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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 54. Bd. Nr. 6
Die Zugrichtung der Wolken bietet hier die einzige Möglichkeit, etwas über die Luftströmungen in der
freien Atmophäre zu erfahren. Leider liegen Beobachtungen aus dem Bereich des Tiefs nur vom 31. VIII. vor.
hauptsächlich auf Grund des holländischen Materials: sie wurden in ihrer Verteilung in Abb. 20 dargestellt und
beschränken sich ausschließlich auf das cirrocumulus-Niveau. Die Beobachtungen, die sämtlich auf der Nordseite
der Zyklone gemacht wurden, ergeben für diese Höhe durchweg eine Strömung aus S bis SW, die am Vortage auch
über dem Gebiet westlich von Rio de Oro angetroffen wurde.
Über die unmittelbaren Ursachen, sowie den Ort der Entstehung solcher wandernden barometrischen Minima
kann auf Grund dieses Beobachtungsmaterials natürlich nicht mehr gesagt werden, als es schon bei der Be
sprechung der „Zugstraße“ 4 auf S. 31 geschehen ist. Das Fehlen von Beobachtungen vom afrikanischen Kontinent
läßt die Frage völlig ungeklärt, in welcher Entfernung von der Westküste die Zyklogenese erfolgt, und welche
Luftmassen daran entscheidenden Anteil haben. Neben Passat und Monsun dürfte dabei der Harmattan eine Rolle
spielen, der sich auch in der Regenzeit gelegentlich bis zum Boden durchsetzt, eine Erscheinung, die von charak
teristischen Störungen — „grains“ — begleitet ist (34). Die östliche Höhenströmung* dürfte auch auf die Bewe
gungsrichtung der Wirbel von Einfluß sein; denkbar wäre insbesondere ein enger Zusammenhang einerseits
zwischen der zeitweise stark schwankenden Mächtigkeit dieser E-Strömung, wie sie im Herbst über Port Etienne
(34) und vor der Küste (20) festgestellt wurde, und andererseits dem Loslösen einzelner Wirbel vom sommerlich
kontinentalen Tiefdruckgebiet. Im weiteren Verlaufe mag dann auch das Subtropenhoch als Direktionszentrum
wirken, wie in ähnlicher Weise der Einfluß von Hochdruckgebieten auf die Bahn tropischer Orkane bekannt ist
(39, 41). Mit diesen Orkanen gemeinsam haben diese Zyklonen auch die Jahreszeit ihres Auftretens, das Fehlen
größerer Temperatur-Unterschiede (40) sowie die westwärts gerichtete Bahn, und es ist sehr wahrscheinlich, daß
die westindischen Hurrikane, die man bis in die Gegend der Kap-Verde-Inseln zurück verfolgen konnte (10), be
sonders energiereiche Wirbel der gleichen Art sind, wie sie die auf Zugstraße 4 fortschreitenden Zyklonen dar
stellen. Ebenso ist es wahrscheinlich, daß wenigstens ein Teil der in jedem Sommer auftretenden „tropischen
Störungen“ — die alljährlich in der amerikanischen „Monthly Weather Review“ besprochen werden — aus
diesen Zyklonen hervorgehen, sei es nun, daß sie im Gebiet des Caribischen Meeres von neuem aufleben oder
dieses mit unveränderter Energie erreichen. Denn wie weit westwärts die Wirbel, auch in dem hier untersuchten
Fall, in ihrer Weiterentwicklung fortschreiten, ist wegen des Mangels an verfügbaren Beobachtungen ebenfalls
ungewiß.
Es fällt schwer, die Gedankengänge Okadas (41) über die Bildung von Taifunen auch auf die Wirbel
unseres Gebietes anzuwenden: Nach diesen erwärmen sich die zahlreichen kleineren Inseln — Carolinen, Maria
nen — stärker als das umgebende Meer und geben Anstoß zu lokaler Wirbelbildung; die schon vorhandene Strö
mungskonvergenz wird dadurch verstärkt, und die einzelnen kleinen Wirbel werden schließlich zum Kern eines
großen, des Taifuns. Es ist unwahrscheinlich, daß den wenigen Inseln der Kap-Verden-Gruppe eine solche Be
deutung zukommt, zumal sich über dem nahen afrikanischen Festlande solche Strömungen in viel größerem Maße
entwickeln können. Mit Klarheit werden diese Zusammenhänge erst zu überblicken sein, wenn man nicht mehr
lediglich die Spezialfälle der Wirbel dieser Art, die tropischen Orkane, sondern vielmehr die allgemeinen, nor
malen Fälle in größerer Anzahl eingehend betrachtet: Erst dann wird zu entscheiden sein, welche der Erschei
nungen charakteristische, welche nur zufällig begleitende sind.
Gerade die schwächeren, aber dafür zahlreicheren Störungen dieser Art dürften für die Praxis — Trans
ozeanflug! — von Bedeutung sein: Neben Störungen in Form von Niederschlägen, elektrischen Entladungen, ver
änderten Windverhältnissen bringen die W'irbel der Zugstraße 4 mit ihrem horizontalen Bewegungsfeld die Vor
aussetzung für sommerliche und herbstliche Staubfälle mit sich.
*) Vgl. darüber die im „Archiv der Deutschen Seewarte“ veröffentlichten Höhenwindmessungen, sowie die umfassende
Zusammenstellung aller bisher vorliegenden Messungen aus der freien Atmosphäre über dem Passatgebiet des Atlantischen Ozeans,
wie sie in Bd. XV der wissenschaftlichen Ergebnisse der „Deutschen Atlant. Expedition 1925—27“ gegeben ist.