R. Becker und G.H.Bau mann: Beiträge zur Meteorologie des Luftweges über Grönland.
23
sich ansetzende Eiskruste sehr dick, so wird das Flugzeug schwerer und außerdem werden die aero
dynamischen Eigenschaften seiner Tragflügel stark verschlechtert. Die Tragfälligkeit sinkt infolgedessen
erheblich. Bei wachsender Dicke beginnt die Eiskruste schließlich stückweise abzubrechen, was natürlich
die schlimmsten Folgen haben kann. Geschieht es z. B. am Propeller, so wird dessen Schwerpunkt aus
der Mitte seiner Umdrehungsachse herauswandern. Die dadurch auftretenden Querkräfte können dann
Kur bei wellenbrüche zur Folge haben.
Die zweite Art der Vereisung tritt dann ein, wenn das Flugzeug aus einer kalten Luftmasse plötzlich
in eine warme mit Regen- oder Nebeltröpfchen angefüllte gelangt. Hatte sich das Flugzeug in der kalten
Luft unter 0° abgekühlt, so werden die in der warmen Masse auf das Flugzeug aufprallenden Wasser
tröpfchen gefrieren und einen Eisansatz erzeugen. Das Vorhandensein von Wassertröpfchen ist dabei
nicht unbedingt notwendig; es genügt auch schon eine hohe relative Feuchtigkeit der Warmluft. Auf
dem kalten Flugzeug bildet sich dann ein Beschlag in Form von Eis. Eine derartige Vereisung ist aber
deshalb ungefährlicher als die zuerst besprochene, weil sich das Flugzeug in der warmen Luft rasch eben
falls erwärmt, wodurch der gebildete Eisansatz bald wieder abzutauen beginnt.
Bei der folgenden Feststellung der Zeiten und Orte erhöhter Vereisungsgefahr wird in erster Linie
an die erstgenannte wichtigste Art der Vereisungsmöglichkeit gedacht.
Die erste Bedingung sind Temperaturen in der Nachbarschaft von 0°. Es herrscht dann die größte
Wahrscheinlichkeit für die Bildung unterkühlter Tröpfchen. Um zu beurteilen, welche Wassermengen
in Form solcher Tröpfchen dabei in der Luft enthalten sind, bleibt mangels anderer Daten nichts
besseres übrig als die Niederschlagsmengen heranzuziehen.
Zunächst seien wieder die gesicherten Beobachtungsreihen der Küstenstationen erörtert. Bei vier
Stationen liegen alle erforderlichen Beobachtungen vor. Die Fig. 15 (Tafel 3) zeigt für jene vier
Stationen die zur Ermittlung der vereisungsgefährlichsten Zeit erforderlichen Aufzeichnungen 22 )- Für
jede Station wurden drei Jahreskurven monatlicher Mittelwerte gezeichnet: erstens die monatliche Mittel
temperatur, zweitens die Häufigkeit der Frosttage pro Monat und drittens die monatliche Niederschlags
höhe. Auf jeder Kurve wurden nun diejenigen Punkte markiert, die im Verlauf der ganzen Kurve
Optimalbedingungen für Vereisung eines Flugzeuges darstellen. Dies sind die Schnittpunkte der
Temperaturkurve mit der 0°-Abszisse, die Schnittpunkte der Frosthäufigkeitskurve mit der Abszisse von
50% und die Maxima der Niederschlagshöhe.
Das sich ergebende Bild ist sehr markant und eindeutig. Je genauer nämlich die Optimalpunkte
der drei Kurven senkrecht Übereinanderliegen, um so schärfer sind die Vorbedingungen für eine Ver
eisung in der betreffenden Zeit gegeben. Bei allen vier Stationen der Fig. 15 (Tafel 3) zeigt sich nun,
daß sich zwei Perioden starker Vereisungsgefahr in dieser Weise scharf herausheben. Es sind überein
stimmend die Monate September und Oktober, also der frühe Herbst. Außerdem kommt der Frühling
noch in Frage. Das Optimum im Fx-ühling ist aber bei weitem nicht so stark zu bewerten wie das des
Herbstes, weil die Niederschlagshöhe sehr wesentlich geringer ist. Die Periode starker Vereisungsge
fahr im Herbst ist in Fig. 15 (Tafel 3) bei allen vier Stationen durch ein schraffiertes Ordinatenband
hervorgehoben worden.
Die Verhältnisse auf dem Inlandeise sind nun anders geartet. Der wichtigste Unterschied ist
früher schon erwähnt worden und besteht darin, daß auf dem Inlandeise (durch den Innenraum der
1500 m-Isohypse definiert) Temperaturen oberhalb 0° kaum Vorkommen, ebenso wenig wie Niederschlag
in flüssiger Form. Nun kommt aber eine Erscheinung hinzu, die sehr wichtig sein kann. Alle Expeditio
nen beobachteten, wie bereits im Kapitel Cbl gezeigt wurde, auf dem Inlandeise und zwar gerade im
innersten kältesten Gebiet sehr häufig Nebel. In diesem Nebel wurden vielfach Regenbogenerscheinun
gen beobachtet, was als ein Beweis dafür anzusehen ist, daß die Nebelmassen aus Wassertröpfchen be-
2! ) Das Material wurde entnommen aus l ).