Rudolf Geiger und Fritz Wagner: Höhenwinde vor der westafrikanischen Küste
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Um 20 h 43 m lautet der Tagebucheintrag: „Gewitter an Steuerbord achteraus, kaum mehr Ent
ladungen sichtbar. Nur noch vereinzelte Regentropfen.“
Am eindrucksvollsten aber war der rasche Temperaturanstieg um 4° C. Mit dem Gewitter
war nicht ein neuer Luftkörper eingebrochen, sondern, wie bei unseren Wärmegewittern, nur
eine vorübergehende Abkühlung verbunden. Sie betrug nach dem eben genannten Temperatur
anstieg noch etwa 3° C gegenüber der Temperatur vor dem Einsatz des ersten Tornados.
Auch im Luftdruck war das Tropengewitter deutlich bemerkbar. Um die Mittagsstunden
vor dem Gewitter war der Luftdruck besonders niedrig, wie schon die Terminbeobachtungen in
der Abbildung 6 erkennen lassen. Von seinem Mindestwert um 17 h erfolgte ein erst langsamer,
dann rascher Anstieg um 1,8 mm, der nach dem Einbruch des ersten Tornados erreicht wurde.
Auch im Druck kündigte sich der zweite Tornado an durch
einen leichten Fall von 0,3 mm, dem ein zweiter Anstieg lim
0,4 mm folgte.
Die Zugrichtung beider Tornados war etwas verschieden.
Nach der auf dem Peilkompaßdeck erfolgten Peilung hatte die
Front der ersten Bö die in der Abbildung 8 wiedergegebene
Lage F—F. Die Bö zog von r. w. ENE nach WSW, die zweite
dagegen von ESE nach WNW (oder NW). Vergegenwärtigt
man sich, daß die Tornados den Einbruch der kalten oberen
Harmattanströmung in die Monsunströmung am Boden dar
stellen, so ist zu beachten, daß die Zugrichtung des zweiten
Tornados fast vollkommen zusammenfällt mit der Richtung des
Harmattan, wie er fünf Stunden vorher durch unseren Pilot
ballonaufstieg Nr. 37 in der Höhe von 750 m bis zu 4250 m
festgestellt worden war (siehe Abb. 8 rechts unten).
Auch in der folgenden Nacht, die wir in Freetown verbrachten, waren mehrere Gewitter
tätig. Unsere Inanspruchnahme durch den Schiffswechsel ermöglichte uns leider keine ein
gehenden Beobachtungen.
(F—F: Vorderrand d. 1. Böenfront;
1—3: 'Windrichtungen:
1 vor der ersten Front,
2 hinter der ersten Fiont,
3 hinter der zweiten Front).
4. Die Rückreise in den Tropen (9. bis 11. November 1930).
In Freetown mußten wir die „Livadia“ verlassen und schieden von ihr mit herzlichem Dank.
Das für uns bestimmte Frachtschiff zur Heimreise, D. „W i g b e r t“ (3648 t), unter Führung von
Kapitän G u g a t, von der Hamburg-Bremer Afrika-Linie, traf bereits in der Nacht vom 8. zum
9. November in Freetown ein, so daß wir schon am 9. mittags die Rückreise antreten mußten.
Die gesamte Expeditionsausrüstung blieb über Nacht in einem Leichter unter Zollverschluß im
Hafen liegen. Den allzu kurzen Aufenthalt in Freetown konnten wir, dank des liebenswürdigen
Entgegenkommens des Agenten der Woermann-Linie, Herrn Paul Schm idt und seiner Frau,
zum Kennenlernen der Stadt ausnutzen, soweit dies in so knapp bemessener Zeit überhaupt
möglich war.
Auch auf der „Wigbert“ fanden wir ein gleich freundliches Entgegenkommen bei Kapitän
und Schiffsoffizieren wie auf der „Livadia“ und ein uns förderndes Interesse für unsere Arbeiten,
wofür wir auch an dieser Stelle Dank sagen. Bei der ganz geringen Zahl von Passagieren
konnte uns außergewöhnlich viel Raum für Unterbringung der Instrumente und für die Schreib
tischarbeiten zur Verfügung gestellt werden, was unseren Aufgaben sehr förderlich war und
wir besonders dankbar empfanden. Raschestens erledigten wir daher die notwendigen Ein