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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 51. Bd., Kr. 2
die Behörden rasch die Gelegenheit, diese Insel kennenzulernen, die seit den eingehenden
Arbeiten H. v. Fickers 5 für den Meteorologen die „Passatinsel“ schlechthin geworden ist. Wir
fuhren im Auto an den trockenen, sonnenverbrannten, kahlen, nur von Opuntien und künstlich
angepflanzten Eukalyptusbäumen belebten Leehängen von Santa Cruz hinauf nach dem als
meteorologische Station wohlbekannten La Laguna in seiner Sattellage in 547 m Höhe. Von
dort öffnete sich bald der Blick auf die Luvseite der Insel, die — dem Passat zugewendet —
zwar für eine natürliche Vegetation noch nicht wasserreich genug ist, aber mit Hilfe großer
Bewässerungsanlagen in einen riesigen, frischgrün leuchtenden Bananengarten verwandelt ist;
aus ihm leuchteten die weißen Betonwände der Riesenzisternen heraus, welche den in dem
höhergelegenen Kondensationsniveau an den Hängen des Pic niedergehenden Regen sammeln,
ehe er in dem trockenen, porösen Vulkangestein verschwindet. Auch uns zeigte sich bei unserer
Fahrt die untere Nebel- bzw. Wolkengrenze, die allen bizarren Formen des Geländes folgend
in stets gleicher Seehöhe an den hohen Hängen der Insel entlanglief.
Das in vielen Orten Deutschlands (Wien, Karlsruhe, Potsdam, München) nachgewiesene
Sonderklima der Städte veranlaßte uns, auf der Fahrt Temperaturbeobachtungen zu machen, um
zu erkennen, ob auch in diesem ganz andersartigen Großklima die gleiche Erscheinung nach
weisbar sei. Bei unserer primitiven Meßmethode sind die erhaltenen Zahlen zu unsicher, um
eine Bekanntgabe zu rechtfertigen. Aber so viel ließ sich klar erkennen, daß der mikroklimatische
Einfluß der Städte und schon größerer Häuserkomplexe mindestens ebenso deutlich wird wie
bei uns. Im Innern von Santa Cruz war es um 15 h 30 m etwa 3° wärmer als am Rande der Stadt,
in La Laguna, Tacoronte und Puerto Orotava rund 1" wärmer als vor den Häusern.
Kurz vor Mitternacht verließ die „Livadia“ die Mole von Santa Cruz de Tenerife und
stand bei Sonnenaufgang am 26. Oktober vor der Isleta, der „kleinen Insel“, an deren schmaler
Verbindung zur Hauptinsel von Gran Canaria die Häuser von La Luz, der Vorstadt von
Las Palmas, beginnen.
Madeira ist die an natürlicher Vegetation überreiche subtropische Insel, die nur an den
Formen und Arten der Pflanzendecke die sommerliche Trockenheit erkennen läßt. Teneriffa
ist noch von größter Fruchtbarkeit dort, wo man der natürlichen Trockenheit durch künstliche
Aufspeicherung und Verteilung der in den Hochlagen der Insel niedergehenden Regen nachhilft.
Gran Canaria macht für den, der sich dem Strande von Las Palmas nähert, bereits einen völlig
wüstenhaften Eindruck. Am Morgen des 26. Oktober zeigte schon der Osthimmel an der rot
braunen und gelblichen Farbe die starke Staubtrübung in der Saharanähe. Und über dem Lande
lagerte eine Wolke feinen, dem Vulkangestein entstammenden Staubes, der dem Europäer durch
den Geruch den Eindruck erweckte, auf einem großen Schuttfeld zu gehen. Mächtige Wolken
massen hingen an den Inselhängen, und wenige Tropfen, ähnlich den Kondensationstropfen in
einer Rauchfahne, wurden in der Stadt schon beachtet, in der in besonders trockenen Jahren
der Liter Zisternenwasser mit 10 Pfennig bezahlt werden soll. So prägt sich in allem der
Charakter des Wüstenklimas auf der Insel mitten im Meere deutlich aus.
3. Von Las Palmas nach Dakar (27. bis 29. Oktober 1930).
Der Reiseabschnitt von der Insel Cran Canaria bis gegen Dakar, den Hafen am Cap Verde,
brachte in bezug auf die Bewölkung, die Höhenwinde, die Sicht und die Wassertemperaturen
neue Verhältnisse.
5 Siehe besonders H. v. Ficker, Die meteorologischen Verhältnisse der Insel Teneriffa. Äbh. d. Preuß. Akad.
ö. Wissenseh., 1930, Phys.-math. Kl., Nr. 1.