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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 56. Band, Nr. 3
Zustand erhalten bleiben, sind mit einem Gestrüpp des Sanddorns überzogen. Die gleichmäßig flachen Teile
der ehemaligen Strandfläche, soweit sie unvermischt mit kleiigen Bestandteilen sind, werden, wie van D i e r e n 23
für Terschelling mitteilte, auch auf Ameland und Schiermonnikoog nach einer Initialphase von Heleocharis diverse
Juncaceae anfänglich vermischt mit Tausendgüldenkraut (Erythraea litoralis Fries), Bunge (Samolus valerandi
L.), später mit Sumpfherzblatt (Parnassia palustris L.), Knabenkraut (Orchis incarnatus L.) und Großem Winter
grün (Pirola rotundifolia L.) vermischt, von einem Rasen der Schwarzen Kopfsimse (Schoenus nigricans L.)
eingenommen. Die tiefsten Teile endlich werden, wie oben beschrieben, hauptsächlich von Schilf, Binsen, Rohr
kolben, Kriechweide und Seggen besetzt.
Zuerst seien die Vordünenfelder Amelands besprochen. Die künstliche Schaffung des Sand
deiches, der die Nesser Dünenmuschel mit dem Oerd verband, folgte einer Erweiterungstendenz beider Dünen
komplexe, die sich jedoch bei der großen Breite der zwischen ihnen liegenden Strandfläche (an der Stelle des
Sanddeiches rund 3,5 km) und angesichts häufiger Überflutungen nicht in einem natürlichen Abschluß auswirken
konnte. Kaum daß der Sanddeich eine genügende Höhe erreicht hatte, begann noch vor der Jahrhundertwende
der natürliche Aufbau einer neuen Dünenkette dicht vor dem Sanddeich, die etwa die gleiche Höhe wie der Sand
deich erreichte und von ihm nur durch eine Hochdelle getrennt war (Karte 17, T. 4). 1910 23 24 begann sich ein
neues Vordünenfeld zu bilden, das sich vor dem Sanddeich wieder dicht an die Außendüne legte, darüber hinaus
aber die ganze Dünenmuschel des Oerd, von einer breiten Delle getrennt, in einem nach N leicht durchgeschwun
genen Bogen umschloß, der den Bogen der alten Oerder Außendüne ausgleichend und mildernd wiederholte.
1916 lief bei Sturmflut noch Wasser in die Delle, konnte aber nicht mehr den Ansatz des Sanddeiches an der
Oerder Dünenmuschel durchbrechen. Die an Vorsprüngen und Einbuchtungen reiche, von einigen Gaten aus
der Vordünenzeit noch heute durchbrochene Gestalt dieser Außendüne findet ihre Erklärung in dem überstürzten
Ablauf der ausgelösten Entwicklungstendenz: Etwa seit dem Jahre 1928 hat in einem dritten Vordünenfeld
die Bildung einer neuen Dünenkette begonnen. Seine Wurzel setzt an dem Vorsprung der Außendüne südwest
lich Pfahl XIX an; von hier aus schwingt es in einem leichten Bogen bis zum Ostflügel der Oerder Altdünen.
Die Oerder Dünenmuschel war von dem Sanddeic.h gerade in ihrem Scheitelpunkt getroffen worden. Hatte
der vor dem Oerd sich bildende Teil der letzten Dünenkette, der dort wurzelte, wo Sanddeich und Oerder Dünen
muschel zusammentrafen, noch die Tendenz, den Scheitelpunkt im Rahmen der alten Dünenmuschel durch Vor
verlegung gegenüber dem Sanddeich wieder wirksam werden zu lassen, so zeigt die Anlage des Vordünenfeldes,
daß der Scheitelpunkt sich nun vom Oerd gelöst hat, und, soweit es die Breite des Strandes zuläßt, bestrebt ist, den
Sanddeich und, theoretisch wenigstens, die beiden westlichen Dünenmuscheln von 0 her zu einer neuen großen
Dünenmuschel zusammenzufassen. Praktisch würde es nur gelingen, wenn die Insel sich nach N ausdehnte, und
der Nordstrand dadurch entsprechend verbreitert würde.
Dieses Beispiel ist besonders lehrreich, zeigt es doch, wie ein glücklicher Eingriff des Menschen vorhan
dene, aber durch Gegenkräfte gehemmte Tendenzen zum Aufbau neuer Dünenketten auslösen kann. Den davon
betroffenen Inselkemen wird dadurch eine völlig neue Form gegeben, die aber im Rahmen vorhanden gewesener
Aufbaumöglichkeiten liegen mußte. Denn ist dies nicht der Fall, so muß jeder menschliche Eingriff in
den Aufbau von Dünenketten von vornherein zum Scheitern verurteilt sein. Sich über die gegebenen Aufbau
möglichkeiten vorher Klarheit zu verschaffen, wird immer die Aufgabe vor der Dünenbauplanung bleiben.
1933 besuchte ich das Gebiet zuerst und beobachtete es über einen Zeitraum von mehreren Wochen. Das
Vordünenfeld war aus einer Reihe großer Schilde zusammengesetzt, die von ungefähr senkrecht zum Strande ver
laufenden Gaten getrennt wurden. Die südliche Hälfte der Schilde war von einer 100—120 m breiten Helmdünen
zone eingenommen, die sich durchschnittlich 1,5—2 m über dem Rinnenboden, vereinzelt sogar bis zu 3 m er
hoben. Sie waren von der Rinnenseite aus nur wenig geformt und deshalb nach dieser Seite hin stark aufgelöst.
Südwärts kam nach der unruhigen Aufschüttungszone dichter Andelrasen in etwa 10 m Breite; ihm folgte ein
breiteres Gebiet mit dünnstehendem Queller. Der tiefste Teil war von einem schlüpfrigen Algen- und Diatomeen
rasen bedeckt. Die verschiedenen Zonen hängen von der verschiedenen Häufigkeit der Überflutung ab. Der Boden
wies überall schlickige Bestandteile auf. Seewärts war den Helmdünen eine etwa ebenso breite, dicht mit Triticum
bestandene, gleichförmig flache Zone vorgelagert, die von ihm klar abgesetzt war und etwa 0,5—0,75 m tiefer
lag. Es folgte eine wenig ausgeprägte vor- und zurückspringende Rinne, vor der wieder ein von W—0 schmäler
werdendes, durchschnittlich 60 m breites und bis zu 0,5 m hohes Sanddünenfeld lag, in das eben Triticum in
losem Verband einzudringen begann. Deutlich war zu beobachten, wie die ersten Triticumvorposten sich von der
Leeseite her vorarbeiteten: ein Beweis, daß die Bildung der Sanddünen dem Eindringen des Triticum voranging.
Ungefähr südlich Pfahl XXI nahm das Ammophilion auf den niedriger werdenden Dünen schnell an Geschlossen
heit ab und hörte schließlich ganz auf. Von der Krümmung des Vordünenfeldes nach OSO ab war nur noch
Triticum vorhanden.
In der Brutzeit heben sich die einzelnen Stadien des Vordünenfeldes durch die verschiedene Vogelwelt,
die sie als Brutplätze wählt, gut voneinander ab. Die flachen, nur dünn mit Triticum besetzten Sanddünen
bergen auf Ameland vor allem die Nester des Kleinen Stern (Sterna minuta L.), die eigentlichen Triticumdünen
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24 Nach mündlicher Mitteilung des Dünenaufsehers Gouma, Nes, Ameland.