22
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 52. Bei. Nr 5.
lieber Schweden oder Finnland, überhaupt im Osten, lagert ein kräftiges Hoch, das Mitteleuropa
mit Ostwinden überschwemmt. Die auf dem Atlantischen Ozean sich entwickelnden Depressionen
sind diesem Hoch gegenüber machtlos und laufen sich tot, bezw. werden abgelenkt. Ganz anders
in milden Wintern. Das in jedem Winter im Osten lagernde Hoch — es ist das bekannte sibirische
Maximum — reicht jetzt längst nicht so weit nach Westen. Die grollen Depressionen, die im allge
meinen sehr viel weiter nördlich ziehen, senden dann ihre Teiltiefs in unser Gebiet. Mit den vorherr
schenden westlichen Winden wird die warme atlantische Luft, aus der reichlich Niederschläge fallen,
weit nach Osten vorgetragen. Nun fließt auf der Rückseite der Zyklonen kalte Luft nach. Tritt
dann infolge der niedrigeren Temperatur bei der Kondensation Schneefall ein, so ist die Vorbedin
gung für einen sehr strengen Winter gegeben, wenn die Schneedecke ausgedehnt genug ist und durch
polare Luft am Schmelzen gehindert wird. Klart dann der Himmel auf, so wird durch den feinkörni
gen Schnee die Ausstrahlung sehr begünstigt; denn Schnee verhält sich wie ein fast idealer schwarzer
Strahler (1). Diese, durch die Ausstrahlung immer weiter erkaltenden, dem Boden auflagernden
schweren Luftmassen werden überlagert von den innerhalb der Anticyklone absteigenden Luftmas
sen, die sich dynamisch erwärmen und deshalb leichter sind als die ersteren: es bildet sich die Tem
peraturinversion aus. Die Schichtung ist sehr stabil, so daß (unten jedenfalls) jede Konvektion aus
geschlossen ist. Die Wolken, falls noch welche vorhanden sind, werden aufgelöst, und so bildet
sich eine Wetterlage heraus, wie wir sie im Winter 1928/29 sich auswirken sahen. Rodewald (2), der
die mittlere Luftdruckverteilung im Februar 1929 über Europa beschrieben hat, kommt zu der An
schauung, daß das fennoskandische Hoch nicht etwa als ein Vorschub der innerasiatischen Maxi
mums anzusehen ist, sondern als ein durchaus selbständiges Gebilde. Eine Tiefdruckrinne mit einem
Kern von weniger als 768 mm zieht sich vom Karischen Meere hinunter bis nach Transkaspien und
trennt das fennoskandische Hoch so von dem sibirischen. Erst am oberen Jenissei findet sich ein
Luftdruck von beispielsweise 775 mm, wie er in Schweden herrschte, wieder. Daraus kann man ent
nehmen, daß die Speisung des Hochs durch Polarluft erfolgte, und Rodewald verlegt die Ausfalls-
pforte nach westlich von Nowaja Semlja. Hier ist die Stelle, wo die sonst nach Norden verlaufenden
Monatsisobaren nach Ost bis Südost umbiegen.
ln bezug auf die Anordnung der Anomaliegebiete gibt es, auf dem 70. Grade Nordbreite gezählt,
bevorzugte und benachteiligte Lagen. Eine solche benachteiligte Lage ist die auf 20 bis 29 Grad Ost
länge. Auf dieses Gebiet fällt das Zentralgebiet der überaus kräftigen Abweichung des Winters
1928/29, und das in großer Stärke. Nach Rodewald kann es sich durchaus uui eine Westwärtsverlage
rung der karischen Polarluft-Ausbruchsstelle handeln, und er sieht, nach seiner Karte der Luftdruck
anomalien, das Gebiet der außerordentlich starken fennoskandischen Abweichung als ein Austropfen
polarer Luft an. Deutlich ist der Einfluß der wärmeren Ostsee als Einbuchtung der Isobaren zu er
kennen. Das Gebiet des fennoskandischen Hochs reicht bis zur irischen Atlantikküste. So z. B. zei
gen sich für Aberdeen und \ alentia Luftdruck- und Temperaturanomalien (5) für Februar 1929 wie
folgt:
Tab. 5.
Station
Ap
A, t
Aberdeen
+ 6,1 mm
- 1,8 °c
Valentia
— 1,7 mm
+ 0,4 °/c
Hatte Mitteleuropa unter dem Einfluß des Hochs eine zu große positive Luftdruck- und eine zu
große negative Temperaturabweichung, verbunden mit unternormalexn Niederschlag, so war die Wit
terung über Grönland und dem Europäischen Nordmeere bis nach Spitzbergen hin viel zu milde und
zu feucht. Es ist dies eine Folge des außerordentlich stabilen Hochs, das alle andringenden Depres
sionen erfolgreich abwehrte und in die nördlichere Richtung wies. Infolgedessen wurden die sonst
1) O. Devik, Thenn, u. dvnam. Bedingungen d. Eisbildung i. Wasserläufen. Geofysiske Publ. Vol. IX. Nr.
1. Oslo 1931. S. 26.
2) Rodewald, Das Bild der mittl. Luftdriukvert. in Europa i. Febr. 1929. Ann. d, Hvdr. usw, 1929 S. 595.
3) ebenda, S, 59?.