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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 56. Band, Nr. 3
der NW-Linie sich erst einige Zeit später in den Veränderungen der HW-Linie und noch später in denen der
DF-Linie auswirkt, daß diese drei aber entwicklungsmäßig eng zusammengehören. Ein Wendepunkt von der Zu
nahme zur Abnahme liegt bei der NWL I—IIIAm etwa um 1893, bei der HWL I—IIIAm um 1894, bei dem DF
I—IIIAm um 1898. 1901 ist der gleiche Stand der Entwicklung bei der NWL IV—XXIIIAm, 1902 bei der HWL
IV—XXIIIAm, 1905 bei dem DF IV—XXIIIAm und 1912 bei der NWL XXIVAm, dem Ostpunkt Amelands an
gelangt. Die Bewegung verlangsamt sich also nach 0 zu.
Die im Kapitel IV, 1. näher zu beschreibende periodische Vor- und Rückentwicklung des Amelander
Ostflügels, die in der NWL XXIVAm-Kurve als östlichstem Bewegungsniederschlag Amelands und der
HWL XXV—XXVIIAm als SO-Ufer des Oerds zum Ausdruck kommt, ist auch in dieser Darstellung gut zu er
kennen. Je mehr der Ostflügel wächst, desto mehr schreitet die Abnahme bei den Pfählen XXVII—XXVAm fort,
oder vielmehr richtiger vor ihnen entlang, bis dann von der Wattseite die Wiederabtragung des Ostflügels beginnt;
dadurch tritt eine Beruhigung vor dem Oerdufer ein und die HWL verschiebt sich wieder seewärts. Trotz der
großen Schwankungsbreite in der Ausdehnung des Ostflügels, die bei der NWL bis zu 3 km und bei der HWL bis
zi! 1,5 km, einschließlich der außerordentlich vorgeschobenen Situation des Jahres 1934 sogar bei der HWL fast
auf 3 km stieg, darf von einem wirklichen Gewinn Amelands im 0 jetzt auf dem Höhepunkt der Entwicklung noch
nicht gesprochen werden. Die sich dem Oerdufer rasch nähernde Balge wird voraussichtlich einen großen Teil
des Gewinnes wieder zunichte machen. Es läßt sich demnach vorläufig noch nicht mit Gewißheit sagen, ob Ame
land, unverändert in seiner Lage, in seinem Umfang nur kleiner und Stück für Stück aufgelöst wird, oder ob es
in seiner Entwicklung so weit vorgeschritten ist, daß es langsam nach 0 sich zu verschieben beginnt.
Es vergehen demnach, verteilt auf eine Strecke von rund 23 km reinen Nordstrandes, von dem Herannahen
eines Riffes im NW Amelands, verbunden mit einem Landeinwärtsrücken erst der NWL, dann der HWL und
des DF I—IIIAm, seinem Anlanden, das zu einer Strandverbreiterung führt und die Dünen erneut seewärts Feld
gewinnen läßt, dem Ostwärtswandern des gelandeten Sandes, teils in den Brandungsrinnen des Vorstrandes, teils
im trockenen Zustand auf dem Strand selber, das ihn und die begleitenden Dünen an- und abschwellen läßt, bis
zur äußersten Ausdehnung der NWL XXIVAm des Ostflügels, durchschnittlich 18 Jahre; das entspricht aber dem
Umfang einer der eben festgestellten Sinuskurven.
Anders verläuft die Entwicklung vor Schiermonnikoog. Hier landen die Riffe nicht mehr auf der
nordwestlichen Stirn des heutigen Westkopfes, sondern weiter ostwärts etwa zwischen den Pfählen VI und VII auf
dem Nordstrand. Diese Stelle würde bei einem Unwirksamwerden der die Insel nach 0 schiebenden Kräfte einmal
die künftige Stirn des Westkopfes werden. Solange das nicht der Fall ist, rückt die Anlandungsstelle langsam
nach 0 und damit auch die ganze Insel. So wirkt sich die beginnende Zunahme des Nordstrandes V—XlVSch,
verursacht durch die Anlandung der Sandbank „de Kuipersbult“ zwischen den Pfählen VII—VI im Jahre 1896,
allmählich von Pfahl VII nach W, ebenso wie von Pfahl VII nach 0 vorschreitend, erst von 1899 an bei der NWL
I—IVSch, von 1904 bei der HWL I—IVSch und 1906 bei dem DF I—IVSch aus. Da die Riffe, von WNW kom
mend, in einem spitzen Winkel zum Nordstrand Schiermonnikoogs landen, fällt der mitgeführte Sand von O nach
W an, so daß bis über Pfahl IV hinaus der Insel neues Material zum Aufbau zugeführt wird. Vom Beginn der Riff
landung an bis zur endgültigen Vereinigung mit dem Strand nimmt der Nordstrand im Durchschnitt ab, wenn auch
vor den Pfählen VI und VII starke Zunahmen die Werte beeinflussen. Erst nach der Vereinigung beginnt die
diesem Riff zugehörende Zunahmeperiode 85 . Das Wasser des Gates zwischen Riff und Insel, das sich nach der
Rifflandung erst nach W, dann nach SW öffnet, fließt, ebenso auch auf Ameland, später naoh NO und O ab. Es
ist dies eine Folge der Einbeziehung des Riffes in den Inselkörper. Bei Flut sind große Teile des Riffes unter
Wasser gesetzt. Das Ebbwasser, das auf dem kürzesten Wege die See zu erreichen sucht, sammelt sich in der
Mulde, die noch lange nach der Riffanlandung als die Begrenzung des älteren Strandes zu erkennen ist und nimmt
eine nordöstliche Richtung, etwa parallel dem älteren Strand, ein.
Auf dem Ostflüigel ist der gleiche Stand der Entwicklung bei der NWL und HWL XlVaSch gleichzeitig an
gelangt. Sie braucht also 3—4 Jahre, bis sie sich am heutigen Westkopf, 5—9 Jahre, bis sie sich am äußersten Teil
des Ostflügels bemerkbar macht. Das sind, auf die Verhältnisse Amelands übertragen, durchschnittlich 10—11
Jahre für den rund 14 km langen reinen Nordstrand Schiermonnikoogs, eine Geschwindigkeit, die der auf Ameland
festgestellten entspricht. Weiterhin fallen die größeren Schwankungen der Zu- und Abnahmeperioden der NWL
und HWL V—XlVSch (zwischen 8 und 12 Jahren) und des DF V—XlVSch (zwischen 5 und 9 Jahren) auf. Es
kommt in diesen Schwankungen die Ostwärtswanderung Schiermonnikoogs zum Ausdruck, das Nordostdrängen der
östlichen Nordstrandhälfte und für die Linie des DF besonders der Aufbau neuer Dünensysteme auf bisher kahlem
Strand des Ostflügels im Laufe der letzten 60 Jahre (vgl. Kapitel II, 2).
Auf der Boschplaat wurden erst 1898 zwei, auf der Rottumerplaat drei und auf Rottumeroog sechs
Hauptpfähle im Abstand von 500 m gesetzt. Die Vermessungen, die dort vorgenommen wurden, sind für unsere
Untersuchung nicht auswertbar, da die schnelle Ostwärtswanderung der drei „Inseln“ ein oftmaliges Versetzen der
Messungspfähle oder ihre Ergänzung durch Hilfspfähle notwendig machte. Daneben gingen auch einzelne Pfähle
verloren, so daß oft die Messungsreihen nicht vollzählig oder auch nur einheitlich mit dem vorhergehenden Jahre
85 Über den Ablauf der jüngsten Rifflandung vgl. Moerman, Nr. 74, S. 273.