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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 51. Bd. Nr. 4.
Durchschnittewinkelverzerrungswert. Und trotzdem ist ein falsches Bild herausgekommen, indem sich die echte
flächentreue Schnittzylinderprojektion mit <p 0 = 30° als beste Erdkartenprojektion herausstellte (bei den Pro
jektionen für eine Halbkugel hat Behrmann allerdings ganz richtig die Lambertsche flächentreue Azimutalpro
jektion als beste ermittelt). Bei Hinzuziehung von abstandstreuen Projektionen und ferner bei Beurteilung
der unechten Projektionen auch für die Abbildung bestimmter Gebiete komplizieren sich die Verhältnisse weiter,
und die Kritik nur nach dem Durchschnittswinkelverzerrungswert reicht noch viel weniger aus.
Was kann der Geograph von einem Entwurf für größere Gebiete fordern 1 Wir haben schon verschiedentlich
von der Anpassung an das darzustellende Gebiet gesprochen. Man soll auf der Karte ein dem Globusbild möglichst
ähnliches Bild sehen. Nicht ähnlich in den kleinsten Teilen, sondern ein im großen und ganzen möglichst ähnliches
Gesamtbild. Dazu gehört außer richtigen Größenverhältnissen, die ja durch einen flächentreuen Entwurf ganz
exakt gewahrt werden können, möglichste Ähnlichkeit in bezug auf die Gestalt, und vor allem in bezug auf die
gegenseitige Lage. Dieser Punkt ist bei größeren Übersichten von der allergrößten Wichtigkeit. Eckert hat diesem
Begriff den Namen „Lagentreue“ gegeben 1 ). Man könnte meinen, daß diese Forderungen auch durch einen Ent
wurf mit möglichst geringer Durchschnittswinkelverzerrung befriedigt werden. Dies ist aber durchaus nicht der
Fall. Das beste Beispiel ist hier wieder die echte flächentreue Schnittzylinderprojektion. Niemand wird behaupten
wollen, daß durch sie bei einer Darstellung der ganzen Erde oder eines größeren Ausschnittes der Erdoberfläche
die natürlichen Lageverhältnisse bestmöglichst gewahrt bleiben. Ein zweites nicht so augenfälliges Beispiel ist
der Vergleich zwischen Eckerts Ellipsenprojektion und Sinuslinienprojektion. Den geringeren Durchschnitts-
winkelverzerrungswert hat die Ellipsenprojektion. Und doch zeigt die Sinuslinienprojektion in bezug auf die
Abbildung der Kontinente ein gefälligeres Bild. Allerdings sind die in der Umrandung auftretenden Ecken an
gegriffen worden. Doch ist die Frage der Umrandung bei einer Erdkarte durchaus eine Frage des persönlichen
Empfindens. Und im Falle der Sinuslinienprojektion ist die Art der Umrandung keineswegs so ausgefallen, daß
man sie als wichtiges Argument gegen die Projektion ins Feld führen sollte. Eckert selbst hat als Ergebnis seiner
qualitativen Analyse der beiden Entwürfe die Sinuslinienprojektion als die geographisch bessere erkannt 2 ). In
neuester Zeit sind nun wieder Stimmen laut geworden, die sich an Hand der Untersuchung der Verzerrungswerte,
nicht nur der Winkelverzerrung, sondern auch der Längenverzerrung und der mehr oder minder gleichmäßigen
Teilung der Meridiane durch die Parallelkreise für die Ellipsenprojektion aussprechen, und somit wieder die
quantitative Analyse an erste Stelle rücken. Es sind dies eine sehr weitgehende Untersuchung von Schumann 3 )
und ein kürzerer Artikel von Bürger 4 ).
Wenn weiter keine anderen Entwürfe zur Auswahl stehen würden, dann müßte man sich als Geograph den
Argumenten Eckerts anschließen und sich für die Sinuslinienprojektion entscheiden. Wir wollen aber trotzdem
den Wert der quantitativen Analyse nicht unterschätzen. Es läßt sich ein Entwurf finden, der einerseits einen
günstigeren Durchschnittswinkelverzerrungswert aufweist als die Eckertsche Sinuslinienprojektion, andererseits
aber die gefällige Form bei der Abbildung der Kontinente wahrt. Bürger hat am Schluß seines Aufsatzes auf die
Möglichkeit der Bildung von unendlich vielen neuen Entwürfen hingewiesen. Auch in der vorliegenden Arbeit ist
auf S. 16 auf die unendlich vielen Möglichkeiten hingewiesen. Eine durchaus vermittelnde Stellung zwischen den
beiden flächentreuen Eckertschen Projektionen nimmt die auf S. 27/28 und Abb. 13 dargestellte Mollweide
projektion mit Pollinie ein. Auch ohne tatsächliche Berechnung der Verzerrungswerte kann man die vermittelnde
Stellung dieses Entwurfs aus einem Vergleich der 3 Netze schließen.
Die Frage der möglichst guten Abbildung von Gestalt und gegenseitiger Lage wird noch wichtiger, sobald es
sich um die Wiedergabe eines Teiles der Erdoberfläche handelt. Bei Spezialkarten tritt ja meistens das physikalische
Moment mehr in den Vordergrund, während die Frage der Begrenzungslinien und anderer später noch zu er
wähnender, für die Abbildung der ganzen Erde wichtige Belange zurücktreten. Durch die meist rechteckige Be
grenzung einer solchen Karte ist es gleichgültig, obder Entwurf durch eine geknickte Linie begrenzt wird
oder durch eine geschlossene Kurve. Ferner entfällt die Frage, ob der Pol als Punkt oder als Linie abgebildet
werden soll. Die Vorteile einer Pollinie werden in keiner Weise geschmälert durch den bei Erdkarten oft gemachten
Einwurf, daß der Pol doch besser in seiner natürlichen Gestalt als Punkt abgebildet werden solle. Es wird hier
gar nicht bis zum Projektionspol abgebildet. Dagegen tritt die Frage sehr in den Vordergrund, bei welcher Pro
x ) Eckert, Neue Entwürfe für Erdkarten, Pet. Mitt. 1906, S. 109.
2 ) Eckert, Neue Entwürfe für Erdkarten, Pet. Mitt. 1906, 8. 108. — Eckert, Die Kartenprojektion, Geogr. Zeitschr. 1910,
S. 443, Anm. 4.
3 ) Schumann, Untersuchung zweier Kartenentwürfe nach M. Eckert, Pet. Mitt. 1929, S. 291.
4 ) Bürger, Untersuchung Eckertscher Kartenentwürfe durch R. Schumann, Pet. Mitt. 1930, S. 237.