Dr. Walter Manegold: Die Wetterabhängigkeit der Oberflächenströmungen in den Pforten der Ostsee
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minder deutlich für jede Stromgeschwindigkeit. Weiter ist die Vermutung berechtigt, daß dieses Verhältnis der
Häufigkeit von Ein- zu Ausstromfällen allgemein gilt. Dem steht nicht entgegen, daß bekanntlich der gesamte
Wasserschub der Oberfläche in der Jahressumme nach außen geht. Denn ein Ausstromfall dauert
länger als ein Einstromfall. Während dieser in längstens einigen Tagen erledigt ist, kann Ausstrom
einen Monat und darüber fließen. Dazu ist ein merkwürdiges Ausnahmeereignis zu erwähnen: Im Februar 1911
schloß ein Einstromfall so dicht an den anderen, daß der Einstrom den Monat ununterbrochen floß.
Zeichnung 5 zeigt die Verteilung der Fälle über die Monate. Ihm ist die genaue Mittelwertberechnung des
Stromes in Schultz’ Grund beigefügt (nach Jacobsen, 7). Sehr gut kommen in dieser die Spitzen heraus: des Ein
stroms im November, des Ausstroms im Mai. An sich ist die Anzahl der Ausstromfälle nicht im Mai am höchsten,
aber sie überwiegt so stark, weil eben Einstrom im Mai überhaupt kaum vorhanden ist. Die Fälle beider Strom
arten sind am häufigsten im Winter. Da aber der Einstrom sich auf das winterliche Halbjahr beschränkt, der
Ausstrom gleichmäßiger über das ganze Jahr verteilt ist, so sieht es in der Zusammenfassung so aus, als ob dieser
im Sommer am häufigsten wäre. Die Häufigkeit des Ausstroms im Mai ist durch die vorherrschenden Windver
hältnisse nicht zu begründen (s. diese am besten bei Koppen, 9, S. 20), wohl aber durch den hydrographisch be
dingten Strom, der hier in der Zahlenübersicht ganz deutlich wird. Dies ist immerhin erstaunlich, denn die Ge
schwindigkeit des ungezwungenen Ausstroms überschreitet nur mit einem geringen Anteil seiner Häufigkeit die
Grenze von 2,0 sm/h in Schultz’ Grund. Der Einstrom im November dagegen ist ausschließlich vom Winde
bestimmt. Es ist die Zeit, wo die häufigsten Winde die stärksten sind. -— Zur Ergänzung der Zeichnung 5 sind
in Tabelle 9 die Gruppen unter den Monaten verzeichnet, in denen sie verhältnismäßig am häufigsten
Vorkommen. Es zeigt sich, daß auch die Gruppen des Ausstroms sich ziemlich über das ganze Jahr erstrecken,
während die Einstromgruppen Frühling und Sommer meiden.
Ausnahmefälle, in denen einige Feuerschiffe abweichend von der Mehrzahl Ein- statt Ausstrom beobachten
oder umgekehrt, sind für beide Stromarten selten und in gleicher Zahl vorhanden. Bei beiden ist das am leich
testen möglich, wenn ein Tief östlich der Färöer festliegt. Beim Einstrom ist Laeso Rende am leichtesten zu Ge
genstrom geneigt, bei Ausstrom Anholt Knob.
E. Stromausnahmen
Fälle, bei denen trotz Sturm in unserem Gebiet der Strom in Schultz’ Grund
keine Geschwindigkeit über 2,0 sm/h erreichte
Unter Sturm in unserem Gebiet sind hier Windverhältnisse verstanden, bei denen es in wenigstens einem
der Orte Skagen, Kopenhagen, Hammershus, Wisby mit mindestens Stärke 7 weht. Auf diese Weise ergeben sich
für die Jahre 1921—1929 13 Fälle, bei denen in Schultz’ Grund Einstrom läuft und 3 mit Ausstrom. Diese Fälle
haben der Untersuchung der Fehler gedient, die sich dadurch eingeschlichen haben konnten, daß das Stromver
halten in Schultz’ Grund die Auswahl der übrigen Fälle bedingt hat. Das Ergebnis heißt: Die meisten Fälle be
stätigen die allgemeine Gültigkeit der bisher aufgestellten Regeln, und der Rest läßt sich zu einer letzten Gruppe
zusammenfassen.
Zugstraße IVb
(vgl. Beispiel 3 im Anhang S. 31)
Die Tiefe (vgl. S. 6 unter 2) ihrer 6 Fälle (darunter einer mit Ausstrom in Schultz’ Grund) liegen am
Vor- wie am Haupttage über Kattegat oder Beltsee, am Haupttage zum Teil auch schon über der südwestlichen
Ostsee (vgl. Karte 6). Die Zuggeschwindigkeit ist meist für Einstromtiefe verhältnismäßig langsam, unabhängig
von ihrem Druck, der 710—747 mm betragen kann. Von den H o c h gebieten ist Vb (Spanien) vorherrschend,
selten noch Ia (Britische Inseln) und Va (Italien). Das Hoch hat für alle Fälle einen Druck von nur knapp
770 mm. Je nachdem, wie weit nach Westen der Einfluß des Tiefs noch reicht, ist der Luftdruckunterschied Nord
see—Ostsee gleich Null oder auch noch negativ, ganz selten positiv. Auch dieses Unterscheidungsmerkmal versagt
also. Der Wind weht in engem Bogen um den Kern des Tiefs und schwankt von Fall zu Fall in
unserm Gebiet zwischen N und S, je nachdem wie weit das Tief gekommen ist. In der Ostsee haben mehr Fälle
noch S-Wind, bei Skagen mehr schon N-Wind. Da nun die Fälle nach starkem Wind ausgesucht sind, so ist es
erklärlich, wenn heftiger Einstrom in Skagen und heftiger Ausstrom im Südosten
des Gebiets zusammenfallen. Im ganzen Kattegatt, auch Schultz’ Grund, herrscht noch Einstrom vor.
aber eine sichere Regel besteht nicht. Der Strom kann schnell nach beiden Richtungen kentern. Innerhalb eines
Falles kann eine Stelle 0,3, eine andere 4,0 sm/h aufweisen.
Immerhin ist das Vorherrschen des Einstroms auffällig. Das mag folgenden Grund haben: Das Tief ändert
seine Lage in der südwestlichen Ostsee nur wenig vom Vor- zum Haupttag (vgl. S. 32). Der in das Tief hinein
wehende Wind begünstigt örtlich den Einstrom in den nördlicheren Gewässern derart, daß ein Ausstrom sich nicht
entwickeln kann, der entsprechend dem Wind im Südosten unseres Gebietes fließen müßte. Schwer erfaßbar sind
dagegen schnell ziehende Tiefe. Mit der Wahrscheinlichkeit, daß im Kattegat Einstrom, in Beltsee und westlicher
Ostsee Ausstrom läuft, ist für eine bestimmte Entscheidung nicht viel geholfen. Die Zugstraße IVb bildet die ein
zige Gruppe, über die sich nach unserem Untersuchungsverfahren Bestimmtes über den Strom nicht aussagen
läßt. — Südlicher, parallel zur Zugstraße IVb ziehen Tiefe, die zum Tiefgebiet VII gehören (S. 22).