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Dr. Helmut Springstubbe: Die Gezeiten-Erscheinungen im St. Lorenz Golf.
der Erdrotation wurde durch die Differenz: Gezeiten nach Taylor —- berechnete Mitschwingungsgezeit,
ermittelt. In dem Verlauf der Phase der Wirkung der ablenkenden Kraft ließ sich nun eine bemer
kenswerte Ähnlichkeit mit dem entsprechenden Verlauf der Phase im St. Lorenzgolf (s. Abb. 13) fest
stellen. In dieser Darstellung zeigt sich deutlich, daß die Phase der Querschwingungen, die nach sta
tischer Auffassung an der einen Küste konstant 3 h , an der andern 9 h sein müßte, hier ebenfalls und
im gleichen Sinne wie in Abb. 12 verschoben ist. Es zeigt sich also, daß die Phase für einen beliebigen
Querschnitt nicht um 6 h gegeneinander verschoben ist, sondern nur um 4 h durchschnittlich. Die beiden
Abb. 12 und 13 zeigen, daß es sich bei beiden Darstellungen, die die gleiche isolierte Wirkung der
der Erdrotation zeigen, um denselben systematischen Unterschied handeln dürfte.
9. Die Gezeitenströme,
Bei der Berechnung der Gezeiten spielten die wagerechten Verschiebungen des Wassers eine
wesentliche Rolle, Aus ihnen kann man nach einer einfachen Methode die Gezeitenströme theore
tisch ermitteln. Die gesamte wagerechte Verschiebung ist das Zeitintegral der Geschwindigkeit, also:
5 = Judt
Die Geschwindigkeit u, die die wagerechte Verschiebung ausführt, ist natürlich umgekehrt durch den
» • d £
Differentialquotienten — gegeben. Es ist also:
und infolgedessen:
u(x) =
£ (x) = i • cos (t - H)
di'(x) n .. n 2 n. ... ,
2i-^cos-^[t-(H +9)]
Wegen der Ausführung der Differentiation muß also die Phase der horizontalen Verschiebung um 9 h
vermehrt werden, um die Phase des Stroms zu erhalten. Um die Amplitude der Schwankungen der
Stromgeschwindigkeit zu erhalten, muß man also die tatsächlich in der rechnerischen Verteilung der2i
ermittelten Größen, natürlich unter Berücksichtigung des aus der Grenzbedingung sich ergebenden
Proportionalitätsfaktors, nur mit der Größe
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also einem konstanten Faktor multiplizieren, Man er
hält dann die Stromgeschwindigkeit, da 2 S in m angegeben ist, ebenfalls in m/sec. oder Std., je nach
dem T in Sekunden oder Stunden gerechnet wurde. Für die Schiffahrt ist es aber meist von Vorteil,
die Geschwindigkeit der Gezeitenströme in Sm/Std. anzugeben (1 Sm = 1852,8 m). Wenn 2 j'in m ge
rechnet ist, erhält man u (x) in Sm/Std., indem man 2 £ mit dem Faktor 1,413.ICH multipliziert, wie
sich durch einfache Umrechnung in den gebräuchlichen Maßstab ergibt. Damit hat man den Wert der
maximalen Geschwindigkeit u (x), den der Gezeitenstrom an der Stelle x einnehmen kann, ermittelt.
In der Belle Isle-Straße sind die Gezeitenströme am zuverlässigsten untersucht. Um hier einen
Vergleich zu ermöglichen, wurden die von Dawson in „The Currents in Belle Isle Strait“ (3 > veröffent
lichten Kurven des Gezeitenstroms an der Station T vom Montag, den 20. und Dienstag, den 21. Au
gust 1906 verwertet. Da sich die tägliche Ungleichheit in der beobachteten Kurve sehr stark bemerk
bar macht, wurde aus den ersten beiden vorhandenen ganzen Perioden die Mittelwerte der beob
achteten Geschwindigkeit gebildet. Auf diese Weise wurde der Einfluß der eintägigen Gezeit an
nähernd ausgeschaltet. Wenn nun die Geschwindigkeit des Gezeitenstroms an dieser Stelle berechnet
werden sollte, so mußten zunächst der Tab. 6 die Werte der 2 i‘ für Querschnitt 38,5 sowohl für die
Golfwelle, wie auch für die Belle Islewelle entnommen werden und die beiden resultierenden Werte
durch die damals ermittelten Proportionalitätsfaktorer: der Golf- bzw. der Belle Islewelle auf ihre
wirkliche Größe gebracht werden. Es ist hier:
für die Golfwelle: 2£ — 9108m « = 4 h ,6
für die Belle Islewelle: 2'S~ 3613 m t = 7 h ,0.
Hieraus ergibt sich v = 1,52 Sm/Std. und die Phase zu <» = 8 h ,22 in westlicher Richtung. In
Abb. 14 ist ein Vergleich der theoretisch auf diese Weise ermittelten Werte mit den von Dawson an
der Station T beobachteten Stromwerten dargestellt. Natürlich ist infolge der Ungenauigkeit der
Strombeobachtungen keine volle Übereinstimmung zu erwarten. Außerdem erstrecken sich die Beob-