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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 56. Band, Nr. 4
II. Das südländische Fjordgebiet.
A. Allgemeiner Teil.
Vor Beginn der Spezialuntersuchungen soll zunächst die Gesamtgestalt der südchilenischen Fjord
küste betrachtet werden.
Die glatte geschlossene Westküste des südamerikanischen Kontinentes wird nördlich des 42° s. Br.
von dem Chacao-Kanal unterbrochen. Von hier an bis hinunter zur Südspitze des Kontinentalblockes be
steht die Küstenzone aus einem Netzwerk von zahllosen schmalen Kanälen und Buchten, die sich bis weit
ins Innere des Gebirges erstrecken und als untergetauchte Trogtäler die typischen Merkmale der Fjorde
zeigen. Im südlichen Teil des Gebietes (Ultima Esperanza, Skyring- und Otway Water) wird das Gebirge
von diesen Meeresarmen vollständig durchschnitten.
Die Magellanstraße trennt das westpatagonische von dem feuerländischen Fjordgebiet. Hier er
reichen die Wasserstraßen die atlantische Küste und stellen eine Verbindung der beiden Ozeane her; wo
bei aber die östlichen Abschnitte jenseits der Gebirgsmauer ihrer Natur nach von den echten Fjorden zu
unterscheiden sind.
Das Gebirge wird von den südlichen Fortsetzungen der Anden gebildet, die in ihrem Gesamtver
lauf N—Slich streichen und im Süden nach Westen abbiegen.
Auf Chiloe und den Chonos-Inseln bis zur Taytao-Halbinsel findet die chilenische Küstenkordillere
eine südliche Verlängerung. (9, S. 10; 18, S. 772 3 .) Ihre Höhe beträgt auf Chiloe weniger als 1000 m, auf
den Chonos-Inseln und der Halbinsel Taytao dagegen 1000—2000 m; während der Hauptkordillerenzug
2000—3000 m Durchschnittshöhe hat und in seinen höchsten Gipfeln bis zu 4000 m aufragt (Cerro San
Valentin 4060 m). Dabei sind aber die Gebirgszüge nicht kettenförmig angeordnet wie weiter nördlich,
sondern die ganze Gebirgszone wird durch breite und tiefe Trogtäler in einzelne große Blöcke zerlegt.
Zwischen 46°30' und 51°30' s. Br. wird das Innere des Gebirges von einer Eisdecke verhüllt, aus
der nur die höchsten Erhebungen hervorragen. Dieses „patagonische Inlandeis“ stellt einen Rest der
diluvialen Eiskappe dar und wird durch das tief einschneidende System des Bakerfjordes in ein nörd
liches und ein südliches Gebiet geteilt. Nach den Fjordenden wie auch nach den großen östlichen Rand
seen (Lago Buenos Aires, San Martin, Viedma, Argentino) fließen von diesen Eismassen aus große Tal
gletscher ab.
Die Hauptfjorde folgen als Längsstraßen der meridionalen Gesamtrichtung der Gebirgszone und bie
gen wie diese südlich des 53° s. Br. in die südöstliche und endlich in die östliche Richtung ein, ohne je
doch überall einen unmittelbaren Zusammenhang untereinander zu besitzen. Ein solcher Zusammenhang
läßt sich jedoch bis 46°40' s. Br. verfolgen, bis wohin das chilenische Längstal sich zunächst im Inneren
Meer von Chiloe und später im Moraleda-Kanal und Elephantes-Golf fortsetzt 4 .
Außer dieser Längsrichtung treten Quer- und Diagonalrichtungen auf, und zwar wiederholen sich
häufig die gleichen Richtungen mit einer solchen Regelmäßigkeit, daß Steffen (31, S. 141) im westpata-
gonischen Gebiet diese verschiedenen Richtungen zu zwei sich rechtwinklig kreuzenden Systemen zu
sammenfaßt:
ein annähernd N—Sliches System, gekreuzt von der 0 —W-Richtung (Richtungen Ia und Ib)
(vgl. Skizze 1)
und ein Diagonalsystem von SW—NOlicher und SO—NWlicher Richtung (Richtungen Ha und Hb).
3 Krüger (14, S. 8) lehnt allerdings einen Zusammenhang mit der Küstenkordillere für das Gebiet südlich von Chiloe ab.
4 Vgl. 19, S. 167; 24, S. 61 u.a.