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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 56. Band, Nr. 4
dilleren, die in regelmäßigen Abständen von den breiten und tiefen „Toren“ der Fjorde unterbrochen wer
den, liegen die sanfteren Uferhänge der „Isla Grande“ gegenüber, denen fast immer ein breiter Sand
strand vorgelagert ist. Ein solcher Ufersaum kommt stellenweise auch an der Festlandsküste vor, fehlt
aber in den Fjorden mit Ausnahme fluviatiler Deltabildungen. An Stelle der wenigen, tiefen Einschnitte
des Festlandes weist die Ostküste Chiloes zahlreiche Buchten geringerer Ausdehnung auf, die eine reiche
Küstengliederung bewirken.
Zwei verschiedene tektonische Richtungssysteme beherrschen dieses Gebiet:
1. Das meridionale, das in den untermeerischen Fortsetzungen des chilenischen Längstales und
weiter östlich in der von Steffen beschriebenen großen N—Slichen Taldepression hervortritt. Zu dieser
östlichen N—S-Depressionslinie gehört der innere Teil des Reloncavi-Fjordes und der nördlich angrenzende
Talzug bis zum mittleren Teil des Todos los Santos (33, I, S. 100). In der südlichen Verlängerung des
inneren Reloncavi-Fjordes liegt der Comau-Fjord, dessen Meridionalrichtung von dem Cholgo- und Horno-
piren-Kanal nach N bis zum 42° s. Br. fortgesetzt wird. Im S verbindet eine breite Talsenke über einen
niedrigen Sattelpaß hinweg das Ende des Comau-Fjordes mit dem nur etwa 5/4 km entfernten Nordzipfel
des Renihue-Fjordes, dem Estero Pillan. Von hier aus setzt das breite untere Tal des Rio Renihue die
NSliche Depressionsrichtung fort, die dann durch den Minchinmavida-Vulkan unterbrochen wird, sich
aber in dem gleichnamigen Flußtal sowie dem Yelclio-See wiederfindet, wo sie nach SO abbiegt. (33, I,
S. 298 und S. 275. Vgl. auch 33, I, Karte Nr. III.) Steffen nimmt eine einheitliche tektonische Entstehung
dieses Längstalzuges an, dessen Bruchränder vulkanische Ausbruchsstellen und Thermen aufzeigen, die, wie
am Reloncavi- so auch am Comau-Fjord, an mehreren Stellen auftreten. Aber auch die großen Vulkan
massive bringt Steffen mit der Entstehung dieses großen NSlichen Grabenbruches in Zusammenhang: „Es
lassen sich enge Beziehungen zwischen ihrem Auftreten und dem einer Haupttiefenlinie meridionaler
Richtung vermuten, . .. deren regelmäßiger Verlauf stellenweise durch die Zentren vulkanischer Tätig
keit . . . gestört zu werden scheint.“ (33, I, S. 30.) Die Bruchbildungen und damit die erste Anlage der
großen Täler müssen danach älter sein als die Vulkane (vgl. Abschnitt: Geologie d. vollst. Arbeit).
2. Außer der meridionalen Hauptrichtung läßt sich die NW—SOliche Richtung beobachten, die
das Ausgangsgebiet des Comau-Fjordes bildet und sich im Ancud-Golf im gleichen Sinne fortsetzt. Diese
Diagonalrichtung (Hb) scheint neben der N—S-Richtung eine der Hauptleitlinien im Gebiet des Inneren
Meeres von Chiloe zu sein, denn sie findet sich in gleicher Weise in den Tiefenbecken des Reloncavi-
Golfes, des nördlichen und südlichen Ancud-Golfes wie auch des nördlichen Corcovado-Golfes ausgeprägt.
Durch die Kreuzung der beiden Richtungssysteme erfolgt eine Gliederung der Golfe in einzelne
SO—NWlich orientierte Becken, die durch tiefe N—Sliche Rinnen untereinander verbunden sind und die
Mündungsgebiete der diluvialen Gletscher bildeten, die, aus den engen Fjordtälern kommend, sich in den
Becken der Golfe ausbreiteten und bei ihren weitesten Vorstößen die Ostküste Chiloes erreichten. Die
Tiefenbecken der Fjorde und Golfe, die ihrer Anlage nach präglazial (tektonisch) sind, wurden vom Eise
überarbeitet, während an der Gegenküste und auf den Inseln die Moränen zur Ablagerung gelangten. In
späterer Zeit bildeten sich in den einzelnen Becken der Golfe große Stauseen, bis dann das Eisfreiwerden
des südlichen Corcovado-Golfes sowie die postglaziale Senkung des Landes die Verbindung zum Meere her
stellten. Gleichzeitig wurden durch diese Senkung, die nach Brüggen (2, S. 26) mindestens 100 m betrug,
ein Teil der großen Trogtäler des Festlandes in Fjorde und die fluviatilen Rinnen des Moränengebietes in
Föhrden und Sunde umgewandelt.
2. Das Gebiet zwischen Corcovado- und Peñas-Golf.
Südlich des Corcovado-Golfes greift das Fjordgebiet auch auf die Inseln über und erreicht den
Außenrand der Küstenzone. Die großen NSlichen Längsstraßensysteme trennen das westliche Inselgebiet
von der Festlandsküste. Sie setzen die Richtung des chilenischen Längstales nach Süden fort, so daß man
auf einen genetischen Zusammenhang schließen kann. In die Festlandsküste östlich dieser Straßen greifen
einzelne größere Querfjorde ein, während das westliche Inselgebiet durch eine Unzahl von Fjordkanälen
verschiedener Breite und Richtung zerlegt wird.
Die Hauptdepressionslinie verläuft in N—Slicher Richtung und wird vom Moraleda-Kanal und
seinen südlichen Fortsetzungen, einem System von Zwillingskanälen gebildet. In diesen Kanalsystemen,
die sich durch größere Enge und steilwandige Ufer von den Golfen des Inneren Meeres von Chiloe unter
scheiden und im Gegensatz zu ihnen echte Fjordstraßen darstellen, setzt sich das chilenische Längstal