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Aus dem Ardiiv der Deutschen Seewarte. — 51. Bd. Nr. 6.
Von den der Deutschen Seewarte gestellten wichtigen Aufgaben gibt schon der erste Tätigkeitsbericht des
Instituts vom Jahre 1875 eine eindrucksvolle Vorstellung. Es heißt da:
„Die Erforschung der physikalischen Verhältnisse aller durch den Verkehr der Völker berührten Meere
und der über denselben lagernden Atmosphäre, die praktische Verwertung der dadurch gewonnenen Ergeb
nisse ist zur Entwickelung, zur Förderung undSicherheit jedes Verkehrs unerläßlich.
Damit dieser Grundgedanke fruchtbringend verwertet werden könne, bedarf die Handelsmarine, wel
cher der Weltverkehr zur See in erster Linie anvertraut ist, um der ihr gestellten Aufgabe gerecht zu
werden, einer wissenschaftlichen Institution, die sich ganz ihren Bedürfnissen mit Bezug auf Literatur, Ar
beitsmethode und Instrumente der Navigation zu widmen in der Lage ist. Eine solche Institution besitzen wir
in der Deutschen Seewarte.“ „In steter Fühlung mit und auf der Wissenschaft stehend“ soll das Institut
deren Errungenschaften verwerten und im Interesse des Lebens zum Gemeinerut machen!“
Ganz besonders finden wir diese Betonung der Bedürfnisse des Lebens in Verknüpfung mit dem sozusa
gen volkstümlichsten Arbeitsgebiet der Seewarte, dem Wetterdienst.
Als Nachrichtenzentrale der deutschen Wetterdienststellen übermittelt die Deutsche Seewarte diesen die
nachts, morgens, nachmittags und abends aus den Ländern der nördlichen Halbkugel und von den Schiffen
auf dem Ozean funken telegraphisch einlaufenden Wetterbeobachtungsergebnisse. Um ihre Hauptaufgabe, die
Pflege der maritimen Meteorologie, die Sicherung des Verkehrs zu Wasser und zur Luft und die Förderung sei
ner Wirtschaftlichkeit auf wissenschaftlicher, insbesondere meteorologischer Grundlage durchzuführen, organi
siert sie den Sturm- und Sturmflutwarnungsdienst, den Eisnachrichtendienst, den Wirtschaftswetterdienst für
die beteiligten Verkehrs-und Wirtschaftskreise, sowie den Uberseeflug-Beratungsdienst. Für diese Zwecke
unterhält sie zu Lande eine Reihe von Normalbeobachtungs- und Ergänzungsstationen, eine Anzahl von Sta
tionen des Küstenwetterdienstes (synoptische Stationen) und eine stattliche Zahl von Sturmwamungs- und
Sturmwarnungsnebenstellen an der Ostsee und an der Nordsee sowie einige Windsemaphorstationen. Alle
diese Stellen sind mit Hafenmeistern, Fischern, Schiffern, Förstern, Gastwirten, Gemeindevorstehern, Lotsen,
Leuchtfeuerwärtern, Hofbesitzern usw. nebenamtlich besetzt, deren Dienstleistungen durch eine geringe jähr
liche Vergütung abgegolten werden. Der Eisdienst wird mit Hilfe einer Reihe von Eisbeobachtungsstellen an
der deutschen und außerdeutschen Küste durchgeführt.
Die Rolle der Landwarten übernehmen auf dem Weltmeere die Schiffe der deutschen Handels- und Reichs
marine, die ihre Beobachtungen in meteorologische Tagebücher eintragen, welche sie dann der Deutschen See
warte zur Auswertung überlassen. Im Jahre 1930 sind allein 933 Tagebücher und 983 Beobachtungsblätter mit
zusammen 289 771 Beobachtungssätzen eingegangen 8 ).
Die Deutsche Seewarte erteilt fernerhin Auskunft über vergangenes Wetter, hauptsächlich für alle Ange
legenheiten, die den Seeverkehr betreffen; als Zentrale für den synoptischen Wetterdienst ist sie aber in der
Lage, auch für jedweden Ort und Bezirk Auskunft zu geben.
Von den Veröffentlichungen, die die Deutsche Seewarte als Zentralinstitut des öffentlichen Wetterdienstes
herausgibt, sind hier vor allem zu erwähnen: der große „Tägliche Wetterbericht“, der dem Verwerter mit sei
nem in Karten und Tabellen konzentrierten Inhalt ein unschätzbares Material an die Hand gibt, zumal er auch
eine Zirkumpolarwetterkarte bringt, die wir als Vorläufer der bald kommenden Weltwetterkarte betrachten
dürfen; die täglich erscheinende „Wetterkarte des Nordatlantischen Ozeans“ mit einer Wetterübersicht und
eventuellen Sturmwarnungen und die ebenfalls täglich erscheinende „Wetterkarte der Nordsee und Ostsee“ mit
einer Wettervorhersage für den kommenden Tag sowie der tägliche „Eisbericht“.
b) Während der allgemeine Wetterdienst zu den Aufgaben der Länder gehört, ist die Förderung des für
den Luftverkehr notwendigen Flugwetterdienstes Aufgabe des Reichs. Der Flugwetterdienst wird von denWet-
terdienststellen der Länder und von der zum Preußischen Aeronautischen ObservatoriumLindenberg gehören
den Leitung des Flugwetterdienstes in Berlin mit wahrgenommen. Zu den Kosten der auf diese Weise ein
tretenden Belastung der Länder leistet das Reich Beiträge mit der Wirkung, daß den Ländern nur eine rela
tiv geringfügige Ausgabe verbleibt. Der deutsche Flugwetterdienst besteht in seiner Gesamtheit aus sämt
lichen Flugwetterwarten des deutschen Reichs und allen zur Sicherung des Luftverkehrs eingerichteten me
teorologischen Neben- und Beobachtungsstellen. Die wissenschaftliche und technische Leitung für den Dienst
innerhalb der Reichsgrenzen ist durch das Reichsverkehrsministerium der Zentrale des Höhenwetterdienstes
beim Preußischen Aeronautischen Observatorium in Lindenberg übertragen. Aufgabe des Flugwetterdienstes
8 ) 53. Jahresbericht über die Tätigkeit der Deutschen Seewarte für das Jahr 1930. Seite 12.