Skip to main content

Full text: 56, 1936

Gerhard Isbary: Das Inselgebiet von Ameland bis Rottumeroog 
49 
zu einer eigenen Grietenei zu erheben. Damit begann Amelands politische Loslösung vom Festland und seine 
Entwicklung zu einem selbständigen Kleinstaat. Albrecht gab Ameland seinem Marschalk Aernt, Herren von 
Egmond und Ysselstein, als freie Herrlichkeit in Erblehen. Diese Belehnung, die von den Ameiandern nie an 
erkannt wurde, führte bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zu einer Doppelherrschaft, bei der die tatsächlich Regie 
renden die Macht, die anderen dagegen nur einen fragwürdigen Anspruch besaßen. 
Seit 1429 taucht als Wortführer der Amelander der Edelmann Ritske Jelmera auf, auf den der Bau des 
Amelander Schlosses zu Ballum 119 zurückgeführt wird. Nachkommen von ihm, dem Geschlecht der Cammingas, 
gelang es, sich sowohl auf der Insel selbst wie auch nach außen als Herren der Insel Anerkennung zu ver 
schaffen. Große Schwierigkeiten bereiteten die Wirren des niederländischen Freiheitskrieges der Erhaltung der 
politischen Selbständigkeit. 1598 und zu weiteren Malen 1600 und 1629 erhielt Ameland die von Spanien erbetene 
Anerkennung der Neutralität 120 , die jedoch von den General Staaten versagt wurde, da sie die Insel als holländi 
sches Gebiet betrachteten. 
Anfang des 17. Jahrhunderts war die „Anspruchsherrschaft“ in die Hände von Ernst Suhm, einem pommer- 
schen Offizier in niederländischen Diensten, gelangt, der vom Kaiser Ferdinand III. 1637 mit der Herrschaft 
Ameland belehnt wurde. Bis 1637 kämpfte er, zuletzt unterstützt von Exekutoren des Reiches, ohne Erfolg um 
den Besitz der Insel. Bei diesem Kampfe wurden die Cammingas heimlich vom Statthalter und den Staaten von 
Friesland und Holland unterstützt, die wohl schon in der Loslösung vom Reiche begriffen waren, aber noch nicht 
wagten, offen gegen Kaiser und Reich aufzutreten. Wieder ermöglichte die Politik der Balance der allseits um 
worbenen Insel die Erhaltung der Unabhängigkeit. 1654, im englisch-niederländischen Kriege, erwirkten die 
Cammingas von Cromwell, und 1665 vom englischen König Karl II. die Anerkennung der Neutralität. Von den 
Generalstaaten wurde dieser Schritt wieder sehr übel aufgenommen. 
Das letzte Kapitel des Kampfes um den Besitz der Insel verdient besonderes Interesse und eine eindringen 
dere Bearbeitung von historischer Seite. 1657 tritt Suhm, tiefverschuldet, sein vermeintliches Besitzrecht an 
Matthias Dogen ab, seinem eigentlichen Geldgeber, Rat und Agenten des Kurfürsten von Brandenburg in Amster 
dam. Kaiser Leopold I. belehnt am 17. Juni 1659 Dogen mit der Insel „met volmacht het leen weer over te 
dragen aan een vorst, Staat of privatpersoon, special den Keurvorst van Brandenburg 121 “. Damit werden die 
Hintergründe deutlicher: Der Große Kurfürst scheint bei seinen hochfliegenden Seefahrtsplänen versucht zu haben, 
auch auf Ameland, dessen Besitz in fremder Hand die niederländische Schiffahrt ernstlich bedrohen konnte, durch 
Mittelsmänner Fuß zu fassen. Die Generalstaaten, die dies wohl erkannten, setzten sich auf das entschiedenste für 
die Erhaltung der Amelander Unabhängigkeit ein und brachten die brandenburgischen Pläne zum Scheitern. Die 
Nachfolger der ausgestorbenen Cammingas verkauften 1704 die Erbherrlichkeit an Willem Friso, Prinzen von 
Oranien und Nassau, Erbstatthalter von Friesland. Dadurch wurde das Verhältnis zu den Niederlanden noch 
enger. Willem Frisos Nachkommen wurden 1795 im Gefolge, der französischen Revolution enteignet. 1801 wurde 
Ameland widerrechtlich in die Batavische Republik einverleibt, obgleich die politische Zugehörigkeit zum Reiche 
noch nicht gelöst war. Seitdem bildet es eine politische Gemeinde der Provinz Friesland. 
Schiermonnikoog taucht als „scira moncken each“ zuerst in einer Urkunde vom 6. November 1465 
auf, die der Abt des 1166 gegründeten Zisterzienserklosters Klaarkamp zu Rinsumageest (südwestl. von Dokkum) 
ausstellte. Die Insel war damals Besitz jenes Klosters. Nach der Säkularisation gelangte es in den Besitz der Staaten 
von Friesland, die 1638 die Insel aus Geldmangel an Johann Stachouwer, Herren zu Rijsbergen (südwestlich 
Breda/Nordbrabant) als eigene Herrlichkeit verkauften. Von dessen Nachkommen ging sie 1860 an einen Herrn 
Banck über. Bald danach kauften die Staaten von Friesland die Insel zurück, um wirksamen Schutz des Dünen 
gebietes leisten zu können. In jüngster Zeit haben sie den größten Teil, das gesamte Gebiet östlich des Bade 
weges, einem deutschen Grafen Bernstorff verpachtet, der ihn als Vogelschutzgebiet durch einen Rentmeister ver 
walten läßt. 
Die geographische Lage hat also bei Ameland, aber zum Teil auch bei der Herrlichkeit Schiermonnikoog, 
zu einer politischen Sonderung geführt. Das wichtigste Moment war dabei das Bestreben nach der Erhaltung der 
notwendigen wirtschaftlichen Sonderrechte des Handels und der Seefahrt. Die Entwicklung der wirtschaftlichen 
Struktur zu betrachten, ist für alle friesischen Inseln nicht ohne Reiz, wird sie doch hier, anders als auf dem 
Festland, eindeutiger von der natürlichen Entwicklung der Landschaft ausgelöst. Wie wir gesehen haben, waren 
die ältesten Dörfer Amelands und das älteste Dorf Schiermonnikoogs unregelmäßig angelegte Haufendörfer. Diese 
Dorfform ist aber nicht die Siedlungsart von Schiffern und Fischern, sondern die der Bauern des nordwestnieder 
deutschen Raumes. Besonders klar ist der Unterschied zwischen beiden Siedlungsweisen im Dorfe Hollum aus 
gebildet. Ausgesprochene von den Schiffern bestimmte Siedlungen gibt es auf Ameland und Schiermonnikoog erst 
seit dem 17. bzw. 18. Jahrhundert als Folge der Umstellung der Bevölkerung auf Seefahrt. Die Inselfriesen sind, 
jedenfalls die der westfriesischen Inseln, in erster Linie nicht ein Schiffervolk, sondern, wie die Friesen des Fest 
landes, ein Bauernvolk gewesen. Es gibt wohl ein friesisches Bauernhaus, aber keinen von ihnen entwickelten 
Schiffstyp — dazu fehlten als Voraussetzung die günstigen Häfen. Die Umwandlung der Bauern zu Schiffern 
119 Die Geschichte des Schlosses s. bei van Blom, Nr. 24. 
120 van Blom, Nr. 23. 
121 Nr. 55, S. 75.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.