Käthe Ulrich: Die Morphologie des Roten Kliffs auf Sylt
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Die Bewegung der oberen Dünenkante beträgt danach im Durchschnitt jährlich 1,6 m im Gebiet des Kliffs.
Aus einem Vergleich mit dem durchschnittlichen jährlichen Abbruch des Kliffs selbst ergibt sich deutlich,
daß die Terrasse oberhalb des Kliffs sich um annähernd 0,5 m im Jahre verbreitern muß.
IX. Der Küstenschutz
Der starke Abbruch der Sylter Westküste gab schon früh die Veranlassung zu Küstenschutzmaßnahmen.
Am ältesten sind die Versuche, die Dünen durch Anpflanzungen zu befestigen, am Westerländer Strand inten
siver seit 1760. Der planmäßige Schutz setzte ein, als die Insel 1865 in preußische Hände kam. An den Bau
von Buhnen ging man erst nach 1870.
Nach den ersten mißlungenen Versuchen wurden von 4 km südlich bis 11 km nördlich von Westerland
30 Hauptbühnen (Steinbuhnen) und 7 Zwischenwerke (teils reine Pfahl-, teils mit Steinen befestigte Pfahlbuhnen)
gebaut. Die Abstände der Hauptbühnen betrugen 500 m und waren damit viel zu groß, um einen Zusammenhang
der Wirkung der einzelnen Buhnen zu gewährleisten. Von 1889 bis 1898 wurden deshalb auf dieser Strecke noch
soviel Zwischenwerke gebaut, daß zwischen je zwei Hauptbühnen immer zwei Zwischenwerke lagen, und außer
dem nach dem gleichen Schema die Westküste nach Norden bis zum Umbiegen der Halbinsel Ellenbogen be
festigt. Diese Buhnenbauten bewährten sich nicht in dem Maße, wie man vermutet hatte. Bei starken Stürmen kam
es häufiger vor, daß die Buhnenwurzeln freigelegt wurden, und durch die Strudelwirkungen an ihnen wurde die
Gewalt der Brandung noch erhöht, so daß sowohl am Dünen- oder Kliffgebiet der Küste als auch an den Buhnen
selbst starker Schaden angerichtet wurde.
In den letzten Jahren (in der Hauptsache seit 1930) wurde die gesamte Westküste nach und nach durch
neuartige Buhnen aus Eisenspundwänden befestigt, und die Unterhaltung der alten Steinbuhnen und ihrer
Zwischenwerke aufgegeben.
Die beabsichtigte Schutzwirkung von Buhnen ist stets eine Erhöhung des Strandes, die bei Sturmfluten
hemmend auf das Vordringen der Brandung einwirken soll. Bei Flüssen ist das Ziel des Sandfangs leicht erreich
bar durch die gleichmäßige Stromrichtung des Wassers. An der Sylter Küste wirkt nur die Gezeitenströmung
gleichmäßig richtunggebend für die Bewegung des Meeres. Jedoch heben sich hier Ebbstrom und Flutstrom
zum größten Teil in ihrer Wirkung auf, und für die Richtung der Brandungswellen ist kaum noch ein Einfluß
der Gezeitenströmungsrichtung erkennbar. Vielmehr ist hier allein die herrschende Windrichtung von Bedeutung.
Die Beobachtung, daß Westwindperioden stets abtragen und Ostwindperioden anschwemmen, ist von den
Buhnen unabhängig. Doch ist stets dann — sowohl bei Abtragungs- als auch bei Anschwemmungsperioden — eine
Wirkung der Buhnen sichtbar, wenn die Winde nicht genau auf- oder ablandig sind, sondern eine nördliche oder
südliche Richtungskomponente aufweisen. Eine genauere Beobachtung der Buhnen 31 und 32 im Januar (7. bis
26. I. 1935) wurde durch tägliches Ausmessen der Sandstände durchgeführt.
Zu Beginn der Messungen hatte eine Periode zuerst westlicher, dann rein nördlicher Winde die Strandwall
bildungen des Dezember zerstört und zwar jeweils die nördlichen Teile der Buhnenfelder am stärksten, so daß
z. B. der 1. Absatz der Buhne 31 am 7. I. 35 an der Nordseite um 1,24 m höher mit Sand angefüllt war als an
der Südseite.
Ostwind vom 7.—9. I.
bewirkte allgemein Anschwemmung an beiden Bühnenseiten durch beginnende Strandwallbildung.
Mittelstarker bis starker Südwestwind vom 10.—13. I.
bewirkte eine starke Vertiefung an den Nordseiten der Buhnen.
Nord-, Nordwest- und Westwinde von geringer Stärke (14.—16. I.)
bewirkten eine langsame Aufhöhung an der Nordseite der Buhnen und eine langsame Vertiefung an der
Südseite.
Nordost- und Nordwind vom 17.—19. I.
bewirkte allgemein Anschwemmung, stärker im südlichen als im nördlichen Teil der Buhnenfelder, so daß
die Nordseiten der Buhnen höher angefüllt wurden.
Nordwestwind von geringer Stärke (20.—23. I.)
vertiefte die Nordseiten der Buhnen, während die Südseiten eine geringe Erhöhung des Sandes zeigten.
Starker Westwind vom 24.—26. I.
räumte stark aus und vertiefte besonders die nördlichen Teile der Felder, also die Südseiten der Buhnen.
Da die Windbeobachtungen nur Tagesbeobachtungen sind und die stärkeren Fluten stets nachts auftreten, so
sind die Zusammenhänge der Strandbildung mit den Windrichtungen nicht immer ganz einwandfrei zu erfassen.
Doch konnte immer wieder die Beobachtung gemacht werden, die sich ja auch aus der vorangehenden Übersicht
ergibt, daß Südwestwinde die südlichen Teile der Buhnenfelder zerstören, während ebenso häufig Nordwestwinde
den nördlichen Teil der Buhnenfelder stärker angreifen können. Doch kommt auch die viel eher zu erwartende
gegenteilige Wirkung vor (z. B. in der Zeit vom 20.—23. I. 35; am 8. XII. 34 erhielten sich in einer Periode
der Strandwallzerstörung durch Südwestwind die südlichen Teile der Buhnenfelder länger).