Gerhart Schinze : Die praktische Wetleranalyse.
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1. Ein quasistationäres „Deformationsfeld“, also ein Deformationsfeld, das genügend lange auf ein
Temperaturfeld einwirken kann, wird früher oder später immer zu einer Verschärfung der Frontalzone
bzw. zur Frontenbildung führen.
2. Schnelle und effektive Frontenbildung findet also statt, wenn ein horizontales Deformationsfeld im
Verhältnis zum Temperaturfelde derart orientiert ist, daß die sogenannte Dehnungsachse des Defor
mationsfeldes einen kleinen Winkel (weniger als 45°) mit den Isothermen bildet.
3. Ferner ist notwendig, daß das Temperaturfeld nicht nur am Boden, sondern bis in größere Höhen
verschiedenen Massen angehört, es sich also um verschiedene homogene Hauptluftmassen handelt.
4. Zur Frontenbildung ist weiterhin notwendig, daß die Schrumpfungsachse des Deformationsfeldes
und der Gradient des Temperaturfeldes ein und dieselbe Richtung haben, wobei die Gradientrichtung
nicht zu sehr gestört sein darf, die Richtung des Temperaturgradienten (die Aneinanderführung der Iso
thermen) also durch Deformationsbewegungen keine Veränderung erleidet.
5. Zu beachten ist ferner, daß in der kälteren Jahreszeit in Europa die wichtigste Temperatur
trennung ostwestlich verläuft, im Sommer dagegen hauptsächlich die Nordsüd-Richtung (Trennung zwischen
Meer mPK und Kontinent cPW und cTW) als Temperaturhauptgrenze maßgebend ist.
Orographie und Frontenentstehung.
Die Topographie bzw. Orographie — also der Unterschied des Bodenzustandes oder der Boden
erhebung spielt bei der Frontenbildung eine große Rolle. Bei geringer Mächtigkeit der durch die
Topographie beeinflußten Massen kommt es nur zur Entstehung von unerheblichen Scheinfronten bzw.
dynamisch belanglosen — meist nur im Temperaturfelde stärker ausgeprägten — Fronten. Jedenfalls
besteht zwischen Meer und Land, zwischen eisfreiem und eisbedecktem Meer, zwischen schneefreiem und
schneebedecktem Land sowie auf dem Kontinent z. B. zwischen Steppe und Wald immer ein Unterschied
hinsichtlich der Reibung, der Temperatur und der Feuchte bzw. zumindest ein Unterschied in der Art und
Geschwindigkeit der Feuchte- und Temperaturzuführung bzw. Temperatur-Entziehung. Bei relativ wenig
bewegten Massen wird es daher mit der Zeit aus diesen topographischen bzw. orograpbischen Gründen
zur Ausbildung einer Frontalzone und mit Hilfe eines Deformationsfeldes unter Umständen auch zur
Bildung dynamisch wichtiger Fronten kommen können. Als Beispiel für eine dynamisch belanglose
(wirkungslose) Front (Scheinfront) kann die durch nächtliche Kaltluftproduktion über einer geschlossenen
Schneedecke in Mitteleuropa erzeugte Bodeninversionssicht angesehen werden, deren horizontale Be
grenzung häufig auf der Bodenwetterkarte im Temperaturfeld scharf ausgeprägt ist und mit der Be
grenzung einer zusammenhängenden Schneedecke übereinstimmt. Die aerologischen Aufstiege zeigen
jedoch die geringe vertikale Mächtigkeit dieser „sekundären“ Luftmassen (vgl. auch Kap. II). Als Beispiel
für eine aus orographischen Gründen entstehende, dynamisch wichtige Front dagegen ist die Bildung der
arktischen Frontalzone anzusehen. Hierbei grenzt in der kälteren Jahreszeit das vom Golfstrom erwärmte
Meer etwa im Raume Jan Mayen — Bärcninsel — Nowaja Semlja an das Polareis (polare Eiskante), und bei
einigermaßen stationärer Strömung werden zuletjt mächtige Luftmassen durch ihre Unterlage beeinflußt.
Durch dynamische Turbulenz wird dabei über dem Eis die Bodenabkühlung nach oben geführt, und es
genügt dann schon ein geringfügiges Deformationsfeld, um die Frontalzone zur Front zu verschärfen; die
arktische Frontalzone kommt also durch einen Kaltluft-Ausbruch aus dem Polarbassin plö^lidi zur Front
(A F) verschärft südwärts in Bewegung.
Frontenarten.
Bei allen Diskontinuitäten können wir zunächst zwei Hauptunterschiede feststellen. Eine aktive Luft
masse wird bei ihrem Fortschreiten gegen kältere, ihr vorgelagerte ruhende oder langsam strömende Luft
massen immer als Warmfront, gegen wärmere Luftmassen dagegen immer als Kaltfront auf treten.