Internationale Längenvermessung 193.-3
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zu verwenden. Die Erfahrungen gehen wie auch an manchen anderen Sternwarten dahin, daß die
Beobachtungen von Sternen unterer Kulmination (im folgenden als UfsT-Sterne bezeichnet) „zu ungenau“
sind. In der Tat wird man auch ohne Beobachtung von IVv-Sternen keinen wesentlichen Fehler für den
laufenden Zeitdienst begehen, mau unterläßt nur die wertvolle Gelegenheit, systematische Fehler zu
bestimmen, wie dies gerade durch die Beobachtung von f/W-Sternen möglich ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß anderwärts z. B. das aus Beobachtungen
einer Polarissima gewonnene Instrumentenazimut graphisch verbessert wird, indem die damit reduzierten
Beobachtungen der einzelnen Sterne einer Zeitbestimmung nach tg d aufgetragen werden, wobei eine
Neigung der ausgleichenden Geraden als Verbesserung desAzimutes angenommen wird. Die in Lehrbüchern
gelegentlich vertretene Auffassung, das Azimut sei aus einem Stern oberer und einem Stern unterer
Kulmination zu bestimmen, damit dann die beobachteten Zeitsterne zu verbessern, dürfte bei keinem
praktischen Zeitdienst Anwendung finden. Man wird, wie die eben wiedergegebene Methode beispielhaft
belegen soll, immer auch die Zeitsterne berücksichtigen. Daß für die Längenvermessung auch ZZST-Steroe
beobachtet wurden, sei im voraus bemerkt, diese Beobachtungen haben aber nur zur Untersuchung
systematischer Fehler gedient.
Im allgemeinen wird bei völlig klarem Himmel auf der Seewarte die Zahl von 10 Sternen einschließlich
der polnahen Sterne oberer Kulmination für eine Beobachtung gewählt, bei Beobachtungen durch
Wolkenlücken eine größere Zahl. Die Zeitbestimmungen der Längenvermessung, soweit sie nicht vorzeitig
abgebrochen wurden, beruhen auf 10 bis 15 Sternen. Die Neigung wird vor und nach jeder Beobachtung
eines Sternes abgelesen, so daß also immer Libellenablesungen aus beiden Achsenlagen zur Verfügung
stehen, die Libelle wird dafür aber nicht umgehängt. Von jedem Stern werden 10 Kontakte jeder
Instrumentenlage abgelesen und gemittelt. Bei südlichen Sternen wird zumeist nur jeder dritte Kontakt
verwendet, um über ein größeres Zeitintervall zu messen, bei Zenitsternen jeder zweite, bei Polsternen
dagegen häufig jeder Punkt. Bei Beobachtungen, die durch Wolken gestört werden, finden Abweichungen
von diesen Regeln statt.
Die Reduktion der Zeitbestimmungen kann nach den Formeln von Bessel, Tobias Mayer oder Hansen
geschehen. Sie geschah auf der Seewarte früher nach Hansen, also nach
« — V — A 1' ~ i sec g -t. n (tg <5 — tg <j l,
wobei das Herausfallen des Kollimationsfehlers durch Umlegen des Instrumentes während jedes Stern-
durchgangs bereits berücksichtigt ist. Definitionsgemäß ist n nicht unabhängig von der Neigung, da
n ~ i sin f — k cos </. Man pflegt deshalb hei Meridiankreisbeobachtungen wohl auch i nur einmal
während der Zeitbestimmung zu ermitteln und nach Bestimmung des n aus « — U = A U -f- n tg d das
Mittel der ganzen Zeitbestimmung um i sec f — n tg 7 zu verbessern. Bei der Seewarte wurde jedoch
das bei jedem Stern bestimmte i vor der Ermittlung des Azimutfehlers in Rechnung gezogen und
(1) « — U— i sec f =■ (¿1 U— n tg f) -4- n tg d
zur Errechnung von A U und n verwendet.
Erst als zu Beginn der Längenvermessung die schädliche Einwirkung einiger Roststellen an bestimmten
Stellen der Zapfen (die bereits erwähnte unregelmäßige Form der Zapfen) durch die Neigungsablesungen
für gewisse Zenitdistanzen klar zum Ausdruck kam, wurde die Tobias Mayersche Formel verwendet,
die eine saubere Trennung der einzelnen Fehler ermöglicht. Der Bestimmung von ¿1 U und k lag also
jetzt die Formel
(2) (« — U) — i I = AU+kK
zugrunde.
Es ist selbstverständlich, daß Unregelmäßigkeiten der Zapfen für einzelne Zenitdistanzen auch im
Azimut von Einfluß sind. Die unmittelbare Berücksichtigung dieses Einflusses geschah nicht, die Fehler
wurden nachträglich bestimmt. Für die einzelne Zeitbestimmung wurde — und zwar wie bereits dar