Hans Neuberger, Beiträge zur Untersuchung des atmosphärischen Reinheitsgrades
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Einleitung-.
Die Frage der Absorption und die Zielabdeckung.
Bei den bestehenden Theorien der horizontalen Sichtweite (bei Tag) (19, 33, 34, 35, 37, 38, 49 1 ) wird
u. a. die Absorption im Gegensatz zur Lichtzerstreuung als zu vernachlässigend vorausgesetzt. Dabei soll unter
Absorption eine gegenseitige Verdeckung der in der Luft suspendierten trübenden Teilchen verstanden sein, da
bei der Forderung von schwarzen Zielen kein Ziellicht vorhanden sein soll, das absorbiert werden könnte. Diese
Forderung wird aber bei Verwendung von Kirchtürmen, dunklen Gebäuden usw. als Sichtziele, wie sie z. B. auf
Sylt allein zur Verfügung standen, weil bewaldete Hügel (37) fehlen, sicher nur ungenügend erfüllt sein. In
diesem Fall ist also auch eine Absorption 2 des Zielliclites in Betracht zu ziehen, die gleicherweise wie die
gegenseitige Verdeckung einen sichtvergrößernden Einfluß ausübt, weil einerseits das Ziel dadurch „schwärzer“,
andererseits die Luft davor weniger hell erscheint, der Kontrast zwischen Ziel und Horizont im ganzen also
vergrößert wird. Ähnlich führte auch L. Weber (67) die Tatsache, daß die aus der Messung der Planktonal
bedo resultierende Sichtweite kleiner als die beobachtete war, auf die bei größerer Zielentfernung doch merk
lich werdende Absorption (im Sinne gegenseitiger Verdeckung der Planktonkügelchen, die in der Theorie als zu
vernachlässigend vorausgesetzt war) zurück.
Zur Bestimmung der Tragweite leuchtender Ziele bei Nacht führte L. Foitzik (15) auch einen Ab
sorptionskoeffizienten in die Sichttheorie ein und definierte als Schwächungskoeffizient die Summe von Absorp-
tions- und Zerstreuungskoeffizient. Bei Tag müßte nach obiger Überlegung der Absorptionskoeffizient nicht
zum Zerstreuungskoeffizienten addiert, sondern von diesem in Abzug gebracht werden. Der Anteil der Absorption
an der Sichttrübung, wobei auch an eine Verminderung des Horizontlichts zu denken ist, die u. U. die Schwä
chung des Streulichts zwischen Ziel und Auge kompensiert, ist sicherlich nicht immer belanglos, zumal dann
nicht, wenn an Stelle einer bloßen Sichtmessung eine mögliche Beziehung zwischen Kernzahl, -große und Sicht
weite ins Auge gefaßt werden soll, weil bei Eintritt von gegenseitiger Verdeckung der Kerne, wie sie z. B. bei
Inhomogenität bezüglich Art und Verteilung der Kerne innerhalb der Sehstrahlpyramide leicht denkbar ist,
Sicht und Kemzahl c. p. nicht mehr inversen Gang zu haben brauchen. Daß ferner Teilchen existieren, die z. B.
das Horizontlicht in stärkerem Maße absorbieren, als sie selber Luftlicht zu erzeugen imstande sind, geht aus
den Beobachtungen des Verfassers hervor, bei denen manchmal der unmittelbar dem Horizont aufhegende
Streifen des Himmels — also der Zielhintergrund — nicht unwesentlich dunkler erschien als der Himmel in
größerem Horizontabstand (vgl. Ähnliches bei G. Boijahn [5] S. 430 u.). Dadurch wurde bei der ersten
oberflächlichen Betrachtung des Landschaftsbildes der Eindruck starker Dunsttrübuns: erweckt, während die Be
stimmung der Sichtweite eine mittlere bis gute Sicht ergab.
In seiner Abhandlung über „die vertikale Verteilung der Kondensationskeme in der freien Atmosphäre“
definierte A. W i g a n d (68) als Betrag der „Abdeckung“ das Verhältnis der abgedeckten zur gesamten Ziel
fläche und setzte die Abdeckung gleich dem optischen Trübungsgrad der Luft und dessen reziproken Wert
gleich der Sicht. Die Annahme, daß ein entferntes Ziel durch Kondensationskerne in verschiedenem Grade „ab
gedeckt“ werde, sollte bei dunstigem, bedecktem Wetter ohne Sonnenschein erfüllt sein. Die Abdeckung sollte
im Gegensatz stehen zur „Aufhellung“ des Ziels durch das Luftlicht. Die mit rein geometrischen Begriffen defi
nierte „Abdeckung“ kann aber die Verhältnisse der Sichttrübung keinesfalls erfassen; denn einerseits ist bei der
Forderung von möglichst schwarzen Zielen ja kein nennenswertes Ziellicht vorhanden, das abgedeckt werden
könnte, es käme also höchstens eine Abdeckung des Horizontlichts in Frage, und in die Definition müßte „die
das Ziel in einem bestimmten Bereich umgebende Horizontfiäche“ an Stelle der „Zielfläche“ eingehen. Anderer
seits ist eine reine Abdeckung als Gegensatz zur Aufhellung überhaupt nicht denkbar, weil bei Vorhandensein
von abdeckenden Teilchen an diesen ja auch das Tageslicht mehr oder weniger zerstreut wird, so daß die Ab
deckung notwendigerweise mit einer Aufhellung verknüpft sein muß. Diese würde aber nicht wie die Ab
deckung proportional dem Kernquerschnitt zu setzen sein, sondern bekanntlich dem Quadrat des Kernvolumens.
A. Wigand selber hielt später nicht mehr an seiner ursprünglichen Annahme fest, sondern sah in der Auf
1 Siehe jeweils das entsprechende Werk im Literaturverzeichnis.
2 „Absorption“ hier im allgemein üblichen Sinne zu denken im Gegensatz zu der weiter oben definierten, bei dem das von
einem Teilchen diffundierte Licht durch davorliegende andere Teilchen verdeckt wird.