7
Rudolf Geiger und Fritz Wagner: Höhenwinde vor der westafrikanischen Küste
Strom von Tropikluft gebildet, der die Witterung beherrschte 1 . Er wurde von unserer ersten
Terminbeobachtung gerade noch erfaßt. Am anschaulichsten vergegenwärtigt dies die Abb. 1,
welche die Terminbeobachtungen des ersten Reiseabschnittes graphisch darstellt 2 . Durch den
hohen Temperaturwert und den leichten südöstlichen Wind ist die Tropikluft charakterisiert.
Aber schon 25 Minuten nach dieser ersten Beobachtung traf maritime Polarluft ein; die Front
des neuen Luftkörpers machte sich durch einen Temperaturrückgang von 18,4 auf 15,3 0 C, einen
Druckanstieg um % mm und durch einen Regenschauer, dem ein einstündiger Nachregen folgte,
bemerkbar.
Als daher die „Livadia“ in den ersten Morgenstunden des 18. Oktober Le Havre mit WNW-
Kurs verließ, stampfte sie bei 16 bis 20 m/sec Gegenwind, klarster Sicht (30 sm), messerscharfer
Kimm und ungewöhnlich frischer Morgentemperatur (13,7° C, das ist 1,8° niedriger als die
Wassertemperatur, siehe Abb. 1) auf Cap de la Hague zu. Die maritime Polarluft, schon weit
herumgeholt um die nördlich von Schottland gelegene Depression, verlor aber rasch diesen
Kaltluftcharakter. Der Wind wehte, wie die nächsten fünf Terminbeobachtungen in der Abb. 1
zeigen, erneut aus südlichen bis südwestlichen Richtungen, also über wärmere Meeresgebiete
heran. Der Pilotballonaufstieg Nr. 5 am Vormittag des 19. Oktober hatte SSW-Winde bis
1500 m gezeigt. Temperaturerhöhung und Sichtverschlechterung gaben der Vorderseitenluft
erneut den Charakter einer Warmluft.
In diese Zeit fällt die Ab
lösung der 54. Depressions
familie, der der Frontdurch
gang in Le Havre noch
angehörte, durch die tiefe,
weit nach S ausgreifende
1.Depression der 55. Gruppe.
Ein aktiver, breiter Polar
luftstrom brach auf ihrer
Rückseite auf der Strecke von
Island bis fast zu den Azoren
herein, dessen markanter
Front die „Livadia“ — nun
in der Biskaya stehend —
am 19. Oktober entgegen
steuerte.
Bei stark fallendem Luft
druck kam um Mittag vonW
Oktober 1930
16 19
J Westwindzone
Nord:%-ostI | - Passa t
— , a no
760
16 11 % '!a-«
21* 'Co
£ r i £ F
- _ - Ä rA o _ Op o
<C ccr (T (T f af*
Geographische Breite
—i—i:i I i
50°
65°
J I 1 I I I ill
60°
35°
—I—t I !..
30°
iil i i i i I i kl i ,L.
25°
20°
15°
Abb. 1. Terminbeobachtungen im 1. Reiseabschnitt : Ausreise.
1 Aus dem Privattagebuch Geiger einige Beobachtungen aus der Zeit vor Beginn der Terminbeob
achtungen: 1. Einfahrt nach Le Havre, 15. Oktober, 11 h : „Im Osten tritt immer deutlicher die fran
zösische Steilküste heraus. Zeitweise scheint die Sonne bei Südwind in Stärke 3—4. . . . Im Dunst
gegen Süden sieht man bereits Cap de la Heve.“ — 2. In Le Havre, 16. Oktober: „Es ist strahlender Sonnen
schein und hat morgens bereits 18,3° über dem Wasser. Wir genießen den Tag soviel Sonne, wie nur
im Juni dieses Jahres, und gehen natürlich ohne jeden Mantel.“ — Auf dem Cap de la Heve, 121 m über
See: „Nahe dem Leuchtturm essen wir zu Mittag; es ist so heiß, daß man selbst auf dieser luftigen Höhe
das Freie sucht.“ — 3. In Le Havre, 17. Oktober: „Es ist bei fallendem Luftdruck fast wolkenloses,
warmes Wetter.“
2 Die Zahlenwerte siehe im Tagebuch! Die Wassertemperaturen (stark punktierte Linie) sind hier wie auf
den Abb. 6 und 10 durch die Beobachtungen der Schiffsleitung ergänzt. Die Windfahnen sind die der
Wetterkarten; die Fiedern bedeuten also Beaufort-Skala-Werte, während das Tagebuch m/sec angibt.