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Aus dem Archiv der Deutchen Seewarte — 57. Band, Nr. 1
Neben diesen Merkmalen in der Salzgehaltsverteilung ist noch einmal die höhere Temperatur des
„ozeanischen“ Kanalwassers zu erwähnen im Gegensatz zu der niedrigeren (zwischen 4‘4 und 6° C) der offenen
südlichen Nordsee und den noch niedrigeren der Deutschen Bucht und ihrer Flußmündungen (zwischen 414
und ±0° C).
Auf Grund der englischen Beobachtungen für Temperatur und Salzgehalt im Kanal und den Hoofden
war es möglich, zwei weitere Salzgehaltskarten für dieselbe Tiefe skizzenhaft zu entwerfen, die vor allem die
zeitliche Änderung im Salzgehalt des Kanalwassers vor Augen führt. Das englische Forschungsschiff hat näm
lich einige Stationen in diesem Gebiet nach verstrichener Zeit mehrmals wiederholen können. Nach 14 Tagen
seit Ende der ersten Untersuchung wurden die in Figur 44a dargestellten Salzgehaltsverhältnisse ange
troffen, und nach weiteren 10 Tagen seit Ende der zweiten Untersuchung die in Figur 44b. Es wurde schon
oben die blasenförmige Ausbildung des sehr salzhaltigen Wassers im Gebiet der Hoofden und nördlich davon
erwähnt. Der Verfasser steht nicht auf dem Standpunkt, daß die in den drei Figuren 43, 44a und 44b wieder
gegebenen Salzgehaltsverhältnisse von ein und derselben Wassermasse herrühren. Eins ist aber zu erwähnen, daß
sich nämlich derartige, isolierte und blasenförmige Gebilde und „Auseinanderreißen von Zungen“ mit sehr
salzhaltigem Wasser aus einer ursprünglichen Wassermasse, die vom offenen Ozean durch den Kanal und dann
durch die enge, als „Düse“ wirkende Straße von Dover—Calais tritt und hier dem Einfluß der Gezeitenwirkung
und der oberflächennahen, atmosphärischen Strömungen unterliegt, entstehen können [siehe K. Kalle unter
(7)]. Es ist wahrscheinlich, daß die Wassermasse als Ganzes von der Oberfläche bis zum Boden auf einmal
derartige Deformationen im hydrographischen Aufbau erleidet.
3. Der thermische und haline Vertikalaufbau des Tiefenwassers.
Bevor wir den hydrographischen Vertikalaufbau in den Salzgehaltsprofilen kennen lernen, sollen erst
an einigen typischen Stationen geographisch geordnet die Verhältnisse in den verschiedenen Tiefenstufen im
einzelnen besprochen werden. Es fällt auf, daß der hydrographische Aufbau, im allgemeinen bei fast allen
Stationen der offenen Nordsee einheitlich ist. Homothermie und Homohalinität herrschen vor. Außerdem ist
aus den Ivurvenbildem, wie auch später aus den Profilen zu schließen ist, zu entnehmen, daß eine durch vor
handene starke Zirkulationsbewegungen hervorgerufene kräftige Durchmischung und gute Durchlüftung der
verschiedenen Wasserarten in dem gesamten Untersuchungsgebiet vor sich gegangen ist (siehe die Ausführungen
im Abschnitt B III, 4). Diese gute Durchmischung und Durchlüftung drückt sich auch im Sauerstoffgehalt des
Oberflächen- wie des Bodenwassers aus. Der relative Sauerstoffgehalt betrug im Mittel in der gesamten
Wassersäule rund 97%. Dieser fast einheitliche hydrographische Aufbau ist besonders charakteristisch für die
Winterjahreszeit. Er ist einmal thermisch (überwiegende Ausstrahlung) bedingt und zum anderen durch den
Einfluß der sich in dieser Jahreszeit stark ändernden atmosphärischen Strömungen. Konvektion und große
horizontale Wasserversetzungen nach sich ändernden Richtungen rufen diesen hydrographischen Aufbau hervor.
Wenn jedoch in dieser Jahreszeit Störungen oder besser Schichtungen im Vertikalaufbau zu beobachten sind, so
ist hierfür meistens der Einfluß kontinentaler Wassermassen die Ursache. Die Stabilität dieser Störungen und
Schichtungen ist um so größer, je größer der Dichtegradient in der Grenzschicht der verschiedenen Wasser
körper ist. Der starke Unterschied in der Dichte wird hier meistens durch den verschiedenen Salzgehalt bedingt.
Im folgenden sollen derartige Stationen mit typischer Schichtung denen mit einheitlichem hydrographischen
Vertikal auf bau gegenübergestellt werden (siehe Figur 45).
Die Stationen in der Elbmim düng zeigen, außer beim Feuerschiff „Elbe 1“ [Stat. 83, siehe Stationsüber
sicht bei Schulz unter (1)], starke Schichtung, die durch den Einstrom stark salzigen Wassers in der
Tiefe aus der Deutschen Bucht und zum anderen durch den Abfluß des Oberwassers der Flüsse an der Ober
fläche hervorgerufen wird. Obgleich Bodenkonfiguration und Turbulenz die beiden Wasserarten an der Grenz
schicht zu mischen suchen, ist die Grenz- oder Sprungschicht bei den Feuerschiffen „Elbe 3“ und „Elbe 4“
(Stat. 84 und 85, siehe Figur 45a) sehr stabil. Der Salzgellaltsgradient beträgt in der Grenzschicht 4,5 bzw. 6%o.
Die Sprungschicht liegt hier meistens zwischen 5 und 10 m Tiefe. Auch in der Temperaturverteilung sind
vertikal Unterschiede vorhanden.
In der Wesermündung (Figur 45b) ist es ganz anders. Hier kann von der Ausbildung einer Sprungschicht
nicht gesprochen werden. Der Salzgehalt nimmt hier mit der Tiefe nur langsam zu, während die Temperatur
sogar abnimmt.
Der hydrographische Aufbau der an der nordfriesischen (Figur 45c) und ostfriesischen Küste (Figur 45d)
gelegenen Stationen ist einheitlich und die Änderungen mit der Tiefe sind sehr gering.