Walter Hansen: Die Strömungen im Barents-Meer im Sommer 192? auf Grund der Diditeverteilung. 15
und seine Berechnungen stimmen gut mit den Strommessungen Pillsburys überein. Im Barents-Meer fehlt
uns eine ausgeprägte Nullschicht, nur an einzelnen Stellen darf man in verschiedener Richtung übereinander
strömendes Wasser vermuten, so z. B. über der Hoffnungsinselsenke, wo unter dem atlantischen Wasser
Bodenwasser nach Westen vordringt, wie aus der niedrigeren Temperatur am Grund zu erkennen ist; der
dynamische Einfluß dieser Schicht ist aber nur gering. Es muß bemerkt werden, daß mit der Auffindung
einer solchen Nullschicht nicht etwa die oben angegebenen hydrodynamischen Schwierigkeiten, die an der
Begrenzung der Flüssigkeit auftraten, behoben sind, wahrscheinlich werden die Verhältnisse hier noch
komplizierter liegen. Dieses ist insofern von Interesse, weil man sieht, daß in der Meereskunde recht rohe
Annahmen zu guten Ergebnissen führen können. Mit solchen rohen Annahmen müssen wir uns auch in
unserem Fall begnügen, wenn wir etwas über den Absolutwert der Geschwindigkeit aussagen wollen; man
begeht wahrscheinlich den kleinsten Fehler, wenn man voraussetjt, daß die Bewegung am Boden Null ist,
zumal die Isopyknen hier im allgemeinen nicht sehr steil verlaufen, so daß die Anzahl der Selenoide
gering ist.
Oben wurde schon gesagt, daß zu der Voraussetjung, daß das Wasser am Grund in Ruhe ist, eine ganz
bestimmte Neigung der Meeresoberflädie gehört. Wir haben aber bei der Frage nach stationären Verhält
nissen gesehen, daß die Diditeverteilung in der bis 50 m Tiefe reichenden Oberschicht nicht unbeträcht
lichen zeitlichen Schwankungen unterworfen ist. Unter diesen Umständen müßte man fortwährende Schwan
kungen der Meeresoberfläche annehmeu, die die Dichteänderungen kompensieren, damit die Gesdiwindigkeit
am Boden dauernd Null ist. Durch meteorologische Einflüsse können die Verhältnisse nodi weiter kompli
ziert werden. Wir denken uns deshalb im Barents-Meer die obere 50 m mächtige Deckschicht entfernt und
betrachten nur das Tiefenwasser, die Begrenzung dieses Tiefenwassers sei so gestaltet, daß das Wasser am
Grund in Ruhe ist. Welchen Einfluß die Oberschicht auf die Geschwindigkeitsverteilung haben kann, soll
erst später untersucht werden (vgl. S. 31), es sei aber schon hier mitgeteilt, daß die Ergebnisse nicht sehr
wesentlich geändert werden.
2. Kapitel.
Die Geschwindigkeitsverteilung in meridionalen Schnitten auf 19°, 26°, 30°,
337*° und 38° östlicher Länge.
§ 1. Über die Veranschaulichung der Geschwindigkeitsverteilung in Vertikalschnitten.
Nach den Ergebnissen des 1. Kapitels werden wir, um noch einmal kurz zu wiederholen, folgender
maßen verfahren. Wir betraditen nur die Bewegungen des Tiefenwassers, ohne auf die bis 50 m Tiefe
reichende Oberschicht einzugehen. Dann berechnen wir die West-Ostkomponenten der Geschwindigkeit
(vgl. Tabelle 1), nach der früher eingehend besprochenen Formel von Sandström und Heiland-Hansen, wo
bei vorausgesetjt wird, daß die Geschwindigkeit am Boden des Meeres verschwindet. Die Nord-Südkom
ponenten der Geschwindigkeiten sind nicht berechnet worden, und zwar aus folgenden Gründen nicht.
Erstens ist die vermutete Wasserbewegung im westlichen Barents-Meer im großen ganzen breitenparallel
gerichtet, so daß die meridionalen Geschwindigkeitskomponenten nur gering sein dürften. Zweitens sind
sowohl die zeitlichen als auch die räumlichen Abstände der auf gleicher Breite liegenden Stationen sehr
viel größer als bei den auf gleicher Länge liegen Stationen, so daß hier die Feinheiten in der Geschwin
digkeitsverteilung der Nord-Südkomponenten von den zeitlichen Schwankungen der hydrographischen
Elemente vollkommen überdeckt werden können. Drittens werden die im 3. Kapitel zu behandelnden
Horizontalschnitte über die Geschwindigkeitsfelder in den verschiedenen Niveaus Aufschluß geben. Aus
diesen Gründen wollen wir auf die Darstellung der Nord-Südkomponenten verzichten.
Die Ergebnisse der Berechnung sind niedergelegt in Tabelle 1, und zwar sind die Werte positiv, wenn
der Strom vom Westen nach Osten fließt, negativ, wenn wir Westströmung haben. Um die Ergebnisse
besser zu veranschaulichen, wollen wir auch noch zwei zeichnerische Darstellungen geben. Die gebräuch
lichste Methode ist in der Meereskunde die Konstruktion der Linien gleichen Betrages der Geschwindigkeit.