Dr. Johann Richter: Die Vereisung der Beltsee und südlichen Ostsee im Winter 1928/29.
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deutend kältere gegenüber, die nun auch wie im Winter 1908/09 von einer durchweg 20tägigen, aber
dafür bedeutend kräftigeren Wärmewelle unterbrochen wird. Diese letztere hatte zur Folge, daß das
(bei Stolpmünde) sehr früh gebildete Eis stark verringert werden konnte, ehe die zweite Welle ein
setzte.
Bei der Zusammenfassung der vorstehend geschilderten Tatsachen erhalten wir folgendes Er
gebnis :
Läuft der Winter in einer einzigen Kältewelle ab oder ist die Unterbrechung doch nur sehr ge
ringfügig, so kann sich genügend Eis bilden. Ist die Verteilung der Kälte jedoch so, daß die in einer
Periode zugeiiihrte Kältesumme nur gering ist, und daß die einzelnen Kältewellen von hinreichend
starken Wänneperioden unterbrochen werden, so wird die Vereisung, je nach dem Grade dieser Er
scheinung, mehr oder weniger gering sein. Trotzdem kann die Gesamtkältesumme recht hoch sein.
Der Unterschied in der Vereisungsdauer der beiden Winter 1908/09 und 1921/22 — bei Dars-
serort 20 Tage, bei Greifswalder Oie 47 Tage! — ist aber doch so groß, daß es gewagt erscheint, ihn
aus der Verteilung des Frostes allein zu erklären. Von ebenfalls bedeutender Wirkung sind die im
Vleere selbst vorhandenen Energien, die ihrerseits auch wieder vom Klima abhängig sind: nämlich
erstens die jahreszeitliche Temperaturschwankung, die zusammen mit dem zeitlichen Eintritt des
Frostes (1) die Eisverhältnisse entscheidend beeinflußt, und zweitens die Wärme des Meeres über
haupt. Mit dieser letzteren wollen wir uns zunächst beschäftigen.
Die Wirkung, die ein Eiswinter auf die Meerestemperatur der dem Winter folgenden Jahreszei
ten ausübt, ist von Gehrke (2) untersucht worden. Uns interessiert an dieser Stelle aber nicht die
Temperatur, die ein Eiswinter hinterläßt, sondern diejenige, die er bei seinem Eintritt vorfindet; denn
je wärmer das Meer ist. um so mehr Arbeit hat der Frost zu leisten, um Eis entstehen zu lassen. Um
gekehrt vermag auch ein weniger strenger Winter genügend Eis hervorzubringen, wenn er eine schon
hinreichend niedrige Meerestemperatur vorfindet. Die Wärme erhält das Meer aber von der Sonne.
Da die Sonnenstrahlung von Bedeutung aber nur im Sommer ist, müssen wir die Wärmeverhältnisse
der den Eiswintern vorangehenden Sommer untersuchen. Wir bilden also (s. schon S. 30), den Kälte
summen analog, für die betreffenden Sommer die Wärmesummen, wobei wir unter Sommer die Zeit
verstehen wollen, in der schon, bzw. noch genügend kräftige Einstrahlung möglich ist. Es sind dies
die Monate Mai bis September einschließlich. Um die vorhandenen Unterschiede herauszuheben, aber
auch der besseren graphischen Darstellung (s. Taf. 3 Fig. 4) wegen, sind die Wärmesummen einer
Umrechnung nach folgender Formel unterzogen worden.
Wärmesummen — 2000
i(T
Jab. 16 zeigt die Xw-Werte der den Eiswintern vorangehenden Sommer.
Tab. IO. 3 )
Wärmesiimmeii 1 ) u. niittl. Wassertemperaturen <ler Monate Mai — Sept. einsclil.
Sommer
Station
Wärmesumnie
! ^w
Wassertemperatur (5) °/c b.
Uirisiiansö
(jedser-Rev F.-Sch.
1928
Stettin
2117,0
11,70
10,88
12,52
1923
Warnemünde
20«0,0
«,00
10,««
12,04
191«
Wustrow
2118,0
11,80
11,58
—
1921
Wustrow
2232,6
23,25
13,58
14,37
1908
Wustrow
2139,6
13,95
12,5«
13,78
1911
Wustrow
2315,0
31,50
13,5«
14,26
190«
Wustrow
2275,0
27,50
13,18
13,78
1927
Stettin
2231,5
23,15
12,32
12,64
1) Speerschneider, Eisbild. usw. Ann. d. Hydr. usw. 1925. S. 506.
2) Gehrke, On the After-effect of Ice-winters upon the Deap-sea Températures of the Kattegat. Publica
tions de circonstance. Nr. 75.
5) Die Anordnung d. Sommer i. Tab. 16 erfolgte nach der in Tab. 15 fur d. Eiswinter innegehaltenen Reihen
folge.
4) Die Wärmesummen wurden a. d. Pentadenmitteln d. Deutschen Met. Jalirb., Hamburg, nach einer den Kälte
summen ganz ähnlichen Methode ausgerechnet.
5) Die Mittelwerte der Wassertemperaturen entstammen d. N. M. A., Kopenhagen (s. d. betr. Jahrgänge).