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Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhähnisse des Bottnischen Meerbusens
Hellström (Fennia 33 und 38) hat den Einfluß von Temperatur und Windverhältnissen auf die Vereisung
untersucht. Er kam u. a. zu dem Ergebnis, daß folgende vier Phasen bei der Vereisung der Bottensee zu unter
scheiden sind: 1. Im Frühwinter bildet sich über der Bottensee infolge des Wärmeüberschusses des Wassers ein
schwaches Minimum, das Landwinde an den Küsten bedingt, eine Beeisung ist während dieser Zeit noch nicht
wahrscheinlich; 2. im Hochwinter herrschen wechselnde Winde, beide Küsten vereisen, eine Depression über der
Bottensee ist nicht mehr erkennbar, die Wassertemperatur liegt tiefer; 3. im Frühjahr herrschen, zunächst noch
kalte Winde von Osten, die das finnische Küsteneis aufbrechen und die Bottensee mit Treibeis füllen; 4. später
im Frühjahr sind die Küsten durch den Schmelzprozeß völlig eisfrei geworden, aber im Meere treiben noch
Treibeismassen umher, die ebenfalls jetzt von der Wärme angegriffen werden.
Im Frühjahr ist namentlich der flache Teil der Bottensee (11b) sehr ungünstig gestellt, da dort infolge öst
licher Winde sich das Eis sammelt (Abb. 34). Die schwedischen Küstenstationen melden öfters Eisfreiheit,
während weiter draußen Packeis vorhanden ist, das gelegentlich auch auf flachen Gründen aufsitzt. Charakte
ristisch für diese Lage ist z. B. der Bericht vom Jahre 1908/09 (Ann. 1909, S. 385 ff.): „Am 16. Mai kam die
Nachricht über Gävle, kolossale Eismassen füllten den ganzen südlichen Teil des Bottnischen Meerbusens, und
stellenweise hätten sich dieselben zu hohen Eisbergen zusammengeschoben; bei dem 40 sm von Gävle entfernten
Simgrunde lägen die Eisschollen haushoch übereinander getürmt ...“
Der tiefere Teil der Bottensee (11a) ist demnach hinsichtlich der Eisverhältnisse sehr viel günstiger ge
stellt (Abb. 33 und 34). Im Winter kommt es dort wegen der großen Tiefe nicht zu nennenswerter selbständiger
Eisbildung, da die Konvektion noch zu lebhaft ist. Die Eisbedeckung rührt in der Hauptsache von abgerissenem
Küsteneis her, das ins offene Meer treibt. Dieser Teil der Bottensee dürfte meistens nicht völlig zufrieren. Sehr
selten kommt die Meldung, die ganze Bottensee sei zugefroren, wie dies 1915/16 der Fall zu sein schien (Ann.
1916, S. 519 ff.). Heftige SW-Winde schieben das Meereis nach Osten und füllen somit die tieferen Teile der
Bottensee. Die Eislage bei solchen Wetterverhältnissen entspricht dann nicht dem durchschnittlichen Verhalten
(vgl. Abb. 39). Namentlich im Januar sollen nach Hellström derartige Eislagen möglich sein, da in diesem Monat
die Häufigkeit südwestlicher Luftsrömungen relativ groß ist und andererseits bereits genügend Eis gebildet ist.
Im Frühjahr enteist die tiefe Bottensee relativ früh; an der schwedischen Seite, am Rande des Schärengürtels
bilden sich dann große Packeiswälle.
Auf der Karte der Eisgebiete (vgl. Abb. 35) wurde die Trennung der offenen Bottensee in zwei Eisgebiete
wesentlich nach den Tiefenverhältnissen vorgenommen, obwohl die Windverhältnisse ebenso wichtig sind, die aber
eine jahreszeitlich wechselnde Aufteilung in verschiedene Eisgebiete bedingen würden. Granquist (Havsforsknings-
inst. Skr. 37) scheint den Tiefenverhältnissen ebenfalls eine entscheidende Rolle zuzuschreiben. Er vergleicht die
Bottensee mit dem Finnischen Meerbusen und stellt fest, daß in ersterer trotz des besseren Abschlusses gegen die
Ostsee wegen der größeren Tiefe langsamere Eisbildung stattfände.
Es ist, nach den wenigen Eisbeobachtungen der offenen Bottensee zu schließen, jedenfalls nicht wahrschein
lich, daß die Isokryonen von den Küsten aus völlig konzentrisch verliefen und in der Mitte ein Gebiet meist
offenen Wassers freiließen. Die Windrichtung bestimmt meistens, wo sich das eisfreie Gebiet befindet, da das
Meereis in der Bottensee weit mehr Spielraum zum Hin- und Hertreiben hat als in der Bottenwiek. Man kann
demnach z. B. folgenden Schluß ziehen: wenn bei Ostwinden sich im Osten eine Spalte bildet, das losgerissene
Meereis aber trotzdem nicht weit meerwärts driftet, ist die Bottensee schon weitgehend mit Eis gefüllt, das einem
Hinaustreiben Widerstand entgegensetzt. Dies nimmt Granquist an, wenn er von der Eislage vom 13. Febr. 1915
schreibt (Havsforskningsinst. Skr. 37, 20/21): „I Bottenhavet har pä grund av vindar med ostlig komponent
havsisen . . . räkat i rörelse frän kusten utät, sä att en havsräk bildats. Därav, att havsisen höll sig inom syn-
häll, kan slutas tili, att i havet rätt avsevärda mängder is funnos.“
Ein völliges Zufrieren wird durch die Ausbildung einer Eisbrücke über das Älandsmeer sehr begünstigt.
1915/16 bestand eine solche Eisverbindung vom 21. II. bis 7. IV., unter diesem Umstande fror das an einer Ab
drift verhinderte Meereis der Bottensee zusammen; es bildete sich damit eine Eisdecke, die der Eisdecke in der
Bottenwiek gleicht.
Im Frühjahr erhält die Bottensee, in der Hauptsache die flachere schwedische Hälfte, Eis zugeführt, das
von der finnischen Küste, von dem östlichen Meeresteil, von der Bottenwiek und von der schwedischen Küste
stammt (Abb. 34). Es kommt sogar vor, daß sich auf See noch länger Treibeis zeigt als in der Bottenwiek, wenn
gleich diese Fälle sehr selten sind. Zum Beispiel war die Schiffahrt in dem erwähnten strengen Winter 1915/16
noch im Mai in der Bottensee für Dampfer erschwert, während die Bottenwiek bereits enteist war. — Im Winter
1922/23, als das Älandsmeer nur etwa einen Monat von Eis bedeckt war, war die Bottensee nicht völlig zu
gefroren.
Daß die Bottensee in der Regel zeitiger eisfrei ist als die Bottenwiek, hat seine Ursachen in der größeren
Tiefe und den freieren Zugängen im Süden.
Joeden (1918) gibt als mittleren Termin für den Beginn der Vereisung den 1. November (ebenso wie
für die Bottenwiek) und für den Schluß den 1. Mai an. Diese Daten kann man nicht allgemein für das Gebiet
gelten lassen. Wenn z. B. die Leuchtfeuer von Lilljungfrun und Eggegrund im November noch gar keine Eis
wahrscheinlichkeit aufweisen, obwohl sie noch am Rande des Schärengürtels liegen, dann kann man für die
eigentliche Bottensee erst recht noch keine Eisbildung zu dieser Zeit erwarten. Wenn ferner die mittlere Vereisung