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Dr. Johann Richter: Die Vereisung der Beltsee und südlichen Ostsee im Winter 1928/29.
festgeraten zu sein, da sie zu verschiedener Tageszeit von hier beobachtet werden konnte. Zu ihrer
Befreiung wurde das schwedische Panzerschiff „Drottning Viktoria*' angerufen. Dieses konnte dem
Hilferuf jedoch keine Folge leisten, da es sich bereits mit Geleit auf dem Wege nach Stockholm be
fand. Da aber die Gefahr bestand, daß „Schwerin*' auf eine Untiefe geraten könne, wurde „Frmack“
zur Loseisung angerufen.
7. März. Gegen 20 Uhr lief „Ermack” aus. 10 sm östlich von Kiel-Feuerschiff traf er so schwe
res Packeis an, daß er zeitweise zum Stehen gebracht wurde. „Trouvor“, der „Sayn“ geleitete, be
fand sich in der Nähe von Darsserort in starker Trift.
Kopenhagener Flieger meldeten den Fehmarnbelt als ziemlich eisfrei. Von der Marstalbucht bis
Gabelsflach und von da weiter nach Boknis Eck hatte sich ein Riß im Eise gebildet, ln der östlichen
Scholle wurden u. a. die Dampfer „Lisa“ und „Ceres“ gesichtet.
8. M ä r z. Um 16 Uhr war der Standort des „Erinack“ 54° 52' N 12° 29* E (5 sm nördlich Dars
serort). Drei sm östlicher war „Trouvor“ mit „Sayn". Eine halbe Stunde später passierte „Erinack“
den hier festgekommenen dänischen Eisbrecher „Tyr“, der seine Schraube verloren hatte und dieses
dem „Ermack*' mitteilte. Um 18 Uhr wurde „Trouvor" erreicht, ihm waren die Kohlen ausgegangen,
deshalb war er bis zu seinem jetzigen Standort vertrieben worden. M ährend der Nacht füllte er sei
nen Bestand aus „Ermack“ auf.
Vom „Gottfried Poppe“ kam die Nachricht, daß das Eis aufgebrochen wäre und er langsam nach
Osten abtriebe . (Er lag bei Marstal). Bei Bornholm lag so schweres Packeis, daß die beiden nach
Stettin unterwegs befindlichen Dampfer „Gertrud“ und „Straßburg“ dort nicht passieren konnten und
Carlskrona als Nothafen anlaufen mußten.
9. M ä r z. Um 4 Uhr machte „Ermack" sich auf clen Weg zur „Schwerin“, deren Standort unver
ändert geblieben war und die sich durch Scheinwerfer kenntlich machte. Die Eisverhältnisse waren
aber so schwer, daß „Ermack“ wiederholt festkam. Die Eisbarren hatten zeitweise eine Stärke von
4—5 m und konnten nur durch Boxen und Klängen überwunden werden. Um 7 Uhr saß „Ermack“
derart fest, daß er „1 rouvor" zur Hilfeleistung hinzuziehen mußte. Nach lVa Stunden war die Eis-
barre überwunden, nach einer weiteren Stunde wurde „Schwerin” erreicht und losgebrochen. Lim
11 Uhr wurde der Marsch nach Warnemünde angetreten. Der wieder festgekommene „Sayn" wurde
erneut losgebrochen und um 12 Uhr waren die Eisbrecher bei Darsserort angekommen. Das Geleiten
war sehr schwierig, da „Sayn" immer wieder aus der Rinne schor und deshalb geschleppt werden
mußte. Aus diesem Grunde konnte auch „Tyr“ nicht mitgenommen werden. Teilweise wurde nur
1 sm die Stunde zurückgelegt, schwere Eisbarren zwangen immer wieder zum Stillstand. „Ermack“
mußte die Rinne vorbrechen und die inzwischen festgeratenen Schiffe wieder loseisen.
Inzwischen war auch die Fähre „Mecklenburg“ bei der Ausfahrt vor Warnemünde im Eise fest
gekommen und hatte „Ermack“ zu Hilfe gerufen. Da der Eisbrecher ab Darsserort wieder leichtere
Eisverhältnisse antraf, hoffte er, bis 5 Uhr morgens dort sein zu können.
Die Eislage in der ganzen südlichen Ostsee war nunmehr in starker Aenclerung begriffen; auch
die bis dahin festgewesenen Schiffe in der Kieler Bucht begannen abzutreiben. Dampfer „Gottfried
Poppe“ konnte sich bereits nach Kiel durcharbeiten, denn eine von der Marstalbucht bis nach Biilk
reichende Rinne verlief gerade durch seine Position. — Der Aufklärungsflug, der von Travemünde
aus zunächst über die Lübecker Bucht bis Staberhuk und von da an der Küste Fehmarns entlang
bis etwa zur Position des Gedser-Riff Feuerschiffs führte, brachte folgende Ergebnisse: Ueber die
ganze Breite des Belts lag nach Westen zu noch sehr dichtes Treibeis: dagegen war der Belt von Ma
rienleuchte nach Osten hin bis auf vereinzelte kleine Schollen ziemlich eisfrei. Das Wetter war sehr
klar, von etwa 200 m Flughöhe aus konnten 40—50 km übersehen werden. Von Fehmarn aus ging der
Flug nach Gedser. wo schon freies Wasser in 6—7 sm Abstand gesichtet wurde. Auch der Hafen
war schon frei und sogar die Einfahrt von Grönsund. Kurz hinter Gedser wurden „Luleälf" und
„Götaälf” gesichtet, beide noch in starkem Packeis, aber in unmittelbarer Nähe von freiem Wasser.
Acht sm nördlich Dasserort befand sich „Tyr“, im Eise treibend, und in unmittelbarer Nähe von
Plantagenet-Grund wurden „Ermack“ und „Trouvor“ schwer im Eise arbeitend beobachtet, bei ihnen
„Schwerin“ und „Sayn.“
10. Mär z. Fähre „Mecklenburg“ wurde um 5 Uhr von den Eisbrechern erreicht und losgebro
chen. „Mecklenburg“ konnte ohne Schwierigkeiten folgen. Um 6 Uhr setzte dichter Nebel ein, des