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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 55. Band, Nr. 3
10. Nordkvarken.
Die Eisverhältnisse des Nordkvark zeichnen sich durch das Vorherrschen von Treib- und Packeis aus. Nur
selten bildet sich eine Festeisdecke aus, die von Schweden gleichmäßig bis Finnland hinüberreicht. Damit soll
aber nicht gesagt sein, daß der Kvark selten zufriert. Vielmehr findet sich in normalen Eisjahren regelmäßig eine
Eisbrücke zwischen dem schwedischen und dem finnischen Festeissaum; sie besteht aber in der großen Mehrzahl
der Fälle aus zusammengefrorenem Packeis oder Treibeis, ähnelt also meist dem Meereis, das die Bottenwiek
bedeckt.
Im allgemeinen zeigt also der Nordkvark Eisverhältnisse, wie sie für die offene Bottenwiek charakteristisch
sind. Dementsprechend kann das Festwerden im Hochwinter zu beliebiger Zeit geschehen und unterbrochen wer
den, je nach Windrichtung und -stärke. Natürlich ist Voraussetzung, daß der Küsteneissaum auf beiden Seiten
ausgebildet ist, daß die Bottenwiek bereits von beweglichem Meereis bedeckt ist, und daß ausreichende Kälte
herrscht, die die beweglichen Eismassen zusammenfrieren läßt {vgl. Abb. 39).
Als frühester Zeitpunkt des Festwerdens des Kvark ist wohl Mitte Dezember anzunehmen, normalerweise
früher als auf der offenen Bottenwiek. Die Bottenwiek friert vielmehr leichter fest, wenn der Nordkvark ge
schlossen ist, so daß also hier eine wechselseitige Beziehung anzunehmen ist: Das Meereis der Bottenwiek liefert
das Treibeis für die Verstopfung und Festwerdung des Nordkvark, und das Festwerden des Nordkvark seinerseits
bedingt ein Stagnieren des Meereises in der Bottenwiek, so daß dort das Meereis zusammenfrieren kann. Dies
war im Winter 1915/16 ausgeprägt der Fall, wie Granquist (Havsforskningsinst. Skr. 40) festgestellt hat: „Sedan
genom Kvarkens tilfrysning Bottenviken förvandlats tili ett innanhav, ökades naturligtvis där stärkt möjligheterna
für havsisarnas sammanfrysande tili fast is“. Daß es sich nach Festwerden des Nordkvark bei der Bottenwiek
um ein „Binnenmeer“ (innanhav) handele, möchte ich jedoch bezweifeln, da die Meerenge mit ihren 35 m Tiefe
immer noch einen Wasseraustausch zuläßt.
Die Dauer des Festeises im Nordkvark wechselt sehr und ist natürlich von vielen Faktoren abhängig, von
denen außer dem Frost und der Windrichtung und -stärke auch die Eisdicke ausschlaggebend ist. In dem strengen
Winter 1915/16 war das Eis 4% Monate fest und wurde erst am 2. Mai aufgebrochen, nachdem es schon am 16. De
zember festgeworden war. Mitunter ist das Eis aber nur wenige Tage fest, gerät ins Treiben und wird darauf
wieder fest. Aus diesem Grunde ist es nicht möglich, daß sich ein regelmäßiger Verkehr über das Eis von Land
zu Land entwickeln kann.
Da das Festwerden des Nordkvark mehr eine Frage der günstigen Windrichtung und stillen Wetters ist,
weniger der Eismenge, kann die Meerenge unmittelbar nach dem Zusammenfrieren passierbar sein. So konnte am
9. März 1923 Automobilverkehr zwischen Schweden und Finnland stattfinden, und am 30. März des gleichen
Jahres fuhren sogar Lastautomobile über das Eis der Meerenge.
Da für das Zustandekommen der Eisbrücke über den Nordkvark außer dem Festeissaum auch das Meereis
nötig ist, kann man das Vorhandensein einer Eisbrücke als typische Hochwinterlage bezeichnen. Wird der Nord
kvark trotz starker Eisbildung nicht fest, dann handelt es sich um einen unruhigen, wändreichen Winter, der das
Eis in Bewegung hält, wozu es in einer Meerenge mit stärkerer Strömung ohnehin neigt.
Da der Nordkvark gewissermaßen das Eisventil der Bottenwiek darstellt, hängt von dem Aufbrechen der
Eisbrücke auch der Eisgang in der Bottenwiek ab. Begünstigt wird die Enteisung durch NW 7 - bis NE-Winde, die
die Eisbrücke zerstören und das Eis der Bottenwiek in südwärts gerichtete Bewegung versetzen. Es setzt dann
schweres Einstreiben ein, das bei günstigen Winden bald beendet sein kann, so daß es vorkommt, daß die Botten
wiek alles Eis durch den Nordkvark transportiert hat und eisfrei ist, von lokalen Resten abgesehen, während die
Bottensee noch von Treibeis angefüllt ist, das infolge der ausgehenden Strömung nicht zurücktreiben kann. Eine
solche Lage wird jedoch nur sehr selten eintreten, normalerweise ist die Bottensee früher eisfrei.
Eine Regelmäßigkeit in dem Vorhandensein einer Eisbrücke über den Nordkvark oder in ihrem Zu- oder
Aufgang kann nicht festgestellt werden. Högbom (1906) konnte auch nur soviel sagen, daß während 10 Jahren
der Nordkvark etwa zwei- bis dreimal passierbar ist. Nach den finnischen Berichten zu urteilen, scheint die Eis
brücke aber doch häufiger ausgebildet zu sein, da sie für jeden strengen Winter zur typischen Hochwinterlage
gehört.
Die Extreme des Auftretens der Eisbrücke sind Mitte Dezember und Ende April, am häufigsten findet sie
sich in den Monaten Februar und März. Die Verzögerung des Aufbruchs in das späte Frühjahr ist eine Folge der
großen Eismassen, die bei günstigem Winde auf rein mechanische Weise in der Meerenge angehäuft werden und
dann lange Widerstand leisten können. Dem steht der andere Fall entgegen, wo geringere Treibeismengen zu
sammengefroren sind, die häufig aufreißen und wieder zusammenfrieren, ohne daß sich eine dauerhafte solide Eis
brücke ausbilden kann. Eingeleitet wird das Aufreißen meist durch Rinnenbildung am Festeisrande ähnlich wie am
Rande des Schärengürtels in der Bottenwiek, so daß sich große Schollen in Bewegung setzen können.
11. Die Bottensee.
Die Eisverhältnisse der Bottensee (ohne den Küstensaum) gestalten sich nicht überall gleichmäßig; zu
unterscheiden sind hauptsächlich zwei Teile: 1. die tiefere See im Bereich der östlich verlaufenden Rinne, die vor
Mäntyluoto der finnischen Küste sehr nahe kommt und dann wieder im Becken vor Härnösand die schwedische
Küste berührt; 2. die westlich des eben genannten Gebietes liegende flachere ßottensee, deren Bodenfläche im
Finngrund bis dicht unter die Meeresoberfläche reicht.