Käthe Ulrich: Die Morphologie des Roten Kliffs auf Sylt
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5. Abschnitt.
Das südliche Ende des Kliffs zeigt wenig ausgesprochene Formen. Hier treten die Dünen an den Kliffrand
heran, so daß das Kliff stellenweise mit abgestürztem Dünensand überschüttet ist. Der Kaolinsand liegt im Süden
höher als am nördlichen Kliffende. Daher zeigt hier auch die Farbe des Kliffs — ein helles Gelbgrau — die
größere Menge des Sandmaterials an.
Die humose Deckschicht über der Moräne und die hier im Süden außerdem in zusammenhängenden Flächen
vorhandene Heidsandüberdeckung lassen die obere Kliffkante stellenweise etwas Überhängen. Schwach ausgebil
dete Regenrillen beginnen 2 m unterhalb der Kliffkante und hören nach Süden erst dort auf, wo die Höhe des
Kliffs 2 m unterschreitet.
Niemals ist das Rote Kliff in einem solchen Zustand der Ruhe, daß seine Formen durch die genannten
5 Hangtypen erschöpfend beschrieben werden können.
Als die Beobachtung Ende 1934 einsetzte, hatten einerseits Sturmfluten Teile des Kliffs angegriffen und
andererseits häufige Niederschläge nicht nur die Rillenbildung verstärkt, sondern auch einzelne besonders tiefe
Rillen, die sich von oben her in den oberen Steilhang eingeschnitten hatten, bedeutend vertieft.
Derartig große, teilweise stark ausgeweitete Schluchtbildungen waren im Längsprofil durchaus unregel
mäßig verteilt. Ihre Entstehung ist bedingt durch kleine Unregelmäßigkeiten in der Kliffoberkante, die schwachen
Vertiefungen der Terrasse über dem Kliff entsprechen.
Drei verschiedene Formen solcher durchgehender Schluchten lassen sich unterscheiden als Stadien eines
einzigen am Kliff gleichförmig vorkommenden Schluchttypus.
a) Zuächst werden kleine Vertiefungen der Kliffoberkante oben ausgeweitet zu einer schüsselartigen Form, in
der sich das Wasser zum Abfluß in einer einzigen tiefen Rille sammelt.
b) Die Ausweitung der Rille ist gleichzeitig mit ihrer Vertiefung fortgeschritten. Außer der Ausweitung an
der Kliffoberkante hat sich in dem wasserundurchlässigsten Teil der Moräne eine Ausweitung im mittleren
Teil der Rinne gebildet. Durch die Weite im oberen Teil der Schlucht ist die durch die Rinne fließende
Wassermenge bedeutend vergrößert, so daß die Mündung häufig schon zu einer trichterartigen Öffnung aus
geweitet ist.
c) Der ganze obere Teil der Rinnen ist über der mittleren Ausweitung eingestürzt. Ein tiefer Trichter mit
steilen Wänden hat sich gebildet, und die untere Rinne ist weiterhin vertieft und an ihrer Mündung er
weitert (Bild 5).
Häufig kommt es vor, daß durch einen solchen Einsturz die Abflüsse zweier dicht nebeneinander liegender
Vertiefungen miteinander verbunden werden und in einem einzigen Trichter zusammenfließen, der dann ganz be
deutende Dimensionen (mehr als 10 m Weite) erreichen kann.
Solche alten, tiefen Trichter kamen gehäuft vor zwischen den Buhnen 31 und 32 und bei Buhne 25, außer
dem ein großer Trichter etwas nördlich von Buhne 36 und der mächtigste in der Mitte zwischen den Buhnen 34
und 35.
Zwischen den Buhnen 23 und 25 häuften sich die Schluchten mit erweitertem Mittelteil der Rinne oberhalb
des Kaolinsandhorizontes.
Außer tiefen, schluchtartigen Einschnitten kommen weiträumige Nischen vor, die häufig eine ganze Anzahl
kleinerer Nischen sammeln und durch Sporne voneinander getrennt sind. Sie sind ganz besonders charakteristisch
ausgebildet zwischen den Buhnen 33 und 34 (Bild 6). Hier tragen die Sporne jeweils gut ausgebildete „bad
lands“, während die zwischen ihnen liegenden Nischen stärker erfüllt sind von mehr braunem Lehm mit weniger
ausgeprägten Rillensystemen. Die Sporne haben fast alle einen im oberen Teil sehr gut ausgebildeten Grat, der
eine Ausgangslinie für die sich verzweigenden Rillen bildet. Etwa in halber Kliffhöhe ist sowohl in der Neigung
des Grats als auch in der Neigung der von ihm abgehenden Rillen eine deutliche Verstellung bemerkbar, die an der
nach Südwesten gerichteten Abfallseite so stark sein kann, daß dort häufig eine fast glatte Fläche entsteht. Die
meisten der Rillen brechen oberhalb der Verstellung ab und setzen sich erst weiter unten in dem flacher geneigten
Fuß des Kliffs fort. Die Verstellung erreicht stellenweise einen Neigungswinkel von 80° (meist 65° bis 75°).