Käthe Ulrich: Die Morphologie des Roten Kliffs auf Sylt
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I. Einleitung;: Gestalt und Lage der Insel Sylt
Sylt, die größte der nordfriesischen Inseln, bildet den westlichen Abschluß des schleswig-holsteinischen
Wattenmeeres gegen die Nordsee. Die Insel wird also im Westen vom offenen Meer und im Osten vom Watt
begrenzt. Eine nur wenig konvex gebogene Westküste und zwei tiefe Buchten der Ostküste geben Sylt die merk
würdige T-förmige Gestalt: Der eigentliche Mittelkörper nach Osten ausgerichtet, nördlich und südlich daran an
schließend die langen, schmalen Dünengebiete von Listland und Hörnum. Die Entfernung der Westküste vom
Festland schwankt zwischen 16 km im Norden und etwa 26 km im Süden. Die Gesamtlänge der Westküste be
trägt 38 km.
Da Sylt, wie auch Föhr und Amrum, aus Geestland und Alluvialbildungen besteht, zeigt seine Oberfläche
verhältnismäßig große Reliefunterschiede. Die höheren Erhebungen (am Kampener Leuchtturm 28 m über NN)
knüpfen sich mit Ausnahme der Dünen an die heute noch vorhandenen drei Geestkörper der Insel: Das Gebiet
zwischen Westerland—Munkmarsch—Kämpen, die Morsumer und Archsumer Geest.
Unter der diluvialen Oberfläche dieser Geestgebiete liegen jungtertiäre Sande. Die Ausnahmestellung Sylts
als höchste der nordfriesischen Inseln knüpft sich an eine besonders hohe Lage dieser Sande.
Alluviale Marschbildungen verbinden die Geestkörper und schließen sich nördlich und südlich an sie an.
Eine in der gesamten Längserstreckung der Insel fast ununterbrochene alluviale Dünenkette begleitet die West
küste und bedeckt fast vollständig die Inselarme nördlich und südlich der Westerland-Kampener Geest.
Die heutige Gestalt der beiden Dünenhalbinseln List und Hörnum weist auf Nehrungsbildung im Schutze
des mittleren hohen Diluvialkerns der Insel. Die Wurzeln der Nehrungen liegen für Hörnum in der Höhe des
südlichen Westerland und für Listland in der Höhe von Kliffende. Die zerstörende Wirkung der Sturmfluten, das
Wandern der Dünen nach Osten und die Sandverfrachtung durch Küstenversetzung und Gezeitenströmungen be
stimmen das Formenbild. Der Angriff des Meeres bei Sturmfluten überwiegt dabei so stark, daß die Hakenansatz
stelle bei Kliffende schon vollständig zerstört ist. Die Dünenkette hat hier eine Lücke von annähernd 750 m.
Daß beide Nehrungen auch heute noch wachsen, ist deutlich erkennbar an der Südspitze von Hörnum und an der
nördlichsten Halbinsel Ellenbogen, deren jetzige Aufschüttungsform durch die Strömung im Lister Tief be
stimmt ist.
Der Meeresgrund um Sylt gibt verhältnismäßig wenig Aufschluß über das Maß einer früheren Ausdehnung
der Insel. Nach der — in diesem flachen, stark veränderlichen Küstengebiet nicht ganz genauen — Seekarte 1 ver
laufen die 2-, 4- und 6-m-Isobathen annähernd parallel zur Westküste. Dagegen zeigt die sehr viel zuverlässigere 10-m-
Isobathe in der Höhe von Westerland nach Norden verfolgbar eine Ausbuchtung nach Westen. Auch die einzelnen
Lotpunkte der Seekarte zeigen eine geringe (etwa 1 m betragende) Wölbung des Meeresbodens in der Gegend des
mittleren Geestgebietes. Weiter im Norden schließt daran der westlich von List gelegene Salzsand an, der einen
Teil der Barrenbildung vor dem Lister Tief darstellt.
Der Abfall des Meeresgrundes ist in Küstennähe zunächst verhältnismäßig steil, dann folgt ein äußerst
flach bis zu annähernd 14 m Tiefe einfallendes Gebiet. In etwa 15 km Entfernung von der Westküste läßt sich
eine 1 bis 3,5 m hohe Bodenschwelle von beträchtlicher Breite (bis 4 km) erkennen als nördliche Fortsetzung
der Amrum-Bank bis zur Höhe des Kampener Leuchtturms. Ob diese Bank der Anlaß zu der sagenhaften Über
lieferung von einer Limonitsandsteinbank gewesen sein kann, die Sylt in alten Zeiten vor der Zerstörung geschützt
haben soll, läßt sich nicht feststellen.
Nach der Seekarte zeigt heute die Amrumbank mit ihrer nördlichen Fortsetzung einen Wechsel von groben
bunten, feinen bunten und auch feinen grauen Sanden, der keine Schlüsse auf die Entstehung zuläßt.
Die Watten östlich von Sylt gehören zwei verschiedenen Flutrinnensystemen an. Das Lister Tief mit Lister
Ley, Hoyer Ley und Römer Tief stellt ein gewaltiges Stromsystem dar. Es erreicht östlich vom Gebiet des heutigen
Königshafens eine Tiefe von 32 m. Die Strömung ist darin so stark, daß die für die Seegaten charakteristische
Barre hier nur angedeutet ist durch den Rüstsand, Salzsand und die Sände südwestlich von Röm. Die Rinne
bleibt auch im Gebiet dieser Sande 7 m tief.
Das Vortrapp-Tief mit Ei dum Ley, Oster Ley und Föhrer Ley hat Tiefen bis zu 18 m, wird aber vom
1 Nr. 61. Die nordfriesischen Inseln mit Helgoland. 1:100000.