Dr. Erich Goedecke: Der Kalkgehalt im Obcr'lächen wasser der Unterelbe und Deutschen Bucht
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Wenn sich demnach in der Unterelbe und besonders in der Norderelbe bei Hamburg wahrscheinlich
infolge der durch Abwässeranhäufung bedingten starken Nahrungszufuhr ein so starkes organisches Leben
entwickeln kann, muß auf der anderen Seite durch äußere Einflüsse bedingt auch ein starkes Sterben organischen
Lebens zu bestimmten Zeiten einsetzen. Daß diese Vermutung, „wo viel Leben, ist auch viel Sterben“, zu Recht
besteht, hat schon Volk angedeutet, indem er von einer Periodizität des Elbplanktons spricht. Diese Periode
spiegelt sich auch in den verschieden für AA, K _ f) gefundenen Zahlen wieder. Die Schwankungen der AA bewegen
sich zwischen
0.221
und 0,050 mäquiv/L bei Geesthacht
0.130
„ 0,065
, bei Bunthaus
0,171
„ 0,061
, in der Norderelbe
0,38033
„ 0.060
im Hafengebiet (Norder -und Süderelbe usw.)
0.200
0,050
in der Unterelbe 33 34
Eis ist bekannt, daß der Kreislauf des organischen Lebens (Stoffwechsel) im Wasser jahreszeitlichen Ein
flüssen unterliegt. Die Produktion an Lebervesen ist in der kälteren und lichtärmeren Jahreszeit (November bis
Januar) am geringsten und in den an Licht und Wärme reicheren Frühjahrs- und Sommermonaten am stärksten.
Volk (siehe 1907) hat an den Eurytemoren der Unterelbe ein Frühlings- und Herbst-, bei den Bosminen der
Hafenbecken ein Frühsommer- und Herbstmaximum festgestellt. Voraussetzung;hierfür ist, daß auch die Verhält
nisse beim Phytoplankton wie bekannt ähnlich liegen, so daß ihre Maxima zusammenfallen und sich gegenseitig
bedingen.
Die Wechselbeziehungen zwischen dem Kalkgehalt des Elbwassers und der Planktonzehrung oder -autolyse
ist wahrscheinlich daraus zu entnehmen, daß wir im Oberflächenwasser der Oberelbe innerhalb eines Jahres eine
maximale Schwankung im Kalkgehalt von 0,5 bis 0,7 mäquiv/L festgestellt haben. Außerdem ist uns bekannt, daß
im Frühjahr und Sommer ein Minimum im Kalkgehalt, das einem Maximum in der Planktonbevölkerung entspricht,
und umgekehrt, daß im Herbst und Winter ein Maximum von gelöstem Kalk bei nur etwas erhöhtem Gesamt
kalkgehalt gegenüber den Frühjahrs werten vorhanden ist, das die minimale Größe der Planktonbevölkerung (oder
der Menge suspendierten Kalkes) wiedergibt. Es darf nun keineswegs übersehen werden, daß zu diesen wechsel
seitigen Kalkgehaltsänderungen äußere Einflüsse wie Regen, Verdunstung, Eisbildung und Zufuhr von kalkhaltigem
Trümmermaterial durch kohlensäurehaltige Gewässer mit berücksichtigt und bei Erklärung von in der Elbe auf
tretenden Erscheinungen mit herangezogen werden müssen. In diesen jahreszeitlich bedingten Schwankungen
im Kalkgehalt treten Erscheinungen auf, die das organische Leben und damit auch dessen Wechselwirkung auf
den Wasserkörper vermindern und vermehren können. Dies zeigt sich in der Kalkgehaltsverteilung in Figur 1, wo
das Sommerminimum an Kalk des Jahres 1933 um rund 0,3 mäquiv/L höher liegt als das entsprechende des
vorhergehenden Jahres.
Betrachten wir die mittlere jährliche Kalkgehaltsverteilung im Gebiet von Geesthacht bis Hollerwettern,
so ergibt sich folgende schematische Darstellung der mittleren Gesamt- und Kalkgehaltsverteilung (siehe Figur 5).
Beide Kurven laufen annähernd parallel. Die Kalkgehaltsverteilung (2 CaC0 3 - und CaC0 3 -Gehalt zusammen
betrachtet) ist auf der Strecke Geesthacht Bunthaus annähernd gleichmäßig. Die Werte bewegen sich um 1,960
bzw. 1,875 mäquiv/L. Schon oberhalb von Bunthaus tritt allmählich eine Abnahme beider Kalkgehalte ein, die
im Bereich Bunthaus—Hamburg sehr schnell vor sich geht. Die Werte sinken bis auf 1,800 bzw. 1,700. Unterhalb
von Hamburg nimmt der Kalkgehalt wieder langsam zu und erreicht bei Hollerwettern die Anfangswerte. In
der Mitte der Kurve, im Gebiet der Norderelbe, ist das durch das Vorhandensein von ungeheuren Mengen an Orga
nismen (Copepoden) geschaffene Gebiet der biogenen Entkalkung im Oberflächenwasser. Dieses Minimumgebiet ist
als stationär anzusehen, da es zu allen Jahreszeiten auftritt. Im Frühjahr und im Sommer ist es stärker ausgeprägt
als im Herbst und Winter. Überraschend ist, daß das Minimum auch in der Gesamtkalkgehaltskurve auftritt. Dies
ist wahrscheinlich so zu erklären, daß nicht eine, sondern mehrere Generationen von kalkschaligen Planktonten
an der Ausbildung dieses Minimums beteiligt sind, wobei die älteren Generationen entweder durch Absterben oder
gewaltsamen Eingriff (als Fischnahrung) dem Wasser entzogen werden, und daß die Zufuhr kalkhaltigen Materials
von oberhalb nicht imstande ist, dieses Minimum aufzuheben.
Zusammenfassend muß noch einmal gesagt werden, daß diese Kalkgehaltsverteilung als das jeweilige
Gleichgewicht anzusehen ist, das sich aus den hydrographischen und biologischen Wechselwirkungen herausbildet.
2. Die Kalkgehaltsverteilung in der Elbmündung
Ab Hollerwettern und im Sommer auch schon ab Glückstadt beginnt ein sehr abwechslungsreiches Gebiet,
das sich weit hinein in die Deutsche Bucht erstreckt. In diesem Mischgebiet werden durch das Aufeinander
treffen von Fluß- und Salzwasser eigenartige hydrographische Verhältnisse geschaffen. Bei Betrachtung des Kalk
gehaltes ist hier der Kalkgehalt zum Gesamtsalzgehalt in Beziehung zu setzen. Bevor wir aber die Beziehungen
zwischen A und S näher untersuchen, ist es zweckmäßig, die geographische Verteilung der absoluten Kalk
33 Nicht garantiert; aber bestimmt größer als 0,300 mäquiv/L.
34 Noch nicht annähernd genau anzugehen.