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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 56. Band, Nr. 3
gelegten Strecke abhängt, als von der sondernden Kraft des Windes, ist es hier umgekehrt. Die gröberen, lang
samer austrocknenden und schwerer beweglichen Körner bleiben auf der Seeseite des Strandwalles in einer einige
Meter breiten Zone landeinwärts der NWL liegen, die deutlich sichtbar ist 12 . Der ausgeblasene, feinkörnigere
Sand ist unmittelbar hinter dem Strandwall, besonders auf dem grobkörnigeren Material alter, in ihren Umrissen
verwischter Strandwälle gut zu erkennen. Aus ihm werden hauptsächlich die später zu behandelnden vegetations
losen Dünen der nördlichen Strandebene aufgebaut.
1. Die U r d ü n e n f e 1 d e r .
Die auf der Strandebene des Ostflügels zusammengetragenen Sandmassen werden nicht regellos aufgehäuft,
sondern von Anfang an von den Kräften geformt, die die Strandfläche beherrschen. Zwar gibt es auf der Watt
seite der Strandfläche, wo Brandung und Strandversetzung fehlen und der Wellenschlag gering ist, keinen Strand
wall. Doch lagert die Flut in einem breiten Saum den mitgeführten Schutt ab, dessen verschiedene Bestandteile
den über die Strandebene getriebenen Sand fangen und teilweise festhalten. So kann man beobachten, wie gerade
die von höheren Fluten landeinwärts getragenen größeren Stücke, wie Kisten, Flaschen, Holzstücke, Derrbrocken
u. a. m. allmählich vom Sande zugedeckt werden. Wattwärts wird die Ausdehnung der sich bildenden flachen,
vegetationslosen Sandschilde, die durch die ausgleichende Wirkung des Windes aus kleinsten zu größeren Schilden
langsam zusammenwachsen, durch höhere Fluten verhindert, die durch ihr gleichmäßiges Anschneiden den ketten
artigen Zusammenschluß des Urdünenfeldes noch befördern. Das vor den Sandschilden vorbeiströmende Wasser
trägt die vorspringenden Teile des Schildes ab und lagert ihr Material in den Einbuchtungen wieder ab. Der
herrschenden Windrichtung, bzw. der Sandzufuhr entgegen können sie dagegen leichter wachsen.
Indessen haben sich bereits die ersten Pflanzen des Strandweizen (Triticum Junceum) eingestellt und
besiedeln zuerst den höheren wattwärtigen Teil, später auch in langsam abnehmender Dichte die sich abflachende
Luvseite. Eine gelegentliche Überflutung kann ihm nichts anhaben. Im Gegenteil, seine Keimung wird im Gegen
satz zum Helm durch Salzwasser günstig beeinflußt. Bei anhaltender Sandzufuhr sammelt sich um den Stengel der
Pflanze ein Sandhäufchen und in seinem Windschatten ein winziges Sandschwänzchen an. Die sich mehrenden
Pflanzen bewirken allmählich eine flächenhafte Aufhöhung des Dünenschildsaumes und geben dem angehäuften
Sand schon eine gewisse Verfestigung. Die Aufhöhung geschieht in der Weise, daß sich neue schildförmige
Schichten anfänglich vegetationslosen Sandes über das Triticetum legen. Sie sind gut ausgeprägt mit langsam
ansteigender Luv- und steiler, durch die Kraft des Konvexionsstromes leicht konkaver Leeseite. Die Pflanzen, die
nicht wie der Helm die Fähigkeit haben, sich ständig durch die Sandschicht hindurchzuarbeiten, die sie oft um
die eigene Höhe und mehr bedeckt, gehen dabei meist zugrunde. Neue Pflanzen siedeln sich allmählich auf der
neuen Schicht an. Dabei wächst der wattseitige, höhere Teil schneller. Hier bildet sich auch die eigentliche Düne.
Als die dem Watt überhaupt nächste mögliche Düne wollen wir sie im Urdünenfeld, das die Ausbildung eines
Inselkernes wiederholt, ebenso wie im Inselkern selber als Binnendüne bezeichnen. Sobald die Triticum-
dünen eine Höhe von ± 1 m erreicht haben, und damit die Möglichkeit gegeben ist, daß sich Niederschlagswasser
ansammelt, kann der Helm (Ammophila arenaria und Ammophila baltica) keimen und gedeihen. Er ist weit
besser als der Strandweizen befähigt, in seinem dichten Blätterwerk Sand zu fangen und ihn mit seinem kräftigen
Wurzelwerk festzuhalten. Durch ihn können die Dünen der Urdünenfelder bis zu 5 m. vereinzelt bis zu 7 m
anwachsen 13 .
An der Grenze beider Pflanzengesellschaften, die bei ungestörter gradliniger Entwicklung scharf ausgeprägt
ist, findet sich eine Windgasse. Hat der Helm einmal die Düne erobert, so hört durch die Anderswüchsigkeit der
Pflanze die flächenhaft gleichmäßige Aufhöhung der Dünen auf. Die einzelnen Horste, die durch ihre erstaunliche
Verwurzelungskraft ein individuelleres Leben führen, werden als stärkeres Hindernis für den Wind und am Rande
auch für das Wasser kräftig herausmodelliert. Ganz anders als das Triticetum, das sich schnell jeder kleinen
Veränderung der Vordünenform anpaßt, können Helmpflanzen durch ihren formenbewahrenden Wuchs nach ein
getretenen Veränderungen noch oft den schon jahrelang zurückliegenden Zustand andeuten (Kupsten).
Zwischen dem Strandwall und dem sich bildenden Urdünenfeld auf der Wattseite muß sich bei der
ungenügenden Abflußmöglichkeit das Wasser, das nach Sturmfluten in der tiefer gelegenen Mitte der Strandfläche
stehen bleibt, und ebenso das Regenwasser niederschlagsreicher Jahreszeiten stauen 14 . Es entstehen dann häufig
große Zonen Wühlsand, die das Überschreiten sehr erschweren. So war im Oktober 1934 die 1000 m lange
Strecke vom Zufluchtshaus für Schiffbrüchige auf der Boschplaat im 0 Terschellings nach S bis zum Beginn des
12 Vgl. auch Windberg, Nr. 114, S. 54.
13 Die von W. Leopold in: Mellum, Die Bedeutung der Pflanzengesellschaften für das Wachstum der Inseln.
Senckenbergiana, Bd. 14, 1932, S. 419 f., beschriebenen Quellerdünen, die er als „eigentliche Wegbereiter der Inselentwicklung“
ansieht, habe ich einige Male auf kleinen Flächen, besonders am Wattrandc sehr breiter Gaten durch das Dünenfeld, angetroSen.
Daß Quellerfelder Sand in beschränktem Maße fangen und so zu einer wenn auch nur geringen Aufhöhung beitragen können,
bestätigte sich auch hier. Die Weiterentwicklung dieser „Quellerdünen“ zu „Andeldünen“ habe ich nirgends wahrnehmen können.
Im behandelten Gebiet wurden Quellerdünen immer von einem Triticetum abgelöst. Die Bedeutung der Quellerdünen als Weg
bereiter der Inselentwicklung wird im allgemeinen nicht höher einzuschätzen sein als die der von der Strandmiere (Honckenya
peploldes) und dem Meersenf (Cakile maritima) gebildeten Dünen.
14 Behrmann, Nr. 14, S. 16.