Gerhard Isbary: Das Inselgebiet von Ameland bis Rotturaeroog
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zugunsten der Landwirtschaft verschieben. So setzt sich allmählich nach der Zwischenzeit der Seefahrerei, die vor
nehmlich ihren Ursprung in den Veränderungen des Inselgebietes im 17. und 18. Jahrhundert hatte, die für die
westfriesischen Inseln natürliche Wirtschaftsform wieder stärker durch.
Ergebnisse.
1. Die Dünenneubildung geht von Beginn an in der Form von Dünenketten vor sich.
2. Wasser, Wind und Vegetation in allen ihren Wirksamkeiten sind für die Bildung und das Wachstum einer
Dünenkette notwendig. Das Lagegebiet der neu entstehenden Kette entspricht einer Gleichgewichtszone dieser
wirksamen Kräfte. Solange sie gemeinsam am Aufbau der Dünenkette arbeiten, hat die Kette die Funktion
einer Außendüne. Wenn eine von ihnen ausscheidet, beginnt die Reifung, und das bedeutet fast immer die
Zerstörung der Dünenkette.
3. Die Dünenketten liegen von ihrer ersten Entstehung an fest. Sie wandern nicht mit der sich vielfältig ver
schiebenden Gleichgewichtszone der wirksamen Kräfte, deren eines Zeugnis sie nur sind, sondern werden
durch deren Verschiebung der gemeinsamen Bearbeitung der aufbauenden Kräfte entzogen, d. h. sie verlieren
die Funktion einer Außendüne. Mit ihrer zunehmenden Zerstörung beginnt lediglich ihr Material in den ver
schiedenen Formen sekundärer Dünen zu wandern.
4. Die gegenwärtige Entwicklung der Urdünenfelder zu eigenen kleinen Inselkernen und der Vordünenfelder zu
neuen Kettensystemen wiederholt die Entstehung der alten Inselkerne. An einer vom Wasser der Wattseite
begrenzten Basis entstand zuerst eine Binnendüne, der sich seewärts Dünenketten vorlagerten.
5. Die Bildung neuer Dünenketten des Inselkems geht im Ablauf einer Erweiterungstendenz des Inselkerns
über die Entwicklungsstufen der Vordünenfelder in der Form eines Erweiterungssystems vor sich. Sie wird
durch Veränderungen im Verhältnis der wirksamen Kräfte zu dem Inselkörper ausgelöst. Das Erweiterungs
system besteht aus mehreren, nahe voreinander liegenden Dünenketten und schließt gegen die Außendüne des
Inselkerns einen mehr oder weniger großen Teil ehemaliger Strandfläche ein.
6. Es lassen sich verschiedene Zeiten der Inselkernbildung nachweisen, die allen untersuchten Inseln gemeinsam
sind. Einer ältest erkennbaren Zeit der Binnendünenbildung, der eine Periode des Stillstandes oder Rückganges
folgt, schließt sich eine Zeit einer allseitig um die Binnendüne wirksam werdenden Erweiterungstendenz an, die
zur Bildung der muschelprofilförmigen Dünenkomplexe bzw. der Dünenhufeisen führt. In jüngerer Zeit
schließlich setzt mit der zunehmend wieder in Erscheinung tretenden Wanderung des gesamten Küstensaumes
eine stärkere Zerstörung, ja zuweilen eine gänzliche Auflösung der alten Dünenkomplexe ein, die aber zum
großen Teil durch den Aufbau neuer Erweiterungssysteme im 0 des Inselkerns wettgemacht wird.
7. Das Ergebnis der zeitlichen Einordnung der verschiedenen Stadien der Inselkernbildung legt das verhältnis
mäßig hohe Alter und somit den morphologischen Wert der Dünenketten und der von ihnen gebildeten
Dünenkomplexe dar. Es ist damit zu rechnen, daß auch auf einigen friesischen Inseln Dünenanlagen noch
heute vorhanden oder doch erkennbar sind, deren Alter tausend Jahre übersteigt.
8. Von besonderer Bedeutung für die Umrißveränderungen des Inselkörpers und des Inselkerns sind die auf
den Westköpfen der Inseln landenden Riffe, die in ziemlich gleichmäßigen Zeiträumen am Nordstrand der
Inseln entlangziehen. Sie üben weitgehenden Einfluß auf Strand und Dünenbildung der Inseln aus. Es konnte
an mehreren Beispielen nachgewiesen werden, daß dem Aufbau jeder Kette eines neuen Erweiterungssystems
die Landung eines Riffes vorausgehen muß.
9. Die Wirkung eines gelandeten Riffes auf eine Insel prägt sich in den rhythmischen Veränderungen ihrer
Umrisse aus. Diese Umrißveränderungen beeinflussen nicht die Ostwanderung des Inselkörpers, sondern
stellen nur die Anpassung des Inselkörpers an periodisch ablaufende Entwicklungen dar.
10. Obgleich die friesischen Inseln (außer Texel) allein vom Gezeitenmeer am Rande einer Flachlandsküste ge
schaffene Gebilde sind, müssen sie ehemals über die Zwischenzone der heutigen Watten eine engere Verbin
dung mit dem Festland gehabt haben. Die Zerstörung dieser Zwischenzone, bereits beginnend mit der Ent
stehung der großen Meereseinbrüche im Ablauf einer säkularen Senkung, steigerte sich, als nach dem Ab
schluß der Senkung die Ostwanderung des gesamten Küstensaumes wieder stärker in die Erscheinung trat.
Die Tiefs der alten Meeresbuchten wurden unter dem Einfluß der Gezeitenströmungen von den Meeres
buchten abgelöst und nach 0 abgedreht. Sie entwickelten sich dadurch zu selbständigen Stromsystemen, die
mehr und mehr die Zwischenzone aufschlossen und die in Ruhezeiten landwärts gewachsenen Inseln von der
Wattseite angriffen und aushöhlten.
11. Die Lage der untersuchten Inseln hat sich, solange wir sie verfolgen können, im Verhältnis zur Festlands
küste nicht verschoben. Noch heute wandern sie auf derselben Konkave vor der Festlandsküste nach 0, die
sich bereits in der Anlage der alten Binnendüne abzeichnet.
12. Eine bis in die Gegenwart reichende Senkung ist an den Formen der Inseln und des ganzen untersuchten
Küstensaumes nicht festzustellen.