Dr. Johann Richter: Die Vereisung der Beltsee und südlichen Ostsee im Winter 1928/29.
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bis dahin 8 Dampfer aus der Eisumklammerung befreien. Nachdem sie wegen Nebels an dieser Stelle
etwa eine Stunde liegen bleiben mußte, trat sie von Position 54° 25' N. 11° 49' E (8 sin südlich Ged-
ser) um 11 h 45 den Rückmarsch mit Geleit an. Unterwegs konnte sie weitere fünf Dampfer loseisen
und in den Geleitzug einreihen. Da das Wetter aber sehr unsichtig war. und später auch noch dich
tes Schneetreiben einsetzte, war es bei dem langen Geleitzug nicht möglich, jedem einzelnen Schiffe
zu helfen, besonders, da auch noch häufig wieder Schiffe festkamen. Daher konnte nur ein Teil des
Geleitzuges bis etwa zum Fehmarn-Belt-Feuerschiff durch das doch schon recht starke Eis durchge
bracht werden, hier mußte man ihn allerdings in schwächerem Eise zurücklassen. Um 20 Uhr wurde
bei den wieder festgekommenen Teilen des Geleits geankert. Bei Tagesanbruch stieß die ..Schleswig-
Holstein" erneut nach Osten vor, da im Laufe des vergangenen Tages noch zahlreiche Hilferufe von
festgeratenen Dampfern eingegangen waren. „Schleswig-Holstein“ hielt die Ostsee nur noch für
starke Dampfer passierbar und forderte Auslaufverbot und Eisbrechergestellung. Von „Schleswig-
Holstein” befreite Schiffe:
„Kirsta“, „W icander". „Fritz Sdioop“, „Rita“, „Nisse“, „Bratsberg", „Thor“, „Samland“, „Floßhilde“,
„Imanta“, „Norrna“, „Havborg", Motorsegler „A. H. Both“.
6. Februar. Immer mehr Dampfer kamen in dem sich dauernd verstärkenden Eise fest. Bei
Plantagenet-Grund, bei Gedser-Riff, bei Saßnitz, überall saßen die Schiffe im Eise. So z. B. waren
die Dampfer „Nordlicht" und „Bernhard" in der Nacht vom 3. zum 4. Februar westlich Warnemünde
im Eise festgekommen, doch gelang es dem „Bernhard“ in Warnemünde einzulaufen. Auch „Nord
licht" hatte wohl leichteres Eis angetroffen. Dampfer „Bernhard" hatte die 25 srn lange Strecke
Darsserort—Warnemünde mit einer Geschwindigkeit von 5 sm die Stunde zurückgelegt. Der Damp
fer läuft durchschnittlich 9 Knoten. (1)
Die „Schleswig-Holstein" setzte um 7 Uhr morgens ihre Hilfeleistung fort. Bis zum Mittag hatte
sie sechs weitere Dampfer losgebrochen und zu einem Geleitzuge zusammengestellt. in den sie die
am Nachmittage des 5. Februar wieder festgekommenen „Bratsberg”. ..Floßhilde" und „A. H. Both“
einreihen konnte. I i otz des starken Packeises im Fehmarnbelt konnte sie den Geleitzug nach guter
Fahrt bei Westermarkelsdorf Heultonne an einer eisfreien Stelle entlassen.
Um 15 Uhr stieß das Linienschiff dann in die Kieler Bucht vor und brach südwestlich Langeland
die Dampfer „Baltrader“ und „Havborg" los. Protz des nicht sehr starken Eises konnten sich aber
beide nicht bis kiel durcharbeiten. Im Westen und Nordwesten sichtete „Schleswig-Holstein“ weitere
Dampfer, die aber keinerlei Fahrt machten. Um 18 Uhr ging „Schleswig-Holstein” wieder nach Osten
auf Fahrt zu der bei Gedser liegenden Dampfergruppe, warf dort aber für die Nacht Anker. Der
steife Ostnordost-Wind hatte auch am Osteingang des Fehmarnbelts starkes Packeis entstehen lassen,
so daß eine erneute Warnung an die Schiffahrt abgegeben wurde.
Von „Schleswig-Holstein" am 6. 2. befreite und geleitete Schiffe:
„Geier", „Theodor“. ..Halmstad“, „Alexandra“, „Priamus". „Evermore“, zum zweiten Male: „Brats-
berg“, „Floßhilde“, „A. H. Both".
Im Seegebiet östlich des Fehmarnbeltes saßen noch etwa 20. südlich kiel noch etwa 10 Dampfer
im Eise fest. Da die „Schleswig-Holstein" bei Rügen arbeitete, die Lage der Dampfer in der Kieler
Bucht aber auch immer bedrohlicher wurde, mußte ein zweites Linienschiff eingesetzt werden. Be
reits am 6. 2. nachmittags war die „Elsaß" auslaufbereit.
Die Ostsee zwischen Darsserort und Arkona war fast eisfrei, die Küste von Kolberg bis Rügen-
waldermünde jedoch mit z. T. 1 m dickem Eis blockiert.
7. F e b r. „Schleswig-Holstein" ging um 6 h 50 Anker auf und brach die vier wieder festgekomme
nen Schiffe los. Auf dem Rückmärsche schor das Linienschiff so dicht an clen wieder festgeratenen
Schiffen vorbei, daß diese in die Fahrrinne der „Schleswig-Holstein“ einlaufen konnten und reihte
so noch fünf Dampfer, darunter „Luleälf“ und „Götaälf“, ihrem Geleitzug ein. Das Geleiten dieses
in bezug auf Maschinenstärke sehr ungleichen Zuges gestaltete sich aber sehr schwierig. Insgesamt
wurden in 5V» Stunden nur 9 sm zurückgelegt. Infolge des raschen Wiederzugehens der Rinne
kamen die schwächeren Dampfer immer wieder fest. Deshalb wurde nachmittags der Versuch ge
ll Nach Angabe d. „Germanischen Lloyd“, 1952. Tab. Tiefgang, Tragfähigkeit usw.