Heinrich Nohascheck: Der Zustand der freien Atmosphäre bei Nebelfrost- und Glatteiswetterlagen.
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Zu diesen Beispielen ist allgemein folgendes zu sagen:
Die Schwankung des Wasserdampfgehaltes der Duft scheint zunächst in sehr wenig ausgesprochener Beziehung
zur Temperaturschichtung zu stehen. Die spezifische Feuchte nimmt zwar im Bereich der Temperaturumkehrschicht
rascher ab als darunter und darüber, jedoch durchbrechen ihre Isoplethen im Verlauf der täglichen Schwankung ungehindert
die Sperrschicht. Das Durchbrechen von unten nach oben läßt sich mit der Diffusion der Wolke erklären. Denn ein An
steigen der Isoplethen besagt ja, daß sich der Wasserdampfgehalt in der Luft an dieser Stelle vergrößert. Um aber seine
Abnahme bis tief in die Wolkenschicht hinein, die mit der täglichen Schwankung oberhalb der Inversion in Verbindung
steht, verstehen zu können, müssen wir eine andere Erklärung suchen. Wäre die Feuchte unterhalb der Inversion an den
Durchbruchsstcllen um einen bestimmten Betrag größer, dann läge der Umkehrpunkt der Isoplethen nidit unter, sondern in
oder über der Inversion. Da nun Übersättigung in bezug auf Wasser nur in seltenen Fällen vom Haarhygrometer angezeigt
wird, ist es leicht möglich, daß innerhalb einer Wolke die registrierten Feuchtigkeitswerte gegenüber den tatsächlichen zu klein
sind. Um festzustellen, ob das Verhalten der Isoplethen allein hieraus erklärt werden kann, wurde im ersten Beispiel für
den Morgenaufstieg am 11. Dezember 1924 die relative Feuchte an der unteren Inversionsgrenze, also der oberen Wolken
grenze, bestimmt unter der Annahme konstanter spezifischer Feuchte vom Boden bis zu dieser Höhe. Die Magnussche
Formel unter Benutzung der neu bestimmten Konstanten 14 ) ergab den maximalen Dampfdruck bei der jeweiligen Tem
peratur. Der Dampfdruck, der bei dem angenommenen Betrag der spezifischen Feuchte dem in dieser Höhe herrschenden
Luftdruck entspricht, wurde dem Adiabatenpapier entnommen. Die Berechnung ergab eine relative Feuchte von 108 % in
bezug auf Wasser, von 112 % in bezug auf Eis. Für den Mittagsaufstieg des gleichen Tages wurde eine Wasserüber
sättigung von 24 % gefunden. Zwei Fälle des zweiten Beispiels zeigten ähnliche Beträge. Übersättigungen von 10 bis 20 %
sind durchaus möglich. Wir können also annehmen, daß in diesen und allen anderen entsprechenden Fällen der unwahr
scheinliche Isoplethenverlauf durch fehlerhafte Anzeige des Instrumentes verursacht wird.
Schwieriger sind die zeitlichen Änderungen der spezifischen Feuchte zu erklären. Daß eine gewisse Beziehung
zum Temperaturgang besteht, geht daraus hervor, daß die Linien gleicher Feuchte das Bestreben zeigen, die Isothermen
unter einem konstanten Winkel zu schneiden. Es ist also ein täglicher Gang parallel dem der Temperatur zu erwarten. Nach
Hann 15 ) findet sich ein einfacher täglicher Gang des Dampfdrucks über größeren Wasserflächen und im Winter auch vielfach
auf dem Lande; die doppelte Schwankung dagegen ist typisch kontinental. Auffallend ist, daß wir öfter beide Perioden
gleichzeitig in verschiedenen Höhen antreffen.
Weiter wurde angenommen, daß das Auftreten von Nebel an der Erdoberfläche identisch ist mit dem Herunterkommen
der Wolkendecke. Denn da sich diese wohl kaum über Nacht auflöst, liegt der Schluß nahe, daß zur Zeit des Nebel
eintritts die untere Grenze der Wolkenzone die Erdoberfläche berührt, wie es in den Darstellungen gezeichnet ist. Um einen
Anhalt für die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme zu bekommen, wurde im ersten Beispiel am 9. und 10. Dezember 1924
für verschiedene Zeitpunkte die Höhe des Kondensationsniveaus eines vom Boden aus aufsteigenden Luftstroms nach der von
Väisälä 16 ) angegebenen Formel berechnet: h = 188 (to + 105). -■■ * , wo x = — Inr G t 0 = Bodentemperatur, r 0 =
T X
relative Feuchte am Boden. Die erhaltenen Höhen sind in der Zeichnung durch Kreuze kenntlich gemacht. Die Eintritts
zeit der Sättigung am Boden schließt sich sehr gut dieser im Laufe des Nachmittags abnehmenden Kondensationshöhe an.
Bemerkenswert ist, daß die Differenz zwischen dieser errechneten Höhe und der beobachteten unteren Wolkengrenze bei den
drei Aufstiegen des 10. ungefähr konstant von der Größenordnung 100 m ist. Dieser parallele Gang ist so zu deuten, daß
die Feuchteverhältnisse am Boden, die durch die berechneten Kondensationshöhen charakterisiert sind, und die in der Höhe
gleichen Verlauf zeigen. Diese Tatsache macht jedenfalls die Annahme durchaus wahrscheinlich, daß das Eintreten der
Sättigung gleichbedeutend ist mit dem Herunterkommen der Wolkenschicht.
Nebelfrost, 2. Typus.
1. 20. bis 22. November 1914.
Am 20. zeigt die Wetterkarte ein Hochdruckgebiet von 772)4 mm über der Nordsee, das auf allen Seiten von Baro-
meterminima umgeben ist. In Nordostdeutschland wehen nördliche Winde, die Temperaturen liegen um den Gefrier
punkt. Am folgenden Tag hat sich das Hoch über ganz Mitteleuropa ausgedehnt, über Skandinavien ist ein Teilhoch
entstanden. Über der Nordsee und den Britischen Inseln ist der Druck erheblich gefallen. Bei westlichen Winden liegen
die Temperaturen in Ostdeutschland um —4° herum. Zum 22. hat sich das mitteleuropäische Hochdruckgebiet weiter nach
Osten verlagert. Lindenberg befindet sich nun nicht mehr auf seiner Nordost-, sondern auf seiner Südwestseite. Entsprechend
sind die Winde nach Osten herumgegangen. Die Temperaturen sind kaum verändert. In Norddeutschland wird Nebel
beobachtet.
Die Änderungen des atmosphärischen Zustandes sind in den Beispielen dieses Typs für die bodennahe Schicht und die
höheren Luftschichten getrennt behandelt, da die Vorgänge in der Höhe hier nur von untergeordneter Bedeutung sind.
Am frühen Morgen des 21. ist deutlich eine Bodeninversion zu erkennen. Schon am 20. um 13h hebt sich die 0° pot.-
Isotherme vom Boden, um ihn erst am 23. mittags wieder zu berühren. In der Nacht schreitet die Abkühlung bis etwa 3h
recht langsam vorwärts, während von da an die Temperaturabnahme an der Erdoberfläche und in der bodennahen Luft-