Erich Goedecke: Beiträge zur Hydrographie der südlichen Nordsee
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um 1,2° C abgekühlt. Im Osten schreitet die Abkühlung immer weiter fort. Diese Abkühlung gebt anscheinend
nicht gleichmäßig vor sich, was sich in den zungenförmigen Ausbildungen des relativ kalten Wassers im öst
lichen Teil ausprägt. Auf der anderen Seite wiederum ist gegen Ende des Monats eine merkliche Erwärmung
festzustellen, so daß zwischen dem westlichen und östlichen Teil dieser Route ein starker Temperaturgegensatz
gegen Ende des Monats vorherrscht, der bis 214° C betragen kann. Diese zeitliche Änderung der Temperatur
kann einmal, wie schon gesagt, auf überwiegender Ausstrahlung beruhen, zum anderen aber auch auf erheb
licher Wasserversetzung aus dem Osten. Stark abgekühltes kontinentnahes Wasser vermischt sich mit wärmerem
Wasser der offenen Nordsee und ruft auf diesem Wege die zu beobachtende Abkühlung hervor. Dieser Schluß
ist aus der Isoplethen-Darstellung des Salzgehaltes auf dieser Route in Figur 65b zu ziehen. Im Westen herrscht
das salzreiche Hoof den- und das ans dem Kanal stammende Wasser vor, während im Osten weniger salzreiches
Wasser (unter 34,0%o) anzutreffen ist. Es hat den Anschein, als ob das wärmere und salzreichere Wasser des
Westens von dem kühleren und salzärmeren Wasser des Ostens zurückgedrängt wird. Zwischen den beiden ver
schiedenen Wasserarten bildet sich dann eine Mischzone heraus, deren labiler Zustand sich in der unruhigen
Linienführung der Isoplethen widerspiegelt.
Auch auf der südlichen Dampferroute Hüll—Ijmuiden (siehe Figur 66a und 66b) ist die vom Festland
ausgehende Abkühlung festzustellen. Kühles, der englischen Küste benachbartes Wasser kämpft mit dem
wärmeren Hoofdenwasser um die Vormachtstellung. Zwischen der Ost- und der Westseite (hier ist es um
gekehrt!) beträgt der Temperaturunterschied auch rund V/2 0 C. Bemerkenswert ist die vor der englischen
Küste gebildete und von salzreicherem Wasser eingeschlossene Zunge salzarmen Wassers mit unter 34,0%o. Diese
Zunge stimmt in ihrer grographischen Lage mit dem früher wiederholt genannten Minimumgebiet (niedriger
Salzgehalt und niedrige Temperatur) vollkommen überein.
Die in den Figuren 67a und 67b (9) dargestellten Änderungen im hydrographischen Zustand des Ober
flächenwassers geben im großen und ganzen das oben schon bekannte Bild. Auch hier im nördlichen Teil des
Untersuchungsgebietes tritt der Gegensatz von West und Ost in der Temperaturverteilung wie auch in der Salz
gehaltsverteilung hervor.
Wenn man sämtliche Figuren (siehe Figuren 65—67) im Zusammenhang noch einmal überschaut, so
gewinnt man immer mehr den Eindruck, daß diese fortschreitende Abkühlung im Oberflächenwasser im Monat
Februar einzig und allein auf den Einfluß der über dem Kontinent stattgefundenen schnellen Abkühlung
zurückzuführen ist. Näheres darüber soll im nächsten Abschnitt ausgesprochen werden.
V. Der Einfluß der Februar-Kaltlufteinbrüche auf den hydrographischen Zustand
des Oberflächenwassers der Deutschen Bucht und der südlichen Nordsee.
Bei der Untersuchung der Großwetterlage zur Zeit der Forschungsfahrt hat sich herausgestellt, daß die
im Oberflächenwasser beobachtete Temperaturerniedrigung und eine entsprechende Salzgehaltsabnahme rein
meteorologisch bedingt war. Der Verfasser ist so vorgegangen, daß die Untersuchungszeit (29.1.—22. II. 36)
in 5 Pentaden eingeteilt wurde. Diese Pentaden umfassen also folgende Zeitabschnitte:
1. Pentade vom 29.1. — 2. II. 1936.
2. Pentade vom 3. II.— 7. II. 1936.
3. Pentade vom 8. II.—12. II. 1936.
4. Pentade vom 13. II.—17. II. 1936.
5. Pentade vom 18. II.—22. II. 1936.
Die Großwetterlage [siehe (17)] gestaltete sich zur Zeit der 1. Pentade folgendermaßen: Während sich
nordosteuropäische Kaltluft nach S und SW ausdehnte, entwickelte sich über Westeuropa auf der Rückseite
des nordwärts wandernden Nordseetiefs ein kräftiges Drucksteigegebiet. Das Vorrücken der Front dieses Nord
seetiefs verhinderte ein weiteres Einströmen der festländischen osteuropäischen Kaltluft und zog vom atlan
tischen Tief maritime Warmluft heran. An der Spitze des Warmsektors der Subtropikluft hatte sich über der
Nordsee ein Tief gebildet. Es zog ostwärts in Richtung zum Kattegat. Der nächste Warmsektor vom mittleren
Ärmelkanal rückte ostwärts schneller vor. Danach folgte eine sich noch schneller bewegende Staffel mari
timer Polarluft.
Zur Zeit der 2. Pentade: Durch den Einbruch maritim-polarer Luft von der Südseite der Tiefdruckzone
Neufundland—Westeuropa füllten sich nunmehr die europäischen Tiefe auf. Die Großwetterlage hatte sich