein. Es geht leicht in Tellerpackeis über.