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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 52. Bd. Nr. 5.
Um auch den Schluß auf die Vereisung zu ziehen, müssen wir noch die Wirkung der sommer
lichen Strahlung auf die Meerestemperatur untersuchen. Deshalb sind für die Stationen Gedser-Rev
Feuerschiff und Christiansö die sommerlichen Temperaturmittel des Wassers ausgerechnet uucl eben
falls in Tab. 16 zusammengefaßt worden. Es ergibt sich, daß sowohl Wärmesummen als auch Mee
restemperaturen einen so parallelen Verlauf aufweisen, daß man von fast völliger Uebereinstimmung
im Gang der beiden Faktoren sprechen kann.
Gehen wir jetzt zur Bedeutung der Meereswärme für die Vereisung über, so zeigt sich, daß die
Wärmesummen tatsächlich zur Zeit der eisreichsten Winter 1928/29 und 1925/1924 am geringsten sind
und im Durchschnitt nach den milderen Eis wintern (1927/28) hin zunehmen. Im einzelnen ergibt sich
aber doch eine recht unregelmäßige Schwankung. So z. B. rief der Winter 1927/28 mit einer Kälte
summe von 88,9 Grad in der Hauptkältewelle eine Vereisung von sieben Tagen in der Beltsee her
vor; der Winter 1916/17 bei der nur wenig kleineren Kältesumme von 85,5 Grad dagegen eine Ver
eisung von 50 Tagen. Die im Sommer 1916 zugeführte Wärme beträgt in A w-Werten (v. Wustrow)
11,80, dagegen die des Sommers 1927 in der gleichen Größe 25,15, also fast das Doppelte. Dement
sprechend ist auch die Sommertemperatur des Meerwassers im Jahre 1916 geringer (15,50 °/c bei Micl-
delgrund-Fort (1), 11,58 °/c bei Christiansö) als die des Sommers 1927 (15,86 °/c bei Middelgruncl-Fort,
12,52 °/c bei Christiansö) (s. Tab. 16). Ebenso verhalten sich an der deutschen Küste der südlichen
Ostsee die Winter 1921/22 und 1908/09.
Dem Minimum in der Eisbesetzung des Jahres 1921/22 entspricht ein sehr hoher 5/w-Wert des
Sommers 1921, nämlich 25.15 bei Wustrow, und sogar das Maximum der Meereswärme: 15,58 ".'c bei
Christiansö und 14,57 °/c bei Gedser-Rev Feuerschiff. Dem Maximum in der Eisbesetzung des Win
ters 1908/09 entspricht ein deutliches relatives Minimum sowohl der Sommerwärme des Jahres 1908
als auch der Meerestemperatur (s. Tab. 16).
Aber damit sind die Möglichkeiten, die Unterschiede der Vereisung beider Winter zu erklären,
nicht erschöpft. Wir müssen noch auf den zeitlichen Beginn der Hauptfrostperiode hinweisen. die in
sofern von Bedeutung ist, als infolge des jahreszeitlichen Ganges der Wassertemperatur mit dem Mi
nimum im Februar, ein früh einsetzender Frost noch eine genügend hohe Meerestemperatur vorfindet
( s.Tab. 17). Nun beginnt gerade der Winter 1921/22 sehr früh, nämlich schon Anfang bis Mitte No
vember. Die Wassertemperatur betrug bei seinem Eintritt noch 7,6 °/c. Der Winter 1908/09 dagegen
beginnt erheblich später (17. Dez.) und trifft demgemäß eine niedrigere Temperatur (etwa 5 °/c) an.
Eine ähnliche Erscheinung zeigen die Winter 1927/28 und 1916/17, von denen der erste wieder Mitte
November bei einer Wassertem peratur von 6,7 °/c begann. Dagegen beginnt der Winter 1916/17 sehr
spät, nämlich erst am 6. Januar. Infolgedessen ist die Wassertemperatur sehr niedrig (5,4 °/c), und
wir verstehen nun auch, warum dieser Winter bei einer in der Hauptfrostperiode geringeren Kälte
summe eine weit größere Eisbedeckung verursachte als der Winter 1927/28.
Mit allen hier besprochenen Erscheinungen steht endlich die Zeitspanne zwischen Frosteintritt
und erster Eisbildung in Zusammenhang (s. schon S. 55). Aus Tab. 17, in der diesbezügl. Beobach
tungsergebnisse zusammengestellt sind, ergibt sich, daß rein qualitativ betrachtet, diese Zeitspanne in
der Regel zur Zeit der weniger strengen Winter tatsächlich länger ist als in den strengen Wintern.
Doch ist gerade dieser Faktor besonders stark örtlichen Einwirkungen ausgesetzt, so daß eine ein
gehendere, längere Untersuchung erforderlich wäre. Deshalb sei diese Erscheinung hier nur ange
deutet.
1) Im Oeresund gelegen. S. a. S. 39.