Dl-, j o li a n n Richter: Die Vereisung dev Beltsee und südlichen Ostsee im Winter 1928/29.
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Eis unter 50 bis 60 cm Dicke anzutreffen, dazu etwa 20 cm Schnee, der jeden Anhalt über noch vor
handene dünnere Eisschichten vollkommen verwischt. Dauerndes Schneetreiben nahm jede Sicht.“
Das täglich aufsteigende Erkundungsflugzeug sichtete außer der noch ganz wenig Fahrt machen
den Schwedenfähre bei Rügen keine weiteren Schiffe; im Langelanclbelt befanden sich aber noch
zwei Dampfer: ..Luleälf" und „Götaälf”. Dampfer „Sayn“ konnte infolge der schlechten Sicht nicht
ausgemacht werden. Später traf allerdings eine Meldung von ihm ein, daß er weiter in den Großen
Belt hineingetrieben, dann aber schließlich stehengeblieben war. Dem Dampfer „Linda“ war in der
Nacht vom 16. zum 17. Februar das Ruder gebrochen, er befand sich aber nach einer Meldung in
offenem iWasser, offenbar einer Rinne. Der Dampfer „Nordland“ ging noch am 17. 2. trotz Warnung
der Reichsmarine nach Abo in See. Allerdings war er mit besonderer Eisverstärkung versehen. 15
sm außerhalb Swinemünde traf er noch eisfreies Wasser an. Die Fähre Warnemünde—Gedser
brauchte an diesem Tage 12 1 /a Stunden zu ihrer L eberfahrt (statt 2 Stunden).
Am 18. Februar wurde im Langelandbelt Treibeis mit großen Rinnen beobachtet: die Kieler
Bucht war von einer ununterbrochenen Eisdecke überzogen.
Am 19. 2. stellten sich die Eisverhältnisse wie folgt dar: Dampfer „Sayn“ war seit dem 15. nicht
mehr wesentlich versetzt worden, dagegen Dampfer „Luleälf“ weiter nach Norden bis zur Insel Omö
vertrieben. Ferner wurden im Großen Belt drei dänische Fährschiffe beobachtet sowie ein Eis
brecher. der sich um sie bemühte. Unmittelbar auf der Ecke bei Halskov saß der Dampfer „Ask“. Sein
Bug saß 4—5 m lang im Eise, das fest mit dem Land in Verbindung war, während die übrigen Teile
in offenem Wasser waren. Bei Dampfer „Luleälf" wurden Eisberge von 5—7 m Höhe gesichtet.
Die Stadt Danzig hatte den finnischen Eisbrecher „Sampo" angefordert; dieser traf am 20.2. dort
ein und nahm seine Arbeit erfolgreich auf. Ein zweiter Eisbrecher, der Lette „Gladiator“, wurde noch
erwartet.
Ein mit Schneekufen versehenes Kleinflugzeug landete am 22. 2. bei 6 Dampfern. Bei den Schif
fen im Langelandbelt konnte nicht gelandet werden, da das Eis dies nicht zuließ. Infolge der nun
einsetzenden westlichen Winde schien das Eis etwas weniger schwer zu sein. Hin und wieder zeig
ten sich in der Längsrichtung des Belts große Risse von z. T. mehreren hundert Metern Breite und die
Gegend zwischen Korsör und Nyborg war ziemlich eisfrei. Da auch die Eisstauungen etwas nachge
lassen hatten, bestand eine unmittelbare Gefahr für die Schiffe, im Eise erdrückt zu werden, z. Zt.
offenbar nicht mehr. Das Eis in der Danziger Bucht war so stark, daß am 15. 2. mehrere Personen
von Glettkau nach Zoppot zu Fuß über die Ostsee gehen konnten, und Besatzungen der in der Dan
ziger Bucht festsitzenden Schiffe marschierten bis zu 7 sm über das Eis nach Danzig. Am 23. 2. war
der Wind wieder auf östliche Richtung gegangen, infolgedessen hatte sich auch die Sicht wieder ge
bessert. Das um 14 Uhr aufgestiegene Verproviantierungsflugzeug meldete 10—15 km Sicht. Dampfer
„Sayn“ war inzwischen stark nach Süden versetzt worden und befand sich gegen Abend 2 sm südöst
lich Kelsnor. Auch in der Swinemünder Bucht und an der Küste Rügens hatten die zwei Tage milde
rer Temperatur und ablandigen Windes eine geringe Besserung der Eisverhältnisse zur Folge, so daß
der Eisbrecherdienst bis zur Eisgrenze ohne große Schwierigkeiten aufrecht erhalten werden konnte.
Das Fährschiff „Preußen”, das nach Trälleborg in See gegangen war, mußte Eises halber umkehren
und geriet auf der Heimreise bei Kollickerort fest. Die Fahrgäste gingen über das Eis an Bord der
„Drottning Viktoria“. „Preußen“ wurde später von dem schwedischen Staatseisbrecher befreit.
Da vorerst noch keine Besserung der ‘Wetterlage erwartet werden konnte und die noch treiben
den Schiffe (1), die z. T. schon Havarie erlitten, wie Brechen des Ruders usw„ in die Gefahr gerieten,
durch Eispressungen erdrückt zu werden, entschlossen sich die interessierten Reedereien, die beiden
russischen Eisbrecher „Ermack“ und „Trouvor“ anzufordern. Beide sollten eine Fahrrinne von Kiel
bis zur östlichen Eisgrenze brechen und die festsitzenden Schiffe einschleppen. Außer einer notdürf
tigen Aufrechterhaltung der Schiffahrt sollten sie nach Einsetzen von Tauwetter den völlig vereisten
Kaiser-Wilhelm-Kanal aufbrechen. Die Eisbrecher traten am 23. 2. morgens ihre Fahrt von Lenin
grad aus an und waren am 26. 2.. bei der Südspitze Gotlands angekommen. Am 27. 2. hatten sie die
Eisgrenze erreicht und nahmen 5 sm nordwestlich Fiaminerodde das Geleit mit den Dampfern
t) Vergl. dazu B. Schulz, Eisaufnahmen i. Langelandbelt v. Flugzeug aus a. 26. Febr. 1929. Ann. d. Hydr.
usw. 1929. S. 252.