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Full text: 53, 1934/35

Haarnagel: Eine landschaftskundliche Untersuchung des Elbufers zwischen Glückstadt und Kollmar 
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sie beschnitten. Der Weidenkopf wird dadurch immer stärker. Die älteren Weiden haben einen ausgefaulten 
Stamm. Ihre Zweige sind aber noch grün und kräftig. 
Zuweilen siedelt sich in den Löchern auch Reth an. So kann es denn Vorkommen, daß im Vorland ein 
kleines Schilf gebiet entwickelt ist. 
Im Vorland tritt uns noch ein Landschaftselement entgegen. In der Entfernung von 10—15 m vom 
Ufer kann man an mehreren Stellen eine Böschung finden, die fast einem zweiten Ufer ähnlich sieht. Das 
Vorland fällt hier um eine Stufe von 10—20 cm ab. (Siehe Bild 5.) 
Das Entstehen einer solchen Böschung habe ich durch längere Beobachtungen festgestellt, die ich mit 
einigen Worten schildern will: Bei Hochfluten tritt die Elbe über ihre Ufer und schwemmt Deeken im Vor 
land an. Dieser liegt in einem dicken Streifen über dem Rasen. Er ble bt dort so lange liegen, bis eine neue 
Hochflut, die noch höher steigt, ihn weiter in das Vorland trägt. Wo er gelegen hat, ist das Gras erstickt 
und die Grasnarbe vernichtet. Das Gras hat hier eine weißliche Farbe angenommen. (Siehe Bild 6). 
Die Dauer der Vernichtung ist verschieden. Sie ist abhängig von der Witterung. Ich habe beobachtet, 
daß an schwülen und feuchten Tagen die Grasnarbe schon nach zwei Tagen eine weißliche Farbe erhielt. 
An trockenen, kalten Tagen dagegen dauerte es fast acht Tage, bis die Narbe vernichtet war. 
Bei den nun folgenden Hochwassern, vor allem wenn Nord-Westwind weht, wird die Erde unter dem 
zerstörten Gras ausgewaschen. So bilden sich Vertiefungen, in denen sich Sand absetzt. Die Löcher in der 
Rasendecke werden vom Wasser immer mehr ausgewaschen. Es bilden sich 30—40 cm tiefe Kolke, die in 
einem Streifen dicht beieinander liegen. Sie sind gewöhnlich mit Sand und Wasser ausgefüllt. Die Kolke 
werden vom Wasser immer mehr erweitert; schließlich verbinden sie sich miteinander und bilden eine lange, 
muldenartige Aushöhlung im Vorland. (Siehe Bild 7.) 
Durch neue Fluten wird schließlich der Boden, der zwischen Mulde und Ufer liegt, weggerissen. Dies 
geschieht, wenn der Boden durch Frost gelockert ist, und die Frühjahrsstürme über das Vorland hin 
brausen. Aus der Mulde ist nun ein Böschungsufer geworden. In den kommenden Jahren wiederholt sich der 
Vorgang immer von neuem, und die Böschung wandert immer weiter ins Vorland. Vor der Böschung ent 
wickelt sich eine ganz andere Pflanzenwelt. (Siehe auch Bild 5.) 
Das Land vor der Böschung ist sumpfig. Man sinkt beim Beschreiten des Bodens tief in ihn ein. Es 
kann sich daher hier auch nicht das Vorlandgras entwickeln. Grasbüschel und Kräuter bedecken den Boden. 
Minze hat sich auf ihm besonders reichlich angesiedelt. Steht vor der Böschung am Ufer Reth, so kann man 
beobachten, wie dieses langsam gegen die Böschung vordringt und schließlich von dem vorgelagerten Land 
streifen Besitz ergreift. 
Ich hatte im vergangenen Sommer einen Anlieger, der sich über das Sinken seines Vorlandes wunderte, 
auf meine Beobachtung aufmerksam gemacht. Er harkte von nun an nach jeder Hochflut den Deeken zu 
sammen. Durch einen Pflock hatten wir die augenblickliche Lage der Böschung festgelegt, um im nächsten 
Jahr feststellen zu können, ob diese weiter ins Vorland gedrungen ist. In diesem Sommer ließ sich nun fest 
stellen, daß die Böschung 10 cm weiter ins Vorland eingedrungen war. Eine Kolkbildung war aber nicht 
wieder zustande gekommen. Der erfolgte Abbruch wird auf Wellenschlag und Frost zurückzuführen sein. 
Jedenfalls war der Abbruch ein viel geringerer als in den Jahren zuvor. Der Anlieger hat sich dieser Er 
klärung angeschlossen. Zum Vergleich habe ich einen Vorlandstreifen beobachtet, von dem der Deeken 
nicht entfernt wurde. Hier konnte ich im Frühjahr neue Kolkbildungen beobachten. Auch die Böschung 
hatte sich um mindestens 25 cm weiter in das Vorland geschoben. 
Im Winter findet man im Abbruchsvorland, wie schon vorher erwähnt wurde, Eisblöcke verstreut um 
herliegen. Diese besitzen zuweilen ganz eigentümliche Formen. Am häufigsten sehen sie wie Gletschertische 
aus. Diese sind dadurch entstanden, daß eine große Eisplatte auf einem Packeisblock von geringerem 
Durchmesser festgefroren ist. 
Sehr wichtig ist noch, darauf hinzuweisen, daß die Packeisblöcke Schlamm und Steine auf das Vor 
land verfrachten. Die Eisschollen frieren z. B. bei Niedrigwasser auf der Schlammschicht fest. Von der Flut 
werden sie wieder losgerissen und davongeführt. Sie nehmen dabei einen Teil des Schlickuntergrundes mit. 
Wenn nun mehrere, mit Schlick beladene Eisschollen übereinander geschoben werden und einen Packeis 
block bilden, kann dieser eine nicht unansehnliche Menge Schlicks mit sich führen. Das Steinmaterial des 
Packeises stammt gewöhnlich von den Steinstacks. Ein auf ein Steinstack geschobener Eisblock friert auf 
diesem fest und nimmt, wenn er von der Flut mitgerissen wird, die festgefrorenen Steine mit sich. 
Zu erwähnen wäre noch am Schluß des Abschnitts, daß das ganze Abbruchsvorland eingezäunt ist. 
Am ganzen Abbruchsufer entlang führt eine Drahteinfriedigung. An Stellen, wo das Vorland in einen 
anderen Besitz übergeht, ist neben einem breiteren Graben noch eine Einfriedigung gezogen, die quer durch
	        
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