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Aus dem Arehiv der Deutschen Seewarte. — 52. Bd. Nr. 4.
standen. Unterkühlungen des Wassers um etwa zehn Grad unter Null scheinen also dort keine Selten
heit zu sein. Mit der Existenz dieser unterkühlten Wasser tropf chen ist aber die Vorbedingung für
Vereisungserseheinungen gegeben.
Eine Frage von entscheidender Wichtigkeit ist dabei nun die, ob die in Form von Nebel suspensier-
ten Wassermassen genügen, um an einem hindurchfliegenden Flugzeug einen beachtlichen Eisansatz zu
erzeugen. Diese Frage läßt sich nur indirekt beantworten und zwar durch Betrachtung der Beobach
tungen, welche die Expditionen über Eisansätze an Körpern gemacht haben, die der Luftströmung aus
gesetzt waren. Als solche Körper kommen verharschte Schneestücke und vor allem die Zelte und an
dere Gerätschaften der Expedition in Frage. Dabei zeigt sich nun, daß Rauhreifbildungen etwas außer
ordentlich häufiges sind und vielfach beträchtliche Ausmaße erreichen. Zahlenmäßige Angaben lassen
sich hier nicht machen. Photographien und Beschreibungen zeigen aber, daß die auf dem Innern Grön
lands beobachteten Rauhreiferscheinungen von einer sonstwo kaum erreichten Intensität sind.
Ob der Eisansatz in Form einer glasigen Kruste oder nach Art des Rauhreifes erfolgt, ist für das
Flugzeug belanglos. Der glasige Eisansatz entspricht dem, was man in der Meteorologie gewöhnlich als
Glatteis bezeichnet. Eisansätze über dem Inlandeis werden aber mehr den Charakter von Rauhreif
tragen.
Ob nun die Gefahr einer Vereisung über dem Innern des Landes größer ist als in den Küsten
regionen, läßt sich schwer entscheiden. P4ir die Annahme einer geringeren Gefahr spricht die Tatsache,
daß bei so niedrigen Temperaturen, wie sie die Luft über dem Inlandeis auf weist, der Wasserdampfge-
halt der Luft nicht groß sein kann, also auch nicht viel Wasser in flüssiger Form ausgeschieden werden
kann. Man muß aber erwarten, daß der Eisansatz (man würde ihn auf dem Inlandeise vielleicht besser
Rauhreifansatz nennen), wenn die Vorbedingungen für ihn da sind, sehr schnell erfolgt. Schon in bezug
auf Wasser wird in einer Nebelmasse auf dem Inlandeis infolge der Tröpfchenradien Übersättigung
herrschen; in bezug auf Eis wird die Übersättigung dann noch größer sein. Prallen nun Tröpfchen auf
das Flugzeug auf, so gefrieren sie sofort. Die Eiskruste wird sich aber dann nicht nur durch weiteren
Aufprall von Tröpfchen vergrößern, sondern auch durch Sublimation des Wasserdampfes der Luft, die
nun gegenüber der Eisschicht sehr hoch übersättigt ist. An der Küste, wo die Temperatur höher ist,
spielt dieser Vorgang keine so große Rolle, denn hier erreichen die Eisübersättigungen keine so hohen
Beträge. Jener grönländische Inlandnebel muß gegenüber festen von der Nebelluft umströmten Gegen
ständen als labil angesehen werden, was durch die häufigen Beobachtungen starken Rauhreifes be
stätigt erscheint.
Überblickt man nun alles, was über die Möglichkeiten von Vereisung an der Küste und über dem
Inlandeise gesagt wurde, so ergibt sich ein Bild, das in einer deutlichen Analogie zu dem der Sichtbe
hinderung steht. Beide Male ergab sich, daß die einzelnen meteorologischen Erscheinungen, durch
w'elche schlechte Sicht bez. Vereisungsgefahr hervorgerufen werden, einen deutlichen Unterschied
zwischen Küste und Inlandeis zeigen; im Zusammenwirken der einzelnen Faktoren wurde dieser Unter
schied aber nicht verstärkt, sondern herabgemindert. Es wurde die Tendenz festgestellt, die etwas ge
ringere Nebelhäufigkeit auf dem Inlandeise durch erhöhte Schneefallhäufigkeit wieder auszugleichen.
Ähnlich wird es mit der Vereisungsgefahr sein. Was auf dem Inlandeise im Vergleich zur Küste an
der Menge flüssiger in der Luft enthaltener .Wassermassen fehlt, wird durch die geschilderte höhere
Labilität auf dem Inlandeise wieder ausgeglichen.
4. Wind.
Bei der Betrachtung jeder Flugroute interessiert der Wind in dreifacher Hinsicht. Erstens kann er
als Sturm für den Flug störend oder gar gefahrbringend werden. Angaben über die Sturmhäufigkeit
sollen über die Höhe dieser Gefahr Auskunft geben. Zweitens interessiert die mittlere Häufigkeit und
Stärke des Windes wegen der Navigation. Drittens sind diese letzteren Angaben noch zur Vorausbe
rechnung der zu erwartenden Flugzeiten, also zu einem technisch-wirtschaftlichen Zweck notwendig.